SCAR SYMMETRY - Holographic Universe
Mehr über Scar Symmetry
- Genre:
- Melodic Death Metal
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 20.06.2008
- Morphogenesis
- Timewave Zero
- Quantumleaper
- Artificial Sun Projection
- The Missing Coordinates
- Ghost Prototype I (Measurement Of Thought)
- Fear Catalyst
- Trapezoid
- Prism And Gate
- Holographic Universe
- The Three-Dimensional Shadow
- Ghost Prototype II (Deus Ex Machina)
SCAR SYMMETRY haben spätestens mit dem Zweitling "Pich Black Progress" so etwas wie ein eigenes Sub-Genre geschaffen, nämlich den Pop Death Metal. Glasklarer, absolut Boygroup-tauglicher Gesang traf dort auf typische Melodic-Death-Metal-Trademarks, und die Mischung passte, erstaunlicherweise. Zwar flutschten die Songs nicht immer so flüssig durch die Gehörgänge wie die beiden Überhits der Scheibe 'The Illusionist' oder 'Mind Machine', aber live bewies Front-Träller-Grunzer Christian Älvestam, dass er tatsächlich innerhalb von Sekundenbruchteilen in der Lage ist, von kuschelig auf böse umzuschalten, und glich damit so manche Holprigkeit im Songwriting aus.
Überwogen bisher noch die härteren Elemente, gibt es auf dem nun vorliegenden Drittling eine merkliche Stilkorrektur, die mich sehr positiv überrascht. Schlagzeuger Henrik Ohlsson hatte mir zwar einst im Interview verraten, dass die Schweden ihre Kompositionen nie im Voraus planen würden und sie sich durchaus mehr klaren Gesang vorstellen könnten, wenn es ein Song erforderte. Aber dass "Holographic Universerse" gleich so viel melodischer ausfällt, ist ein echter Knüller! Wem das bisherige Schaffen schon ein bisschen zu "cheesy" war, der sollte von "Holographic Universe" vermutlich die Finger lassen, denn die Extreme werden hier mehr ausgereizt als je zuvor. Man habe der cremigen Güte von "Symmetric In Design" und der pikanten Würze von "Pitch Black Progress" dieses Mal noch ganz viel Käse und Schweinefett hinzugefügt, heißt es kryptisch in der bandeigenen Selbstauskunft. Was vielleicht einfach bedeutet, dass die zwölf Tracks des Albums mal sanft, mal biestig und dabei sehr nahrhaft sind und runtergehen wie Öl.
Ganz ohne Ecken und Kanten präsentieren sich SCAR SYMMETRY anno 2008 ganz sicher nicht, aber die melodischen Elemente sind heute sehr viel besser integriert, bekommen mehr Raum. Die nahezu perfekte Symbiose aus allem, was die Formation bisher ausgemacht hat, findet sich beispielsweise im Opener 'Morphogenesis'. Die Gitarrenfront um Jonas Kjellgren und Per Nilsson glänzt immer noch durch harte Riffs und irres Gefrickel, die Rhythmus-Fraktion, bestehend aus Henrik Ohlsson und Kenneth Seil, zeigt weiterhin Biss, und doch - der Gesang ist um 200 Prozent spannender! Spätestens beim auf die anfänglichen Growls folgendenden hypermelodischen und hyperhymnischen Refrain packt mich die Platte und ich komme aus dem amüsierten Grinsen nicht mehr raus. Schubladendenken ist hier absolut fehl am Platz, mein tief in den 80ern verwurzeltes Pop-Herz bekommt genauso viel Nahrung wie meine im Erwachsenenalter gereifte Metallerseele. Böse und Lieb tanzen ein Duett, das seinesgleichen sucht.
Der gesangliche Schwerpunkt verschiebt sich innerhalb der knapp 60 Minuten Spielzeit hier und da ein wenig. 'Timewave Zero' ist ganz anschmiegsam, will heißen von Alvestams Goldkehlchen geprägt, und dabei im positiven Sinne ein klein wenig kitschig. Doch Vorsicht: Diese Miezekatze fährt zwischendurch auch mal die Krallen aus und beißt wild um sich! 'Quantumleaper' ist der ungestüme, heiser keifende Wildfang, der eigentlich nur spielen will - eine Art Überbleibsel aus der "Pitch Black Progress"-Phase, könnte man denken. Das sich vom Härtegrad her irgendwo dazwischen ansiedelnde 'Artificial Sun Projection' überrascht durch ein Geigen-Intro, orientalisch anmutende Gitarrenriffs und extreme, aber gut umgesetzte Stimmungswechsel, und 'The Missing Coordinates' schiebt einen leicht verträumten, von Streicherklängen dezent untermalten Instrumentalteil ein. Relativ fröhlich weiter geht es mit 'Ghost Prototype I (Measurement Of Thought)', und wer bisher noch nicht kapiert hat, dass "Holographic Universe" vor Abwechslung nur so strotzt, sollte noch mal oben mit dem Lesen anfangen. Und das ändert sich in der zweiten Halbzeit kein bisschen.
Dabei verspielen SCAR SYMMETRY niemals ihre Death Metal Credibility. 'Fear Catalyst' ist - von den wie immer göttlichen, sich stellenweise mit den Growls duellierenden und am Ende ganz groß auftrumpfenden klaren Einschüben abgesehen - ein recht grooviger Wutbatzen, bei dem eben auch mal kräftig ins Taschentuch geschnieft werden darf. Auch 'Trapezoid' sorgt für Tempo, wenn auch ein reichlich unstrukturiertes - für mich eine eher verzichtbarer Track. Der mehrstimmige Refrain (und wenn ich ausdrücklich vom Refrain rede, ist klar, dass in den Strophen massiv gebollert wird, oder?) von 'Prism And Gate' steckt hingegen alle gecasteten Boygroups locker in die Tasche - ich weiß echt nicht, ob die Herren das ernst meinen, und lache mir insgeheim einen Ast ab, wie man so dreist sein kann, Highspeed-Gebretter und Hupfdohlen-Vocals miteinander zu kombinieren. Auch im neunminütigen (!) Titeltrack werden eigentlich völlig unvereinbare Stilmittel zusammen in einen Topf geschmissen - fettes Doublebass-Gewitter (in den harten Momenten enthält 'Holographic Universe' den härtesten Death Metal des ganzen Silberlings), verkiffte Keyboard-Elemente, schwindelerregende Gitarrensoli, eine Prise rabenschwarze Dramatik und natürlich ein zum Niederknien eingängiger Kehrvers. Nach diesem alles mit sich reißenden Inferno kann 'The Three-Dimensional Shadow' logischerweise nur verlieren, aber auch ohne den direkten Vergleich wirkt das von Synthie-Elementen begleitete Werk ziemlich uninspiriert. Bleibt noch der abwechslungsreiche Rausschmeißer 'Ghost Prototype II (Deus Ex Machina)', der mich ein letztes Mal fröhlich grinsen lässt: Wie es sich für eine Boygroup gehört, werden im In- und Outro Frauenherzen zum Schmelzen gebracht, und der Mittelteil erfährt eine cheesige Keyboard-Untermalung.
Fazit: "Holographic Universe" ist - mit zwei Ausnahmen - eine rundherum starke Platte und eine absolute Glanzleistung der Schweden, die ich nicht erwartet hätte. Ich bin irgendwie auf das potenzielle Zielpublikum gespannt, denn "Death Metal" sind SCAR SYMMETRY weniger denn je. Aber bis hin zum "Pop" fehlt dann doch noch ein gutes Stück - zum Glück!
- Redakteur:
- Elke Huber