SALTATIO MORTIS - Finsterwacht
Mehr über Saltatio Mortis
- Genre:
- Mittelalter-Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Prometheus
- Release:
- 07.06.2024
- Finsterwacht
- Schwarzer Sand
- Vogelfrei
- Grimwulf (Interlude)
- Der Himmel muss warten
- Aurelia
- We Might Be Giants
- Feuer und Erz
- Genug getrunken
- Carry Me
- Oh treues Herz
Krachendes Mittelalter-Comeback mit Konzeptalbum.
Die Baumwipfel wiegen sich leise von links nach rechts im Wind. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages streicheln sie sanft. Doch über dem Rauschen der Bäume ist ein immer lauter werdender Donner zu vernehmen. Der Himmel verdunkelt sich. Blitze sind zu sehen. Ein Unwetter zieht auf. Und aus dem Wald erklingt ein unheimliches Flüstern. Auf den Wachtürmen der Festungen raunt man sich zu: "Nehmt Abschied Freunde, singt noch ein letztes Lied, Schild an Schild gemeinsam in die Nacht auf der Finsterwacht". Schon sind wir mitten drin in der Geschichte der "Finsterwacht" und somit sind wir mitten in dem Epos, den SALTATIO MORTIS auf der neuen Platte kreiert.
"Finsterwacht" ist dabei viel mehr als nur ein neues Studioalbum. Denn SALTATIO MORTIS legt ein Konzept vor, das Album, Rollenspiel und Roman umfasst. Alle drei Formate erzählen gemeinsam die Geschichte der Finsterwacht in Aventurien. Für das Rollenspiel hat die Band mit dem Pen & Paper DAS SCHWARZE AUGE sowie für den Roman mit den bekannten deutschen Fantasyautoren Bernhard Hennen und Torsten Weitze zusammengearbeitet. Für die Gruppe geht damit ein langersehnter Traum in Erfüllung, da sie zu diesen Welten und vor allem zu DAS SCHWARZE AUGE eine enge Beziehung besitzt. Neben diesen für das Gesamtprojekt wichtigen Kooperationen haben sich die Mittelalter-Rocker auch musikalisch prominente Gäste eingeladen. Hierzu gehören Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN), FAUN, Peyton Parrish, Tina Guo (HANS ZIMMER), KNASTERBART und Cristina Scabbia (LACUNA COIL) sowie das PRAGER SYMPHONIEORCHESTER.
Natürlich nährt ein derartiges umfassendes Konzept ein wenig die Hoffnung, dass SALTATIO MORTIS wieder etwas mehr back to the roots und in Richtung mittelalterlicher Einflüsse geht. Die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre verlief in eine deutlich modernere Richtung und die letzte Platte "Für immer frei" setzte dem mit ihren teilweise arg poppigen Einflüssen die Krone auf. Hinzu gesellten sich in letzter Zeit einige Features, beispielsweise mit FINCH oder MIA JULIA, die den ein oder anderen Fan skeptisch die Augenbrauen heben ließen. Von derartigen Experimenten ist auf "Finsterwacht" jedoch nichts mehr zu finden. Stattdessen dominieren Dudelsack, Schalmei, Drehleier und andere mittelalterliche Instrumente. Sie werden so stark wie schon lange nicht mehr in den Vordergrund gerückt.
Eine ordentliche Duftmarke setzt bereits der Titeltrack als Opener. Es ist eine fast zehnminütige Reise, in die alles gepackt wird, was das Album ausmacht. Es fällt schwer, den Song von seinem Spoken-Word-Beginn, über Chor und Orchester, den hymnischen Refrain bis hin zum akustischen Lagerfeuer-Mittelteil in Worten zu beschreiben. Aber an seinem Ende steht eindeutig Begeisterung. Anschließend folgt mit 'Schwarzer Sand', der nicht nur durch das Feature mit FAUN mit deutlichem Mittelaltertouch daherkommt, eine eher ruhigere Nummer. Durch die dezent im Hintegrund gehaltene Gitarre bekommt er allerdings mit der Zeit einen treibenden Drive. Anschließend gehen bei 'Vogelfrei' die Dudelsäcke in die Vollen. Allerdings nicht so, wie man es kennt. SALTATIO MORTIS setzt auf eine bretonische Form des Dudelsackspielens, bei der die einzelnen Dudelsäcke verschiedene Stimmen intonieren. Gemeinsam mit der Idee, dass der Song keinen Refrain besitzt, sorgt dies für eine unglaubliche Energie und Kraft. Es ist mit dem Titeltrack definitiv das Highlight der Platte.
Allerdings fällt es nicht gerade leicht, die Höhepunkte auf "Finsterwacht" zu bestimmen. Denn das Septett liefert Song für Song ab. Zu nennen sind definitiv 'Feuer und Erz', welches als ruhigerer Song mit dem PRAGER SYMPHONIEORCHESTER aufgenommen worden ist. Es ist ein anmutiger Track, der mit leichtem Pathos intoniert das Selbstbewusstsein von Zwergen ausdrückt und durch sein im Backgroundgesang befindliches regelmäßiges "Huh" wie beim Abbauen von Rohstoffen in Minen direkt in die Welt der Zwerge entführt. Als zukünftiger Livekracher dürfte sich dagegen 'Der Himmel muss warten' etablieren. Nur mit Akustikgitarre, Flöte und Tamburin ausgestattet, wird Sänger Alea zum Vorsänger, auf den geantwortet wird. Wer hier nicht gemeinsam mit der Band über Mittelaltermärkte laufen möchte, hat SALTATIO MORTIS wohl nie geliebt.
Wenn man auf dem Longplayer Schwachpunkte ausmachen möchte, sind es wohl am ehesten 'We Might Be Giants' und 'Carry Me'. Zum einen wirken die beiden englischsprachigen Lieder im Gesamtkonzept unpassend. Zum anderen sind sie klassiche Up-Tempo-Metal-Tracks mit Mittelaltereinfluss, wie man sie von SALTATIO MORTIS kennt, allerdings auch schon besser gehört hat.
SALTATIO MORTIS vereint auf "Finsterwacht" einfach alles, was die Band in ihrer mittlerweile 25-jährigen Geschichte ausgemacht hat. Fans aller Schaffensphasen werden beim Hören auf ihre Kosten kommen. Dazu trägt vor allem bei, dass die Anteile von mittelalterlichen Sounds dominieren. Dabei macht die Platte in keiner Sekunde den Eindruck, als wolle man zwanghaft versuchen alte Fans zurückzugewinnen. Vielmehr wirkt sie von vorne bis hinten authentisch. Es ist die Musik, auf die das Septett derzeit einfach Bock hat. Das wird vor allem durch das große Gesamtkonzept verdeutlicht. Etwas unglücklich ist, dass die CD nur gemeinsam mit Roman und Rollenspiel für über 60 € erhältlich ist. Wer nur die Musik hören möchte, kann auf kein eigenes physisches Format zugreifen. Es muss nach aktuellem Stand auf die Streamingdienste ausgewichen werden. Schade!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Dominik Feldmann