RIEFENSTAHL - Seelenschmerz
Mehr über Riefenstahl
- Genre:
- Hard Rock
- Label:
- dsp / Loy World
- Release:
- 30.08.2004
- Ist es?
- Seelenschmerz
- Eiszeit
- Fremdes Land
- Was wäre wenn
- Nichts
- Dunkle Zeit
- 1001 Nacht
- Ich will dich nicht mehr
- Erhöre meine Worte
- So wie ich
Im August 2004 veröffentlichten RIEFENSTAHL ihr Debüt "Seelenschmerz", und um gleich zu Anfang die Fronten zu klären: Ich kann mich der polarisierten Meinung eines Kollegen, hervorgehend aus einer scheinbar sehr unvorteilhaften Live-Präsenz der Band, nicht anschließen. Ja, der Name RIEFENSTAHL ist schon mal in höchstem Maße provokant. Es macht sich einfach nicht gut, sich als deutsche Band so zu benennen, wenn man nicht den Rest seines musikalischen Werdegangs in Interviews immer wieder erklären möchte, ob und wenn ja, in welche Richtung man politisch orientiert ist. Zur Info: Leni Riefenstahl war die Regisseurin vieler populärer Propaganda-Filme des Nationalsozialismus.
Dabei sollte doch die Musik die Hauptrolle spielen.
Hier wird der Hörer, wenn er es nicht schon von irgendwoher weiß, überrascht auf ausschließlich deutsches Liedgut, pardon, deutsche Texte stoßen. Man gibt sich mystisch, hüllt sich in lyrische Inhalte, die möglichst geheimnisvoll klingen sollen. Zwangsweise empfindet man die Tatsache, dass sich der Inhalt der Texte nicht ansatzweise mit braunem Gedankengut beschäftigt, sondern vielmehr mit Gefühlswelten, Glaube und Sozialkritik, als Pluspunkt. Im durchaus liebevoll düster gestalteten Booklet klingt das dann auf den ersten Blick auch durchaus unpeinlich. Erstmals wirklich skeptisch schaut man, wenn man die Stimme von Front-"Schabe" Jens Esch vernimmt. Die klingt ganz und gar nicht nach hoher Kunst, geschweige denn nach der angestrebten Mystik. Dennoch, und auch trotz der zugegebenermaßen einfach gestrickten Gitarren-Riffs, geht das Eröffnungsstück 'Ist es?' recht gut ins Ohr. Man steigt ein mit einem ordentlichen Schuss religiöser Symbolik und apokalyptischen Visionen. Allerdings lotet die Band die Richterskala von "durchaus vielversprechend" bis "total lächerlich" gleichermaßen aus. Unausgegoren nennt man so etwas, wobei das Titellied 'Seelenschmerz' eindeutig noch zu einem der besseren Songs des Albums gehört. Danach leistet man sich jedoch den Totalausfall 'Eiszeit'. Scheinbar darf heutzutage jeder alles covern. Dieses Stück ist nicht mehr als ein überflüssiger, peinlicher Seitensprung ins Revier der "Alpha"-Männchen SUCH A SURGE sowie eine völlige Entgleisung aus der eigenen Schiene, die man doch gerade erst gelegt hat.
Wie man aber die Kohlen aus dem Feuer zieht, zeigen RIEFENSTAHL mit dem absolut gelungenen 'Fremdes Land'. Wobei man hier erstmals verschwommen die Skyline der BÖHSEn ONKELZ wahrnimmt. Der mittelalterliche Unterton schiebt das Lied jedoch in eine sichere, eigenständige Ecke.
Fortan wechseln sich Hochs und Tiefs fleißig ab. Zwar ist die Art, wie man in 'Was wäre wenn' über Kindesmissbrauch spricht, mal irgendwie anders, jedoch dadurch nicht besser als bei anderen Bands. Insbesondere eine Nachrichtensprecher-Einspielung, wie sie seit jeher ja allgemein gern genommen werden, hat man schon tausendundeinmal besser gehört! Apropos: Wirklich herausragend ist letztlich noch '1001 Nacht', wobei die Parallelen zur Frankfurter Fraktion hier doch offensichtlich werden.
Bleibt festzuhalten: RIEFENSTAHL machen teilweise peinliche Texte, aber die machen SUCH A SURGE auch. Sie haben einen maximal durchschnittlichen Sänger, oder sagen wir versöhnend: einen Sänger, der momentan durchschnittlich singt, und mit seinem essenziellen Beitrag zur Musik seiner Band zu wenig Zauber beschert. Außerdem könnte der instrumentale Bereich der Band dringend ein paar Tempowechsel vertragen, statt nur zwischen den Liedern von langsam auf noch langsamer zu wechseln. An nicht wenigen Stellen des Albums wartet man vergeblich auf den Knackpunkt, wo man mit einem Quäntchen mehr Härte und Hochschalten in den Dritten einiges mehr an Eindruck hätte schinden können. Schließlich sucht man auf diesem Debüt nach der "Neuen deutschen Härte", mit der die Band häufig zu unrecht in Verbindung gebracht wird, vergeblich.
Auf der anderen Seite gelingen immer wieder durchaus kleine überraschende Textstellen und permanent gute Melodien. Allein der Mut, Musik zu machen, die man nicht gleich von der nächsten Ecke kennt, und zu der man nicht spontan fünf ähnliche Bands nennen könnte, verdient schon mal Anerkennung. Eben unausgegoren, aber es gibt musikalisch keinen Grund, diese Band zu verteufeln oder totzuschweigen. "Seelenschmerz" ist ein durchwachsenes, aber hoffnungschürendes Album. Es gibt genug Kanten, die ein wenig bearbeitet werden müssten, und schneller als man denkt, wäre die Band seriöser und vielschichtiger. Einzig für den idiotischen Bandnamen haben sie einen Arschtritt verdient!
Anspieltipps: Fremdes Land, 1001 Nacht
- Redakteur:
- Michael Langlotz