POSTVORTA - Porrima
Mehr über Postvorta
- Genre:
- Doom / Post Metal
- Label:
- Sludgelord Records
- Release:
- 20.02.2020
- Epithelium Copia
- Vasa Praevia Dispassion
- Decidua Trauma Catharsis
- March Dysthymia
- Aldehyde Framework
Alles eine Frage der Zeit.
Ich habe mich nach reiflicher Überlegung dagegen entschieden, "Porrima" zu benoten. Dafür bräuchte ich vermutlich ganze Tage, an denen ich mich nichts anderem widmen würde als dem ausladenden Fünftracker von POSTVORTA. Die italienische Formation nennt ihren Stil selbst Cinematic Doom, was bedeutet, dass sie sich für ihr neues Album tatsächlich anderthalb Stunden - also Spielfilmlänge - Zeit nimmt, um es der Hörerschaft vorzutragen, zu erzählen. Daher ist Zeit der alles entscheidende Faktor bei der Frage, ob man sich auf dieses episch ausladende Werk überhaupt einlassen kann.
Die sechs Südeuropäer sind gewissenhafte, bedächtige Geschichtenerzähler und pfeifen auf den schnellen Euro. Ihre musikalische Vision ist eine andere. Wenn bereits 'Epithelium Copia' als Opener zunächst über drei Minuten lang nur ganz leise Hintergrundgeräusche vorträgt, ist klar, dass "Porrima" keine dramatischen Spannungsaufbauten à la CULT OF LUNA beinhaltet. Dramatisch wird es an einigen Stellen zwar durchaus, aber bis dahin vergeht gefühlt so viel Zeit, wie sich J.R.R. Tolkien für seine "Gefährten"-Einführung nimmt. Wenn dann irgendwann gequältes, Windsteinsches Gebrüll und die mammuthaft verschleppte Instrumentalfraktion einsetzen, finden wir zwar endlich Anhaltspunkte, doch ehe sich ein klares Ziel herauskristallisiert, ist noch viel Geduld vonnöten. Die rauen Gitarrenwände ebben irgendwann wieder ab, ambientartige Soundscapes erobern die Szenerie zurück und machen die harschen Zwischentöne wieder vergessen. Irgendwann, in ferner Zukunft, bricht urplötzlich wieder ein Sturm los, der sich gewaschen hat. Mir kommt der Gedanke, "Porrima" könnte als unkonventionelle musikalische Begleitung für eine Naturdokumentation entstanden sein: das raue Leben in der Wildnis, die gelegentlich aufblitzenden Attacken eines Raubtieres, dazwischen aber der völlige Verlust jeglichen Zeitgefühls, während die Gezeiten ihren ewiggleichen Verlauf nehmen.
'Vasa Praevia Dispassion', mit über 20 Minuten Spieldauer länger als so manche EP, ist auf "Porrima" der einzige Song, aus dem ich wirklich eine Art Entwicklung heraushöre. Ganz, ganz am Ende wird es sogar ziemlich emotional; der ausgedehnte Wutausbruch zu Beginn und der lange, doomige Folgeteil ziehen noch eher kalt an mir vorbei. So fehlt mir auf dem ganzen Album das innerlich fesselnde Element, das beispielsweise bei DIRGE stets vorhanden war, selbst wenn die Franzosen auch gefühlte Endlosigkeiten lang das immer gleiche Thema vortrugen. Auch an HUNDRED YEAR OLD MAN erinnert mich POSTVORTA, wobei die Briten ihre Ideen doch deutlich komprimierter auf Platte bannen.
"Porrima" ist episch ausladender Doom im Post-Metal-Setting, ein Album mit Spielfilmlänge, höchst akkurat komponiert, ohne ein immenses Maß an Geduld jedoch kaum konsumierbar. Wer die Zeit aufbringen kann und will, dürfte mit diesen Italienern die willkommenen Begleiter für einen langen Aufenthalt in einer abgelegenen Winterhütte gefunden haben, für eine endlose Atlantiküberfahrt, oder eben ein unkonventionelles Filmprojekt, bei dem der Zeitbegriff des modernen Menschen völlig ad absurdum geführt wird.
- Redakteur:
- Timon Krause