SLIPKNOT - Iowa
Mehr über Slipknot
- Genre:
- Nu Thrash
- Label:
- Roadrunner
- (515)
- People=Shit
- Disasterpiece
- My Plague
- Everything Ends
- The Heretic Anthem
- Gently
- Left Behind
- The Shape
- I Am Hated
- Skin Ticket
- New Abortion
- Metabolic
- Iowa
SLIPKNOT hatten es geschafft, für mich eine der wenigen Bands zu werden, deren Albuen ich am liebsten "blind" kaufe und mir dann zu Hause bis zu den obligatorischen Kopfschmerzen ausgiebig anhöre. Und so wartete ich artig auf den Veröffentlichungstermin der "Iowa" und kaufte sie so auf diese Art. Viele Worte wurden im Vorfeld darüber geschrieben und gesprochen, und dennoch ist es letztlich entscheidend, was man selber fühlt, beim Hören.
Vieles war dieses Mal anders für SLIPKNOT. Sie hatten aufgrund ihrer grotesken Auftrittsweise, ihrer absolut ausrastenden Liveshows und nicht zuletzt wegen eines qualitativ kaum schlagbaren Debütalbums Superstarstatus. Von den "mighty SLIPKNOT" sprach man allgemein, wann immer sie irgendwo hochdekorierte Preise mit ihrem Erstling abräumten. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie sich immer mehr leisten können.
Nur die Unbeschwertheit verliert man. Die Freiheit, alles tun zu können, was man will. Denn nun kann man fallen ... sehr tief sogar.
In einem Hochglanzcover strahlt einem das Album mit dem Kopf eines Ziegenbocks düster entgegen. Das Booklet ist dann sogar noch extravaganter. Es riecht nach teurem Druck und die Seiten sind transparent. Ohne Zweifel sehr einfallsreich. Dann dreht sich die Scheibe zum ersten Mal im Wechsler. Mit '(515)' ertönt, wie nicht anders zu erwarten und deshalb auch keinesfalls überraschend, ein ähnlich "sickes" Intro wie damals auf der "Slipknot". Anschließend ballert 'People=Shit' los, die Augen weiten sich, der Mund formt sich zu einem leichten Lächeln, und der Kopf denkt: "Ja, die Verrückten melden sich zurück!" Mal abgesehen von dem Text, schließt dieses Lied auch gut an das Debüt an. In der Folge wird schnell deutlich, dass SLIPKNOT keine Gefangenen machen wollen, sondern sich auf Ausweiden spezialisiert haben. Aber ist das Album nun gut? Nein! "Leider nicht", will man sagen, hat doch diese Band so viel Sympathie gewonnen. Trotz der peinlichen Ansagen bei ihren Auftritten und trotz chronischer Showabsagen, denn sie wollten sich nie dem Mainstream beugen. Was lief also schief?
'People=Shit' ist ein Schlachtruf, der einem bisher nur stumm von den Shirts der Fans entgegen schmetterte. Doch so was ist nicht dazu gemacht, ein Lied daraus zu basteln. Irgendwie haben die Jungs da die Relation verpasst, denn selbst eine Band wie RADIOHEAD könnte diese Worte nicht aus der Primitivität herausheben. Allein die Idee, mit solch billigen Phrasen den Refrain eines Stückes füllen zu wollen, gehört bei Prügelstrafe verboten. Außer im so genannten Tribalmetal, da ist das erlaubt. Zwar überzeugt das Lied musikalisch noch einigermaßen, doch ziehen sich Kriterien wie diese wie ein roter Faden, in diesem Falle wohl wie eine rote Blutspur, durch das Album. Denn auch 'The Heretic Anthem' fängt gut an, lässt allerdings ab dem Chorus an Seriosität mangeln. Ein Refrain wie "If you 555, I’m 666" ist solch schlechte Songschreibung, dass sich zwangsläufig das Gefühl aufdrängt, dass hier gänzlich halbherzig zu Werke gegangen wurde.
Und leider lässt beim zweiten Titel 'Disasterpieces' dann auch noch die instrumentale Leistung stark nach. So wie dieses Lied, wirken auch 'Gently', 'New Abortion', 'Mutabolic' und ganz besonders 'Iowa' extrem aufgebläht. Wohl scheinen sich die Mannen auf ihre Wurzeln zu beziehen, jedoch nicht die, die sie stark machten. Die Lieder erinnern allesamt an die Schwachstellen des Debüts wie 'Tattered & Torn' und den Beginn von 'Scissors', welche aus längst vergangenen Zeiten stammen, in denen 'Purity' noch als bestes Lied gefeiert wurde. Diese Songs kommen nicht auf den Punkt, sondern verursachen mit einer konzeptlosen Aneinanderreihung von willkürlichen Geräuschen nur Krach, der zwangsläufig zu Kopfschmerzen führt. Man versucht es hier mit roher Gewalt, was nicht zuletzt auch Corey Taylors schuld ist, der nicht mehr lehren, sondern nur noch anschreien will.
Um dann doch oberflächlich Abwechslung in den rohen Brei zu mischen, werden Lieder künstlich in die Länge gezogen und langsamer Sprechgesang zelebriert. Doch auf diesem Gebiet wurden SLIPKNOT schon lange überrollt. Schließlich gibt es genügend Bands, die dies sehr viel glaubwürdiger rüberbringen und die Machenschaften auf diesem Album wie eine Farce wirken lassen.
Aber gibt es auch, wenn auch wenige, Lichtblicke auf dem Album. Rein musikalisch ist da Fremdgänger (spielt für MURDERDOLLS Gitarre) Joey Jordison zu nennen, der sein ohnehin schon geniales, aggressives Drum-Spiel noch merklich ausbauen konnte. Und 'My Plague' zieht nach dem missglückten 'Disasterpieces' die Karre erst mal aus dem Dreck. Und man bemerke, dieser Song ist nicht so lang, sondern sehr viel kompakter als die genannten Mammut-Stücke. 'Everything Ends' ist solide bis gut und lässt sogar Hoffnung keimen. Doch hat es den bitteren Beigeschmack, dass hier schamlos bei CRADLE OF FILTH's 'From The Cradle To Enslave' geklaut wurde. Von den übrigen neun Songs sind gerade mal drei noch annehmbar. Das eindeutig beste Stück des Albums 'Left Behind' und die auch recht annehmbaren 'The Shape' und 'I Am Hated' zeigen, dass man sich glücklicherweise nicht gänzlich vom Vorgänger lösen konnte, und unterstreichen, dass die Weiterentwicklung dieses Sounds der sinnvollere Weg gewesen wäre. Bei allen übrigen Titeln sucht man vergeblich nach einen System oder einer Verbindung zwischen den Vocals und der Musik.
Scheinbar haben der kometenhafte Aufstieg und die Popularität der Gruppe nun doch ihren Tribut gefordert. Man wolle nicht dem Mainstream folgen, hieß es von Seiten der Bandmitglieder, und dies ist zweifellos gelungen. Aber die Beeinflussung hat stattgefunden und war entscheidend. Unter dem öffentlichen Druck wollte man dem Abgrund des Mainstream so weit davonlaufen, dass man eine andere Schlucht herunter fiel. Unbedingte Härte und Kompromisslosigkeit haben ein Werk geschaffen, das so in sich eingeengt ist, dass es jegliche Qualität verliert. Nichts darf eingängig klingen und vom ewigen Hass auf die Welt als Thema darf an keiner Stelle Abstand genommen werden. Man fühlte sich gezwungen, eigene Wege zu gehen und dabei kam es nicht auf das Ziel an, sondern auf den Weg selbst. Einem Weg als Beweis, dass man sich von niemandem reinreden lässt, besonders nicht von den Medien. Der fanatische Wille dazu zwang die Band Scheuklappen zu tragen und das Gegenteil von dem zu machen, was die Medien und die Welt von ihnen erwarteten. Entscheidend ist, dass das Ergebnis dessen nicht so klingt, wie SLIPKNOT eigentlich geklungen hätten. Man kann machen, was alle anderen wollen, man kann genau das Gegenteil machen, aber richtig ist: Das zu machen, was man selbst will. SLIPKNOT haben dies nicht geschafft.
Dieses durchwachsene Album schadet weniger als es sollte. Aber wie das aktuelle Werk zeigt, hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. "Iowa" ist eine Schwächephase, unschön, aber glücklicherweise nicht von langer Dauer.
Anspieltipps: My Plague; Left Behind
- Redakteur:
- Michael Langlotz