RING OF FIRE - Lapse Of Reality
Mehr über Ring Of Fire
- Genre:
- Symphonic Hard Rock
- Label:
- Frontiers
- Release:
- 20.09.2004
- Lapse Of Reality
- Saint Fire
- Change
- That Kind Of Man
- You Were There
- Perfect World
- Machine
- The Key
- Don`t Know (What You`re Talking About)
- One Little Mystery
- Darkfall
- Faithfully
- Lapse Of Reality (Long Version)
Die "heilige Dreieinigkeit", auf deren Stützen die Band RING OF FIRE ruht, besteht aus Mark Boals, Tony McAlpine und Virgil Donati, welche für das gesamte Songmaterial verantwortlich zeichnen. Mark Boals sang das meiner Ansicht nach bislang beste MALMSTEEN-Album "Alchemy" ein – der absolute Überhammertrack 'Michelangelo' von dieser Scheibe läuft bei mir immer noch rauf und runter. Interessanterweise war er dann auch auf der schlechtesten MALMSTEEN-Veröffentlichung "War To End All Wars" zu hören, die nicht etwa wegen verkorkster Songs, sondern schlicht aufgrund der üblen Produktion auf dem Schrotthaufen der Musikgeschichte landete. Da Malmsteen zwar ein genialer Gitarrenspieler ist, aber leider ein ziemlich unverträglicher Charakter, halten es die meisten Musiker nicht lange beim ihm aus und so ging auch Mark Boals noch vor der damaligen "War"-Tour. Mit Tony McAlpine hatte er schon auf einem Soloalbum zusammengeabeitet. Der Guitar-Hero sollte von seinen unterschiedlichen Veröffentlichungen im Bereich des melodischen und progressiven Metals her bekannt sein. Von seiner instrumentalen Prog-Fusion-Metal-Kapelle PLANET X kam dann noch Drummer Virgil Donati, der ebenfalls auf dem erwähnten Soloscheibchen zu hören war. Während McAlpine seit dem zweiten RING-OF-FIRE -Album mit von der Partie ist, spielten Donati und auch STEVE-VAI-Bassist Philip Bynoe von Anfang an in der Band. Der ukrainische Keyboarder Vitali Kuprij (ARTENSION) musste auf der neue Scheibe durch Steve Weingart ersetzt werden, welcher eine klassische Ausbildung genoss und aus der Gegend von L. A. kommt, das nun den Hauptstandort der "Herren des Feuerringes" darstellt.
Die Bandgeschichte zeigt, dass wir es hier mit lauter hochklassigen Musikern zu tun haben, die Großtaten erwarten lassen. Insgesamt gesehen kann "Lapse Of Reality" diesen Erwartungen entsprechen, wenn es auch kein völliger Überflieger geworden ist. Trotzdem kommt es als ein feines Schmankerl mit eigener Note für jeden Freund melodisch-symphonischen Hardrocks und Metals. Die Songs lassen zwar viel Raum für neoklassizistische und progressive Parts, bleiben aber immer eingängig und orientieren sich weniger an MALMSTEEN, sondern vielmehr am Achtziger-Hardrock der DIO-Ära. Ganz deutlich sind diese Einflüsse beim zweiten und dritten Track, 'Saint Fire' und 'Change', zu hören – gerade bei 'Saint Fire' klingt Mark Boals sogar ein wenig wie Ronnie James Dio.
Im teils eigenwilligen Spiel der Rhythmusgitarren lassen sich deutliche Spuren aus dem PLANET-X-Sound heraushören, auch wenn das hier natürlich ganz andere Musik ist. Tony McAlpine bringt mit den trockenen, verhaltenen Riffs und ungewöhnliche Takten seine eigenen typischen Trademarks unverwechselbar in RING OF FIRE ein. Der Qualität der Musik kann das nur gut tun. Mark Boals ist ebenfalls in Hochform und veredelt jedes Stück mit seinem Goldkehlchen.
Die Songs bewegen sich durchweg auf einem guten Niveau, das jedoch selten wirklich überschritten wird. Eigentlich stimmt alles bei dieser Musik, aber irgendwie fehlt mir ein wenig der Song, der mich richtig leidenschaftlich zu Begeisterungsstürmen hinreißen könnte – obwohl 'Lapse Of Reality' und 'Faithfully' dem doch wieder recht nahe kommen. Manchmal könnte für meinen Geschmack etwas mehr Druck im Sound sein, aber gelegentlich ist es auch genau die richtige Dosis. Viele Melodiebögen, Soundfragmente und Rhythmusfolgen entfalten bei mir eine gewisse Dauerwirkung, was dazu beiträgt, dass mir diese Scheibe nach jedem Hören besser gefällt. Die Stücke fräsen sich langsam, aber unaufhörlich im Kopf fest und "Lapse Of Reality" wandert immer öfter in meinen CD-Player.
Klar – reinweg von der musikalischen Leistung her gibt es hier absolut nichts zu meckern. Schon die schönen atmosphärischen Harmonien und Gitarrenmelodien des Titelstücks und Openers zeigen, in welche Richtung die folgenden achtundsechzig Minuten gehen werden. Auch der ruhig gehaltene mehrstimmige Refrain weiß zu gefallen – genauso wie die ansprechende Rhythmik. Richtig schöne alte Hardrock-Rhythmen bringen auch die beiden an DIO angelehnten Tracks, wobei 'Saint Fire' eines der prägnantesten Stücke darstellt. 'Change' beginnt mit einem neoklassizistischen Riff, während die angenehme Gesangsmelodie wieder den kleinen "Drachentöter" heraufbeschwört.
Ebenfalls neoklassisch leiten die Musiker 'That Kind Of Man' ein, das im Weiteren aber etwas progressiver gehalten ist und von der McAlpine-typischen Spielweise bestimmt wird. Dabei bleiben die Gesangsmelodien aber dem getragenem Pathos verpflichtet. Die obligatorische Ballade ist 'You Were There' – mit Piano, Souleinsprengseln und Herzschmerz-Lyrics. Die Lyrics scheinen sich überhaupt etwas vom bisherigen Fantasy-Konzept der Band zu entfernen und eher mit Träumen und Visionen zu beschäftigen. Sehr episch im Ausdruck ist 'Perfect World'. Der hymnische Refrain und die Synthichöre malen eine helle mystische Atmosphäre, die von kleinen Soloeinlagen des Keyboarders und des Gitarristen spielerisch aufgelockert wird. Die Soloeinlagen stehen auf dieser Scheibe auch sonst im Dienst der Songs und erklingen meist nur für kurze Dauer. Ausufernde Solo-Orgien sucht man vergebens, was nun je nach Geschmack als Vor- oder Nachteil verstanden werden kann.
Eine interessante schräge Verschiebung der Rhythmik findet sich in dem progressivsten Track 'Machine'. Hier setzt die Band auch mal einen richtig heftigen Kontrast, indem ein ruhiges schwelgerisches Gitarrensolo über einem hektisch-schnellen Rhythmus erklingt. Eine dominierende symphonische Ausrichtung und progressive Elemente machen aus 'The Key' einen der spannendsten Tracks der Scheibe. Der Gesang orientiert sich an den aus der Klassik stammenden Harmonien. Das trockene Gegenbild dazu ist das nachfolgende 'Don`t Know (What You`re Talking About)', wie schon nach dem Anfangsriff klar sein sollte.
'One Little Mystery' tischt wieder allermelodischsten Hard Rock auf, der schnell in die Gehörgänge geht. Epische Breitwandgemälde zeichnet 'Darkfall', das die klassische Elemente in den Vordergrund stellt und im Mittelteil mit einem geilen Riff aufwarten kann. Das Beste haben sie sich jedoch für den Schluss aufgehoben. 'Faithfully' bringt alle Ingredenzien der Musik noch einmal zum Einsatz: soulige und klassizistische Gesangsharmonien ebenso wie instrumentale Leistungen, die eine Skala von eingängig bis abgefahren abdecken. Zudem ist 'Faithfully' schlicht ein gut geschriebender Song mit einem tollen Refrain. Als Bonustrack findet sich danach die um etwa eine Minute verlängerte "Long Version" des Titelstückes, die sich allerdings nicht allzusehr von der kürzeren Variante unterscheidet.
Ich frage mich ernsthaft, warum ich mich mit einem abschließenden Urteil zu dieser Scheibe so schwer tue. Vielleicht liegt es daran, dass "Lapse Of Reality" ein richtiger Hammer hätte werden können, aber irgendwo ein letzter Kick oder Schliff fehlt. Was das im Detail genau ist, kann ich kaum benennen. Möglicherweise jedoch schafft es diese Scheibe nach weiteren Durchläufen, einen Platz auf meiner Lieblingsliste einzunehmen ... Sei es wie es sei – wer auf symphonischen Melodic Metal und Hard Rock steht, sollte hier auf jeden Fall ein Ohr riskieren. Gute Songs und überragendes Handwerk können jedenfalls nie überflüssig sein.
Anspieltipps: Lapse Of Reality, Saint Fire, Perfect World, The Key, Darkfall, Faithfully
- Redakteur:
- Jörg Scholz