SEELENKAMMER - Kammerspiele
Mehr über Seelenkammer
- Genre:
- Dark / Gothic / Metal
- Label:
- Eigenproduktion
- Entfremdet
- Jagdfieber
- Wie ein Hauch
- Traumfänger
- Hass, purer Hass
- Hure der Zärtlichkeit
- Herz
- Alle Zeit der Welt
- Elf Minuten
- Licht
- Teufelstanz
- Kammerspiele
- Herz (Quartettversion)
Mit dem Gedicht "Nachtergebung (5. Fassung)" von Georg Trakl eröffnen<br />die österreichischen SEELENKAMMER das Booklet ihrer 2007<br />veröffentlichten CD "Kammerspiele" ...<br />
Purpurn brachen Mund und Lüge
In verfallner Kammer kühl
Scheint noch Lachen, golden Spiel,
Einer Glocke letzte Züge.
Mit dem Gedicht "Nachtergebung (5. Fassung)" von Georg Trakl eröffnen die österreichischen SEELENKAMMER das Booklet ihrer 2007 veröffentlichten CD "Kammerspiele". Wer Trakl kennt, weiß um dessen Selbstversuche mit Drogen, seine traumatischen Erlebnisse im Ersten Weltkrieg und schließlich seinen Selbstmord mit einer Überdosis Kokain im Jahre 1914. Trakls Lyrik ist von Sterbe- und Todes-Metaphern geprägt, zutiefst dunkel, mystisch, schwarz und nicht zuletzt oft verstörend. Völlig zu erfassen, was Trakl in seinen Gedichten aussagt, scheint oft unmöglich. Seine Werke scheinen seltsam entrückt und dennoch mit einer klaren Referenz an die Realität - das Erlebte - versehen. Doch gerade die schwer greifbare Authentizität seiner Lyrik weiß zu verstören, und so bleibt, falls der Zugang fehlt, ein zutiefst selbstzerstörerischer und destruktiver Eindruck zurück.
Die Hülle der CD ist im Kontrast dazu in weiß gehalten und lässt so im Konglomerat mit dem Booklet auf das programmatische Konzept von SEELENKAMMER rückschließen. Die schnelle Erkenntnis, dass es sich hier um den wiederholten Versuch handelt, Licht und Schatten der menschlichen Existenz in möglichst unwirschen Texten zu reflektieren, greift jedoch viel zu kurz. Der Inhalt der Songs stagniert nicht bei besserwisserischen, global formulierten Allgemeinplätzen mit dogmatischem Anspruch. Vielmehr schreiten SEELENKAMMER das Spektrum von der Angst vor der aus gesellschaftlicher Kollektivierung entstehenden Schizophrenie Unangepasster ('Entfremdet') hin zu dem Wechselspiel aus eifersüchtigem Festhalten und rational gesteuertem Vertrauen ('Licht') ab. Die Texte selbst präsentieren sich dabei erstaunlich unschwülstig und kommen ohne die genretypischen Kitsch-Elemente aus. Dem geistigen Vater der Formation, Georg Trakl, wird dabei jedoch nicht zwanghaft und implizit schlecht nachgeeifert. Vielmehr scheint mir dahinter ein abgeklärter, aber dennoch emotionaler Zugang zu dessen Wirken zu bestehen, was zu der treffsicheren, nicht immer einfachen, aber schwermütigen Ausdruckskraft der Formation führt.
Klanglich verfolgen SEELENKAMMER ein weitgehend freies Konzept der Inanspruchnahme verschiedenster Stile. Das Wort "Kammerspiele" betrachtend, lässt jedoch auch hier ein Konzept vermuten. Ein Kammerspiel gilt als Schauspiel in einem engen Raum, eingeschränkt durch seine Größe und ausgezeichnet durch seine Intimität. Die Besetzung besteht meist aus wenigen Schauspielern. Und so verlieren sich die Österreicher auch keinesfalls in dem Versuch, möglichst umfassend zu agieren, möglichst viel in ihren Hexenkessel hineinzuwerfen. Anstelle einer totalen Anbiederung an gegenwärtige Trends beweisen SEELENKAMMER Mut zu klaren musikalischen Statements und gewitzten, ja fast schon frechen Ausflügen in andere Klangwelten. Diese Stilbrüche stehen dabei nicht für sich, sondern unterstützen den Charakter der Songs. Die Grundlage des künstlerischen Schaffens bilden folglich schwere Gitarren-Riffings, energiegeladene Beats und melodische Hooks. Doch manchmal mehr, manchmal weniger unvermittelt verschiebt sich der Horizont in bluesige Gefilde oder funkige Arrangements. Diese Offenheit, ungezwungen und direkt, fasziniert immer wieder aufs Neue.
Niemand sollte den Fehler begehen, SEELENKAMMER vorschnell in eine Schublade zu stecken, nur die Lyrik oder aber nur die Musik beachten zu wollen. Mehr als bei vielen anderen Bands sollte hier das Gesamtkunstwerk im Fokus stehen. Das kreative Potential der Band ist groß, die Wanderung auf dem Grat zu unverständlicher Sinnlosigkeit aber immer noch nicht entschieden. Ich bin gespannt auf das nächste Werk der Wiener. Bis es allerdings soweit ist, empfehle ich jedem Freund dunkler Welten, dieser schwarz-weiß-gesprenkelten CD mit dem Spektrum eines Regenbogens eine oder mehr Chancen zu geben. Doch seid gewarnt: ein umfassender Zugang ist ebenso unmöglich wie unnötig. Im Verborgenen liegt Faszination.
Staub tanzt im Gestank der Gossen.
Klirrend stößt der Wind in Scheiben.
Einen Zug von wilden Rossen
Blitze grelle Wolken treiben.
(Aus Georg Trakl - "Der Gewitterabend" )
Anspieltipps: Entfremdet, Hure der Zärtlichkeit, Licht, Herz (Quartettversion)
- Redakteur:
- Julian Rohrer