SHINING - Redefining Darkness
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2012
Mehr über Shining
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Cooperative Music (Universal)
- Release:
- 26.10.2012
- Du, Mitt Konstverk
- The Ghastly Silence
- Han Som Hatar Människan
- Hail Darkness Hail
- Det Stora Gra
- For The God Below
Die melancholische Feier des Untergangs als schöne und hohe Kunst!
Der Rezensent bekennt sich schuldig des Vorwurfs, SHINING bisher viel zu wenig beachtet zu haben. Zu seiner Verteidigung bleibt wenig Überzeugendes vorzutragen: Die Band kam erst 1998 mit einer Single und 2000 mit ihrem Debütalbum über die Ostsee. Wäre sie bereits 1995 und vor allem auch über die Nordsee gekommen, dann hätte es wohl anders ausgesehen. Das mag eine Begründung sein, aber sicher keine Entschuldigung, denn - das ist selbst dem Verfasser dieser Zeilen nicht entgangen - die Band um den oftmals umstritten auftretenden Niklas Kvarforth war von Beginn an eine ernstzunehmende und relativ eigenständige Kraft im schwedischen Black Metal, die sich eben nicht an dem in der Heimat verbreiteten Stil orientierte, der auf oftmals höchst melodische, in jedem Fall aber rasend schnelle und zutiefst teuflische Abrisskommandos setzte.
Bei SHINING war schon immer eher das Getragene, das Lebensfeindliche und das Elegische ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes, und nun, da ich mich erstmals einem neuen SHINING-Album in voller Länge widme, packt es endlich auch mich. "Redefining Darkness" ist das mittlerweile bereits achte vollständige Studioalbum der Band aus Halmstad, und es ist tatsächlich bemüht, die musikalische Dunkelheit neu zu definieren. Das mag klischeehaft klingen, doch es ist schlicht und ergreifend die Wahrheit. Denn obwohl ich keine Sekunde zögern würde, SHINING auch im Jahre 2012 als Black-Metal-Band einzuordnen, lässt sich das Gebotene keinesfalls darauf reduzieren. Manche Puristen der unterschiedlichsten Lager werden die Einordnung der Band in die eine oder andere Richtung auch entschieden bestreiten, doch das soll uns hier nicht weiter kümmern.
Was aber ist es, das "Redefining Darkness" so besonders und so eigenständig macht. Nun, es ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass Kvarforth mit seinen Mitstreitern der Weisheit folgt, dass Dunkelheit nicht nur mit metallischen Mitteln erzeugt werden kann. Vielmehr nutzt die Band auch die Stilmittel des klassischen Pianos oder der dunklen, folkloristischen Akustikgitarre, um eine Stimmung der Traurigkeit und der Melancholie in ihre Musik einfließen zu lassen, die mit dem rein metallischen Instrumentarium nur schwer zu erzeugen wäre. Dennoch ist "Redefining Darkness" in meiner Wahrnehmung kein progressives Black-Metal-Album und ganz sicher auch kein Prog-Metal-Album. Dies ist es deshalb nicht, weil sämtliche Stilmittel, die sich auf dieser Scheibe finden, dem traditionellen Metal keineswegs fremd sind. Zu allen Zeiten waren sich auch extremste Metalbands der Tatsache bewusst, dass Kontrapunkte mit akustischen Instrumenten die Effizienz der metallischen Härte und Schwärze noch verstärken können. Zu allen Zeiten waren sich auch die finstersten Schwarzheimer bewusst, dass ein klassisches Metal-Lead und eine klar gesungene Passage die Komposition vor Konturlosigkeit bewahren können.
Daher ist es keineswegs so, dass SHINING aus dem Metal oder dem Black Metal ausbricht. Vielmehr richtet sich die Band innerhalb dieses stilistischen Spektrums sehr vielseitig ein, und bedient sich dazu auch großartiger Gastmusiker. Vor allem die wirklich königlichen Gitarrenleads und Soli des KING-DIAMOND-Saitenhexers Andy LaRoque sind hier zu erwähnen und lassen einige Übergänge zwischen den verschiedenen Stimmungen der Songs unglaublich genial wirken. Selten glänzte eine Black-Metal-Scheibe mit derartig melodischen Soli, die den Songs dennoch nichts von ihrer schwarzen Aura nahmen. Da Kvarforth offenbar seine Freude an klassisch-stählernem Gitarrenshred hat, darf auch ANTHRAX-Gitarrist Rob Caggiano einen Beitrag zum Album beisteuern. Auch gesanglich bietet "Redefining Darkness" das volle Programm. Kvarforth selbst zeigt alle Facetten seines Gesangs von extrem bis clean, und dazu bittet er auch Peter Bjärgö (ARCANA, CRYPT OF KERBEROS) und vor allem den unverkennbaren Herrn Hoest (TAAKE) ans Mikrofon.
So wird jeder Song des Albums zu einer faszinierend vielseitigen Angelegenheit. Hier legt der Opener 'Du, Mitt Konstverk' rasend und klirrend los, bevor er in einen groovenden und stampfenden Black-Metal-Knochentanz umschlägt und sich dann in mantrisch entrückten clean gezupften und gesungenen Passagen ergeht. Dort beginnt 'The Ghastly Silence' mit aetherischen gezupften Akustikgitarren, bevor derbe, aber natürlich gut verständliche Vocals und sich immer mehr auftürmende Riffwände ein fast postrockiges Flair erzeugen und schließlich Saxophon-Einschübe für eine ganz besonders bizarre Atmosphäre sorgen. 'Han Som Hatar Människan' legt als rockig-groovende Black-Metal-Dampframme los, die auch späteren SATYRICON oder KHOLD zur Ehre gereichen würde, wobei auch hier ganz spezielle flirrende Gitarrenelemente den SHINING-Sound vom Schaffen der Kollegen abheben. Auch 'Hail Darkness Hail' startet groovend, schwer und schwarz, verwandelt sich dann aber streckenweise in ein folkiges Akustikstück mit sehr melancholischen Melodien und Gesangspassagen. Nach der dreiminütigen Piano-Elegie 'Det Stora Grå' hebt sich schließlich der Vorhang zum letzten Akt, und die Darbietung, die SHINING für uns parat hält, beschließt ein mächtiges Album nicht nur würdig, sondern phänomenal. 'For the God Below' hat einfach alles, was ein vielseitiger, faszinierender und anspruchsvoller Volltreffer der schwarz-stählernen Klangkunst haben muss. Mehr kann man nicht wollen!
Kollege Becker spricht von einer Mischung aus harschem Black Metal und dunklem Artrock, Kollege van der Laan hat sich spontan verliebt, selbst unsere redaktionseigenen Schöngeister können die neue SHINING nicht schlecht finden, und bei mir sieht es so aus, dass ich mal wieder die jahrelange Ignoranz teuer bezahlen und mir eine Diskographie nachbestellen muss. Nun, das ist meine kleinste Sorge, denn was ist schöner, als wenn man von einer Band vom Fleck weg total begeistert ist, die man schon seit Jahren immer mal hören wollte? Von daher ist alles bestens, und ich kann an dieser Stelle "Redefining Darkness" jedem ganz dringend ans Herz legen, der sich seinen Black Metal mal gerne mit klassischer Heavy-Metal-Gitarrenkunst und mit Stimmungen würzen lassen möchte, die keiner besser an den Hörer brachte als der späte Johnny Cash: Die melancholische Feier des Untergangs als schöne und hohe Kunst!
Mehr zu diesem Album:
Soundcheck 10 / 2012
Gruppentherapie
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle