RAVEN - Metal City
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2020
Mehr über Raven
- Genre:
- Heavy Metal / Speed Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Steamhammer / SPV
- Release:
- 18.09.2020
- The Power
- Top Of The Mountain
- Human Race
- Metal City
- Battlescarred
- Cybertron
- Motorheadin'
- Not So Easy
- Break
- When Worlds Collide
Stimmiger, brachialer und frischer kann eine altgediente, traditionsbewusste Band gar nicht klingen.
Wenn es in den Annalen der NWoBHM einen Bandnamen gibt, der für Konstanz und Beharrlichkeit steht wie kein zweiter, dann ist das sicherlich RAVEN. Die von den Gallagher-Brüdern bereits 1974 in Newcastle Upon Tyne gegründete und seit 1987 in New York ansässige Truppe hat die Szene nachhaltig geprägt und mit ihrem schnellen, harten, hektischen, rifforientierten, exaltierten und doch rockigen Heavy Metal nicht zuletzt auch diverse Thrash-Legenden stark beeinflusst. Dabei blieb das Trio seinem Stil immer treu und auch von Besetzungswechseln weitgehend verschont, denn lediglich 1987 wechselte der Platz am Drumhocker von Rob Hunter an Joe Hasselvander.
Als der PENTAGRAM-Veteran aus Washington D.C. dann allerdings vor ein paar Jahren aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr für RAVEN zur Verfügung stand, angelten sich Mark und John Gallagher einen "Jungspund" für die Batterie: Mike Heller ist 38 Jahre alt, und damit über zwei Dekaden jünger als die Bandgründer, beeindruckte die Fans bereits bei seinen ersten Liveauftritten, die auch auf CD dokumentiert wurden, und nun hat er mit den Aufnahmen zum vierzehnten Album "Metal City" auch seine Feuertaufe im Studio erlebt, deren Ergebnis sich perfekt damit umschreiben lässt, dass die Band aus der Not des Besetzungswechsels eine Tugend hat werden lassen, denn ohne das Wirken des großartigen Joe Hasselvander auch nur ein Iota schmälern zu wollen, hat Mike Heller den Rabenbrüdern ganz offensichtlich einen energischen Arschtritt erster Ordnung verpasst.
War schon das Vorgängeralbum "ExtermiNation" ein bärenstarkes Werk mit ordentlich Druck auf dem Kessel, da ist "Metal City" ohne jede Übertreibung ein echtes Energiemonster. Die drei Musiker haben da zusammen mit Studioguru Michael Wagener im Wireworld Studio in Nashville/Tennessee, und natürlich mit Mischer Zeuss, eine Produktion abgeliefert, die für den traditionellen Metal der Neuzeit absolute Maßstäbe setzt, und das ist nun wahrlich kein Scherz. Sämtliche Klippen der modernen Produktionstechnik wurden bei dieser Arbeit nämlich meisterlich umschifft, und so driftet das Album eben nicht in den Ozean der zahllosen sterilen Ballerproduktionen mit totem Drumsound ab, und es zerschellt auch nicht an dem Felsen des dynamikfreien Loudness Wars. Dennoch hat "Metal City" eine gewaltige Transparenz, einen gnadenlos harten Punch und eine Voluminosität besonderer Güte.
Damit kommen wir schließlich zum Songmaterial, und da begegnen uns keine allzu großen Überraschungen, denn RAVEN klingt eben auch anno 2020 zu hundert Prozent nach RAVEN, aber nach einer frischen, hungrigen und bissigen Variante des schwarzen Federviehs, die sich auch kompositorisch sehr inspiriert zeigt. "Metal City" hat eine Spielzeit von knapp vierzig Minuten, und darauf verteilen sich insgesamt zehn Songs, welche die meisten Facetten des klassischen RAVEN-Oeuvres perfekt widerspiegeln. So ist der Opener 'The Power' in den Versen und Bridges direkt ein toller, melodischer Speed-Metal-Banger, der mächtig in den Nacken geht, und sich über ein hinterhältiges Break in den fies groovenden Refrain wuchtet. Da wackelt gleich zum Auftakt die Hütte, und bei 'Top Of The Mountain' regiert dann der unverkennbare, hektische Athletic Rock'n'Roll, der seit jeher Markenzeichen der Truppe ist.
'Human Race' ist ob der hackenden Brachialität des Stückes nimmer weit vom Thrash Metal entfernt, wenn auch die Hooks von John Gallagher natürlich urtypisch RAVEN sind, und das Titelstück - eine Hommage an die alte Heimatstadt Newcastle - präsentiert sich als geschmeidiger Grooverocker, der sowohl das dezent alternativ angehauchte "Glow"-Album als auch die eingängige Hitlastigkeit der "Stay Hard" aufzugreifen scheint, jedoch mit einer Heaviness, die sich gewaschen hat. Wo 'Battlescarred' das Gaspedal zwar hier und da ordentlich durchdrückt ansonsten aber eher einige alte, hymnenhafte "All For One"-Motive in kreativer Weise neu aufgreift, da ist 'Cybertron' durch und durch richtig heavy, wird aber John Gallagher durch ein paar krude 70s-Style Gesangsmomente verdammt cool aufgepeppt.
Ihr seht, "Metal City" ist ein kompositorisch wahnsinnig abwechslungsreiches Album, bei dem die Raben einen ähnlichen Weg gehen, den auch Lemmy mit MOTÖRHEAD in der Spätphase gegangen ist. Es werden auf gekonnte Weise die unterschiedlichen Stilelemente, für welche die Band steht, neu verwoben und so entstehen zwar durchwegs unverkennbare RAVEN-Trademark-Songs, doch das Album ist in sich trotzdem unglaublich variantenreich und von brillanten Soloeinlagen und Fills aller drei Musiker durchzogen, die sich jedoch nie zu sehr in den Vordergrund drängen, sondern immer kurz und songdienlich Glanzpunkte setzen. Dass MOTÖRHEAD auch darüber hinaus ein großer Einfluss des Trios ist, wird mit dem Lemmy gewidmeten 'Motorheadin'' ganz offen bekannt, und damit sind wir dann auch schon mitten im letzten Drittel der Scheibe: 'Not So Easy' ist harter, dynamischer, lebendiger Rock'n'Roll in Reinkultur, der vor instrumentalen Finessen aller drei Protagonisten nur so sprudelt, mit 'Break' folgt das härteste Riffmonster des Albums, und mit dem etwas spacigen und dabei so hymnischen wie groovenden 'When Worlds Collide' schließt die Rabenbande ein großes Kapitel ihrer über 45-jährigen Bandgeschichte perfekt ab.
Dass sich die Herrschaften bei der Produktion dieses Albums wie neu geborene Superhelden gefühlt haben, das hört man überdeutlich zu jeder Sekunde, und daher ist es auch eine so treffende wie witzige Sache, dass das Booklet in eben diesem Stil sehr gelungen als Comic-Heft gestaltet wurde, in dem die Musiker mit ihren Instrumenten gegen allerlei Gefahren und Bosheiten anzutreten haben. Diese augenzwinkernde, schelmische Selbstdarstellung passt perfekt zu einem Wunderwerk wie "Metal City", denn stimmiger, brachialer und frischer kann eine altgediente, traditionsbewusste Band gar nicht klingen.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle