RAW ENSEMBLE - Suffer Well
Auch im Soundcheck: Soundcheck 01/2017
Mehr über Raw Ensemble
- Genre:
- Thrash Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Eigenpressung / Eigenvertrieb
- Release:
- 07.09.2016
- Enemy
- Bad Religion
- 5th Dimension
- Apocalypse
- Beneath The Ashes
- Bleeding Out
- Weakness And Fear
- Neither Nor
- Outlaw Killers
Durchschlagskräftiges, zupackendes Thrash-Metal-Brett aus der freien Reichsstadt Ulm.
Wenn eine doch recht frische Thrash-Metal-Band einen Klassiker von Hieronymus Bosch aufs Cover packt, die CD selbst mit dem durch das eigene Logo verzierte Wappen der freien Reichsstadt Ulm schmückt und für das eigene Werkeln noch dazu die Privatschublade "Ulm School Thrash Metal" öffnet, dann ist sie entweder von ihrem Schaffen sehr überzeugt, oder sie sieht das Ganze mit dem nötigen Augenzwinkern. Sowohl die Albentitel der bisherigen Releases als auch das eine oder andere Gimmick auf den Scheiben selbst ('Back In Black'-Outro bei 'Weakness And Fear') lassen auf das Augenzwinkern schließen, doch das schließt ja keineswegs aus, dass die Band auch von ihrer Mucke überzeugt ist, denn das kann und darf sie auch sein. "Suffer Well" ist nämlich ein sehr gelungener Befreiungsschlag für eine Band, die einige Zeit im Strudel der Besetzungswechsel gefangen schien.
Seit vor gut vier Jahren die Debüt-EP "Jesus Is Back... And He Is Fucking Angry" unter die Leute gebracht wurde, hat sich bei RAW ENSEMBLE in der Tat einiges getan: Sänger Chris (ex-HEADLESS BEAST), der mit seinem heißeren Organ der zudem recht roh und traditionell gemischten EP einen gewissen Zetro-80er-EXODUS-Touch verlieh, ging als erstes von Bord, und auch sonst sind vom seinerzeitigen Line-up heute nur noch Gitarrist Dennis und Drummer Uffe an Bord. Verstärkt hat sich das verbliebene Duo indes mit Basser Mad (ex-R.U.DEAD!?, ex-ONE PAST ZERO) und Sänger Brecko, die beide eine sehr gute Leistung abliefern. Außerdem ist auf dem ersten vollständigen Studioalbum "Suffer Well" noch der zeitweilige zweite Gitarrist Fabian zu hören, der die Band nach den Aufnahmen verließ.
Heben die ganzen Wechsel nun größere Auswirkungen auf den Sound der Band? Nicht unbedingt riesig große, denn Denis' Riffing ist nach wie vor ganz tief im klassischen Thrash Metal mit sowohl Bay-Area-Schlagseite als auch derberen teutonischen Einflüssen verwurzelt, und auf dieser Basis baut die Truppe wiederum griffige, zielstrebig komponierte, knackige Thrash-Abrissbirnen mit prägnanten Refrains, die meist in hohem Tempo loshacken, wie etwa der bärenstarke Opener 'Enemy' aber an den richtigen Stellen auch immer wieder etwas zäheren Groove und passende Moshparts bereit halten. So paart etwa das folgende 'Bad Religion' SLAYER-lastige Leadmelodien nach Art von "South Of Heaven" mit brachialen, alles zermalmenden Passagen nach Art von HOLY MOSES zu "Reborn Dogs"-Zeiten und einem leicht coreigen Groove im Refrain.
Darüber hinaus hebt sich die neue Scheibe auch insofern ein Stückchen weit vom Vorgänger ab, dass zum einen die Stimme des neuen Sängers Brecko deutlich derber ist und zudem auch voluminöser abgemischt wurde, als dies mit Chris auf der EP der Fall war, und dass zum anderen die allgemein etwas fettere, druckvollere Produktion dafür sorgt, dass hier keinesfalls mehr von Retro-Thrash die Rede sein kann. Damit sind natürlich die Ähnlichkeiten zu frühen EXODUS weitaus geringer als noch auf der EP und auch sonst klingt das Album weitaus mehr nach drittem Jahrtausend als nach den Achtzigern. Der eine oder andere Hörer mag hier und da durchaus nicht ohne Grund einen gewissen Hang hin zum Death- und Black-Metal-Einflüssen wahrnehmen, die allerdings zu jeder Zeit klar hinter dem Thrash-Schwerpunkt zurückstehen.
Der erste, oberflächliche Eindruck mag RAW ENSEMBLE als eher abwechslungsarm erscheinen lassen, doch der Schein trügt, denn bei einem Stück wie 'Apocalypse' ziehen die Jungs wirklich so einige Register und überraschen mit einem spannenden, melodischen und verspielten Intro, etlichen packenden Breaks, sowohl rhythmisch als auch in Sachen Beckeneinsatz facettenreichem Schlagzeugspiel und einigen starken Bassparts. Letztere gibt es auch beim kolossalen Speedster 'Bleeding Out'; hier darf dann auch der Frickelfreund mal ein bisschen aufhorchen, während an anderer Stelle eher wieder derbere Instinkte angesprochen werden und auch der Death-Metaller und der Schwarzwurzler auf seine Kosten kommt, wie etwa beim sehr starken 'Neither Nor', das einige irrsinnig düstere Slow-Mo-Parts in ansonsten infernalische Raserei einbaut und Brecko geifernder und fieser agieren lässt als eh schon üblich.
Was hat es nach alledem also mit der omninösen "Ulm School" der Dreschflegelei auf sich? Nun, auch wenn es mich für die Band und meine heimatliche Region riesig freuen würde, so hab ich doch gewisse Zweifel daran, dass wir hier Zeuge einer stilistischen Supernova sind und der beschauliche Donau-Iller-Winkel die neue Bay Area des Thrash Metals wird, denn RAW ENSEMBLE ist dann doch weder so immens eigenständig noch so urig lokaltypisch, dass man hierfür eine neue Schublade öffnen müsste. Dennoch, auch wenn Ulm nicht ganz so brummt wie seinerzeit die Bay Area, ein netter Aufhänger ist die Genrebezeichnung doch. Und vor allem ist "Suffer Well" eben eine richtig feine Scheibe geworden, die sich hinter dem aktuellen Schaffen weitaus größerer Namen der Szene keineswegs verstecken muss. Nicht revolutionär, aber halt auch ganz sicher nicht abgekupfert, und auf jeden Fall immer zupackend. Wer also den einheimischen Thrash-Untergrund unterstützen möchte, obwohl ihm der Sinn weder nach Postmoderne noch nach 80er-Revival steht, der liegt bei RAW ENSEMBLE goldrichtig. Die schmucke Scheibe gibt es zu fairem Kurs direkt bei der Band zu bestellen.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle