POCCOLUS - Poccolus
Mehr über Poccolus
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Inferna Profundus Records / Litauen-Import
- Release:
- 29.05.2020
- Vilkolakiai
- Pakol dega laužai
- Ugnis kyla virš Ąžuolų
- Begeyte Peccolle
- Jie ateis...
- Rudens miško šnabždesiai
- Tai bus mano triumfo valanda
- Kirsk, Medeine, kirsk
- Dvasklajys
- Untitled
Eine vergessene Perle aus dem schwarzmetallischen Litauen des Jahres 1996.
Manches Mal begibt es sich, dass ein ziemlich vortreffliches Album mehr oder minder komplett der Vergessenheit anheim fällt, nachdem es schon ab initio nicht sonderlich im Fokus des Interesses der Öffentlichkeit stand. So erging es dem gleichnamigen Debüt und einzigen regulären Studioalbum der litauischen Black-Metal-Pioniere POCCOLUS aus dem Jahr 1996, das seinerzeit auf dem koreanischen Hammerheart-Label erschienen war. Damit ist das Dilemma der Band auch schon auf einen Nenner gebracht, denn was interessierte das Debütalbum einer litauischen Band auf einem koreanischen Label den wahrhaften Untergrund, der 24/7 mit der schwarzmetallischen Nabel-der-Welt-Schau zwischen Oslo und Trondheim beschäftigt war? Eben, gar nicht!
Das ist ziemlich schade, denn wenn man sich gut fünfundzwanzig Jahre später nochmal an "Poccolus" heran macht, dann lässt sich hierzu vortrefflich der Hut ziehen, mit grimmigem Gesichtsausdruck versteht sich. Der Scheibe hört man die Zeit der Entstehung Mitte der Neunziger absolut an, und das gilt in schwarzmetallischen Kreisen sicherlich kaum jemandem als Makel. Hier finden wir das, was heute kaum mehr eine Black-Metal-Produktion zu bieten hat: gnadenlos verzerrte, geradezu schreiende Gitarren, die kurz davor sind, die Ohren bluten zu lassen, ein blechernes, stoisches Schlagzeug und darüber der oft ringgeisterhaft kreischende Gesang aus den wunden Stimmbändern von Frontmann Ramūnas Peršonis, und all das in einem übersteuerten, gewollt rauschenden Klanggewand, dass es den Protagonisten eine wahre Wonne und Freude scheint, sich in der Suhle mit Glasscherben zu wälzen.
Der Opener 'Vilkolakiai' ist dabei noch recht melodisch, schnell, fugenhaft, säbeltanzartig, mit massigen, sphärischen Keyboards, wie sie dereinst der Kaiser nicht majestätischer einzusetzen pflegte, und 'Pakol Dega Laužai' setzt dem in Sachen Epik nochmal eins drauf. Doch keine Sorge, der Kitschfaktor bleibt hier minimal, denn dazu ist das Klangbild zu wild, zu ungestüm, zu harsch, denn auch wenn die eine oder andere Synth-Hookline auch bei DIMMU BORGIR anno 1995 eine gute Figur gemacht hätte, so ist POCCOLUS in jeder Hinsicht wahnhafter und ungezähmter als das Werk jener Kollegen, die den Black Metal ein paar Jahre später mainstreamfähig machten. Wenn es mal folkig wird, mit gezupften Gitarren, dann steht am ehesten das ULVER-Frühwerk Pate, doch immer auch BURZUM. Ramūnas beherrscht jedoch nicht nur die Nazgûlstimme, sondern auch tiefere Töne, selten einmal klare Töne zur kristallinem Glockenspiel, und immer wieder mantrisches Rezitativ.
Repräsentativ für die Band ist sicherlich ein Stück wie 'Ugnis kyla virš Ąžuolų', das simplistische 'Dunkelheit'-Mantren mit ambienten, neo-folkigen Zupfgitarren verbindet und im Mittelstück dann auch noch einen Hauch von MY DYING BRIDE-Doom ins Ouevre mit einfließen lässt. Doch am besten ist die Band, wenn die Fetzen fliegen und die Garstigkeit die Oberhand gewinnt, wie etwa bei 'Begeyte Peccolle', in dessen wilder Wut sich auch ein Attila Csihar sehr wohl fühlen dürfte. Ein weiteres perfektes Beispiel für diese so garstige wie exquisite Abartigkeit der Band ist auch das Stück 'Jie ateis...', welches das Fieseste aus MAYHEMs 'Deathcrush', dem BURZUM-Debüt und BATHORYs 'Equimanthorn' in sich vereint. Doch POCCOLUS kann nicht nur schmerzhaft, sondern auch atmosphärisch, ambient und keyboardschwanger, was etwa 'Rudens Miško šnabždesiai' ziemlich gut unter Beweis stellt, das sich irgendwo zwischen der ARCTURUS-EP, 'Hvis Lyset Tar Oss' und frühesten DIMMU BORGIR-Werken einpendelt, wobei die gesangliche Performanz doch am ehesten an den frühen Greifi Grishnackh gemahnt: hysterisch, entmenschlicht, verzweifelt, irrlichternd... wunderbar!
Des Grafen Stimme ist jedoch ganz offensichtlich nicht die einzige Inspirationsquelle des Fronters, sondern es kommt auch zu ganz anderen Eskapaden wie etwa dem wilden, dunkel-ekstatisch gesungenen Ritualsong 'Tai Bus Mano Triumfo Valanda', dem zum Abschluss des regulären Albums das folkig eingeleitete und dann wild über uns hereinbrechende 'Kirsk, Medeine, Kirsk' folgt, welches einiges vom Geist der frühen Werke von ENSLAVED und SATYRICON atmet, ja, ein gutes Stück weit auch von HELHEIM zu Zeiten von "Jormungand" und "Av Norrøn Ætt". Als Bonus gibt es, und gab es auch schon in den Neunzigern, noch zwei kurze Ambient-Stücke, deren ersteres mit dem Titel 'Dvasklajys' nach mantrischem Ritualgesang vor einem verzerrten Didgeridoo klingt und deren unbetiteltes Letzteres dem Album in klassischer 'Han Som Reiste'-Manier den Stecker zieht.
All jene, die es für eine der negativsten Erscheinungen des Black Metals überhaupt halten, dass die Neunziger zu Ende sind, und die fieberhaft nach Obskuritäten suchen, die ihnen dabei helfen, sich in diese Zeit zurück zu träumen, sind bei POCCOLUS und dieser vergessenen schwarzmetallischen Perle aus dem Litauen des Jahres 1996 ganz hervorragend aufgehoben.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle