PROGHMA-C - Bar-do Travel
Mehr über Proghma-C
- Genre:
- Nu Prog / Post-Hardcore / Post-Industrial Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Mystic Production
- Release:
- 25.01.2010
- Kana
- FO
- Spiralling To Another
- Spitted Out
- Spitted Out [Out]
- So Be-live
- I Can't Illuminate With You
- Naan
- Army Of Me [Björk Cover]
Nu Prog, oder: Von Vieren, die auszogen, die Progressivität (neu) zu (er-)finden.<br />
Nanu! Das, was dem Rezensenten da zum Einstieg um die Ohren taktet, klingt ja fast wie INCUBUS zu 'The Warmth'-Zeiten, bloß mit bodenständigeren Licks; zwischendurch, sehr geschickt eingepasst übrigens, mit einem bluesig-jazzig-progressiv-rockigen Gitarrensolo versehen, um etwas später nach einem spacig-ambienten Zwischenspiel in eine kurze corige Eruption zu münden. 'Kana' ist wirklich eine interessante musikalische Eingangspassage in ein Album, das die Erwartungshaltung gekonnt in der Schwebe bzw. flüssig hält, oder irgendwo dazwischen. Denn dieser Effekt bleibt bestehen. Es folgt mit 'FO' nämlich ein Stück, das bei aller elektrifizierten Kraft dahinter so etwas von ambient ist, wie man es von einer Rockband nie und nimmer erwartet hätte, so rein und simpel und dabei entrückt wie es in dieser Verbindung sonst nur Elektronicacts hinbekommen, gleichzeitig klar strukturiert und doch zu entspanntem Träumen einladend. Dennoch passiert hier einiges und ist auch eine (post-)metallisch-rockige Grundhärte gegeben.
Wie ein roter Faden zieht sich diese weit offene Spacigkeit, diese Entrückung hintergründig selbst noch durch 'Spiralling To Another' weiter, ein sonst eher beunruhigendes, nervöses Stück im nu-metallischen Spannungsfeld zwischen stimmungsvollem Post-Core und stoischer Industrial-Akkordarbeit; nu-metallisch deswegen, weil hier ganz klar auf die Remixästhetik mit ihren Variationen wiederkehrender Kleinstschleifen zugegriffen wird, welche aneinandergereiht bzw. übereinandergelegt erst das Ganze ergeben; weil ein Sprechgesangstil eingesetzt wird, der weder den althergebrachten Hardcoreshouts, noch dem traditionellen Rap, geschweige denn dem klassischen Rockgesang klar zuzuordnen ist, sondern ambivalent bleibt, mal in die eine, mal in die andere Richtung tendiert; und weil sich dennoch eine präzise Härte durch den erweiterten Klangraum zieht, an die ohne Metaleinfluss nicht zu denken wäre.
Was den spezifischen Sound von "Bar-do Travel" aber erst ausmacht, das ist diese fast schon krautrockige Entspanntheit, mit der das alles fließt und auch schon mal stromschnellenartig springt, ganz so als hätten die Musiker von PROGHMA-C die Attitüde, den Flair oder Spirit der guten alten CAN in diesen neumetallisch-postcorig-postindustriellen Technikkörper verpflanzt, auf dass die präzise getaktete Maschine zwischen 0 und 1 das Träumen von elektrischen Schmetterlingen aufnehme und sich unter dem Einfluss des LSD-Wurms ein autopoetisches Seelenprogramm abspiele, das den Nu Metal als solchen schon längst transzendiert hat. Buffer shutdown, stack overflow, jump on through to the other side.
Soweit der Output bis inklusive 'Spitted Out' und 'Spitted Out [Out]', wo es zwischenzeitlich fast schon VOIVODig wird. Da wir mittlerweile ohnehin endgültig im Prog-Territorium angekommen sind, verblüfft PROGHMA-C uns nun ein weiteres Mal mit fast komplett organisch klingendem Klang 'So Be-live', einem Stück, das geradezu hippiesk beginnt, um dann doch noch modern zu werden, dabei aber wieder durchgängig herrlich abgespaced bleibt während seiner Wandlung von warmem '60er/'70er-Klang durch trippige OZRIC TENTACLES-meet-PORCUPINE TREE-meet-RIVERSIDE-Sounds bis hin zu weitschweifig-ISIS-artigem Postcore. Albumtypisch dient das wiederum ambient gehaltene und nahtlos in 'Naan' übergehende 'I Can't Illuminate With You' als flüssiges Zwischenspiel und Bindeglied zu dem erstgenannten Stück, welches mich von der transportierten Stimmung her an OPETH auf einer Überdosis Valium oder auch an PORCUPINE TREE mit ausgeknipstem Ich und Über-Ich, dafür aber stärker instinktgeleitetem Gefühl denken lässt.
Das immer vagere und ungeschicktere Jonglieren eines tapsig architekturtanzenden Schreiberlings mit großen Namen kann aber kaum darüber hinwegtäuschen, dass die zu besprechende Band längst ihre eigene Frontier in noch unbekanntes Gelände eröffnet hat und dort ein Gebiet durchpirscht, das zu karthographieren den ihr Nachreisenden überfordert, selbst wenn - oder gerade weil - er darin eine ungekannte Schönheit bewundert, zu deren Beschreibung ihm die Begrifflichkeiten fehlen. Doch PROGHMA-C zeigt sich gnädig und lässt "Bar-do Travel" mit dem wohlbekannten BJÖRK-Stück 'Army Of Me' ausklingen, das hier gerade darum so angenehm unspektakulär klingt, weil die Band es so vereinnahmend spielt, als hätte sie es selbst geschrieben. This is how the nu prog was won.
(Die Legende will es, so berichtet zumindest das Promoblatt, dass PROGHMA-C auf ihrer Entdeckerreise von Gdansk über Olsztyn (mit Szymon Czech im Maschinenraum von Studio X) nach ganz weit draußen bereits auf derart unterschiedliche, musikhistorisch verbürgte Gestalten wie BLINDEAD, MESHUGGAH, CYNIC, VOIVOD, ANATHEMA, THE OCEAN, APOCALYPTICA und FRONTSIDE traf, und dass PROGHMA-C bei den aus solchen Begegnungen resultierenden Bühnenduellen jedesmal Achtungserfolge beim Publikum erzielte. Sollte davon auch nur die Hälfte wahr sein, so wäre auch dies beachtlich. "Bar-do Travel" rückt diese Möglichkeit sogar ins Licht der Wahrscheinlichkeit.)
Anspieltipps: Spiralling To Another, Naan, Army Of Me [Björk Cover]
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Eike Schmitz