SLIPKNOT - Disasterpieces (DVD)
Mehr über Slipknot
- Genre:
- Nu Thrash
- Label:
- Roadrunner
- Release:
- 25.11.2002
- People = Shit
- Liberate
- Left Behind
- Eeyore
- Disasterpiece
- Purity
- Gently
- Eyeless
- My Plague
- New Abortion
- The Heretic Anthem
- Spit It Out
- Wait And Bleed
- (sic)
- Surfacing
- My Plague
- Left Behind (Director's Cut)
- Wait And Bleed
- Wait And Bleed (Animated)
- Spit It Out
"Disasterpieces" wirkt schon von seiner Aufmachung her mächtig. Man gibt sich hier nicht mal mehr mit nur einer DVD zufrieden. Nein, hier werden Nägel mit Köpfen gemacht, wenn auch nur am Kopf von Sampler Craig. Das Menü ist nicht überraschend, weil es so gehalten ist, wie es die meisten erwartet hätten, dennoch recht stilvoll. Da der Coursor schon mal auf "Live-Performance" steht, drücken wir einfach mal "Enter" … und machen uns auf das Schlimmste gefasst. Darauf, dass die gewaltige Stimme des Corey Taylor einen sofort an die Wand schreit. Doch SLIPKNOT kommen langsam, dafür umso heftiger. Das Intro vor dem Sturm zeigt Szenen, wie sich Musiker und Fans auf die Show vorbereiten. Man sieht, wie Masken angelegt werden und Fans in die Kamera grölen, wie Securitys ihre letzten Vorbereitungen treffen und Fans in die Kamera grölen … und wie Fans völlig krank in die Kamera grölen! ;-)
Dann bricht der Vulkan aus: Der Vorhang fällt und mit einem riesigen Knall beginnt die Freakshow. Mit einer Flut von Bildern, aus unzähligen Kameras aufgenommen, wird der Zuschauer bombardiert und mitgerissen in den Strom der Musik. Blitzschnell und dennoch flüssig wechseln die Kameras zwischen den Instrumenten, welche gerade primär gespielt werden. Perfekt, möchte man meinen. Die Show in der London-Arena ist ohne Zweifel bombastisch, die Setliste für einen echten Fan ein Traum. Musiktechnisch stimmt alles.
Einziger Mangel ist, man höre und staune: die Art der Aufnahme. Mag sein, dass durch den riesigen Medienrummel und all die Anpreisungen an diese DVD die Erwartungen höher als der heutige Stand der Technik gestiegen sind, aber nach dem ersten Mal der Betrachtung ist man irgendwie enttäuscht.
Klar, man sieht alles und jeden, aber doch irgendwie wieder nichts. Vielleicht sind dort dreißig Kameras gewesen, aber diese waren vielleicht etwas zu fokussiert. Denn selbst wenn man die halsbrecherischen Sprünge Sids durch dessen eigene Augen sieht, der Eindruck, man wäre selbst dabei, verwischt.
Zu sehr wurde versucht, die Heftigkeit der Musik in die Bilder einfließen zu lassen. Doch das bringt kaum mehr als Kopfschmerzen ab dem zweiten Lied aufgrund einer zu hohen Dosis an visuellen Reizen. Und man sehnt sich nach einer ruhigen Stelle im Lied, wo hoffentlich eine der Kameras endlich mal in die Totale wechselt und den Blick auf die gesamte Bühne freigibt.
Was der grundlegende Fehler im Konzept der Macher war, ist meiner Meinung nach die Tatsache, dass man den Zuschauer mit auf die Bühne stellen wollte, um ihm so das Gefühl zu geben, ein Teil der Show zu sein. Doch dieses "Mittendrin statt nur dabei" schießt etwas über das Ziel hinaus. Denn man sieht lieber zu, wie Sid jemandem die Faust auf die Zwölf drückt, statt selbst den Nasenbruch zu kassieren. Eben dieser DJ springt einige Male ins Publikum, und dabei wird mehr Wert darauf gelegt, wackelige, verzerrte Bilder aus seiner Perspektive zu zeigen, statt den gewaltigen Sprung von außen darzustellen.
Die DVD weist die gleichen Kinderkrankheiten auf, wie sie viele Live-DVDs der jüngsten Vergangenheit haben. Man versucht eine Art Perfektion in den Aufnahmen, doch was wirklich fesselt, sind simple Bilder, die das Wesentliche einfangen. Das ist schwer zu erklären, aber wer das gerade mal zwanzig Minuten lange Nicht-Homevideo "Welcome To Our Neighborhood" von SLIPKNOT hat, versteht vielleicht, was eine gelungene In-Szene-Setzung dieser Band ist. Weniger wäre mehr gewesen.
Und leider kann das gesamte Wirrwarr zwischen den einzelnen Mitgliedern den Zuschauer nicht darüber hinwegtäuschen, was spätestens bei einem eigenen realen Blick auf die Liveshow dieser Band offensichtlich wird: Wirklich Dauerbeschäftigung haben nur Corey und Joey. Während sich der Rest der Bande, allen voran die beiden Percussion-Ripper Clown und Chris, mit Headbangen beschäftigt.
Aber zerrupft all diese Kritik die Show jetzt? Nein, seid beruhigt, denn wenn es etwas gibt, was "unkaputtbar" ist, dann SLIPKNOT live! Und letztlich entfaltet sich die Art der Aufnahme auch mal zu einem Vorteil, wenn zu 'Spit it Out' die berühmte "Jump-the-fuck-up"-Situation geprobt wird. Mit gevierteiltem Bildschirm bestaunt man gleichzeitig Corey auf der Bühne und Sid mitten im Publikum. Sehr gelungen, auch wenn man eine Totale auf die gesamte Halle, eventuell aus Coreys Rücken gesehen, vermisst.
Was den Rest der CD angeht, so ist man teils überrascht, denn man findet nicht, wie es von SLIPKNOT vielleicht zu erwarten gewesen wäre, eine Extrarubrik mit kranken Fans. Überhaupt wurde an dieser Ecke gespart. Zwar sieht man so einige Fans in die Halle kommen, oder wie bereits erwähnt grölen, aber eine Band wie diese hat Fans, die mehr verdient hätten. Bis auf ein paar Ausschnitte von der Autogramm-Session war es das aber schon. Das macht die Disc zahm, und das ist Gift fürs Image.
Die hochgelobten Kamera-Auswahlen beschränken sich dann, was das manuelle Eingreifen des Zuschauers angeht, leider auch nur auf zwei Lieder. Und selbst das ist nicht wirklich der Bringer. Diese oft so angepriesene neue Technik stellt sich nur als nette Spielerei heraus. Anders hätte es ausgesehen, wenn wenigstens eine dieser Kameras auf das Publikum spezialisiert gewesen wäre. Denn erst spezielle Vorfälle bei einem Konzert hauchen der Show wirklich Leben ein … besonders bei SLIPKNOT.
Und das war es dann auch schon fast. Die zweite DVD kann kaum das Niveau der ersten halten, ist wortwörtlich nur ein kleiner Bonus. Das animierte Video von 'Wait And Bleed' ist erstens halbherzig, und flimmerte zweitens bereits über die Musikkanäle. Alles Weitere kennt der Fan bereits von der "Welcome To Our Neighborhood" oder vom Äther.
Deshalb: Geht doch lieber zum echten Live-Konzert. Denn selbst mit hundert Kameras, oder gerade deswegen, wäre es unmöglich, diese Band in den Fernseher zu sperren. Für den Fan ein Muss, für alle anderen ein Konzert, das man gesehen haben muss ... aber einmal reicht völlig.
Anspieltipps: Spit It Out; der Soundcheck von Drummer Joey Jordison
- Redakteur:
- Michael Langlotz