SPIRITUS MORTIS - The Great Seal
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2022
Mehr über Spiritus Mortis
- Genre:
- Doom Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Svart Records
- Release:
- 16.09.2022
- Puputan
- Death's Charioteer
- Martyrdom Operation
- Skoptsy
- Khristovovery
- Visions Of Immortality
- Feast Of The Lord
- Are You A Witch
Klassischer Doom, aber hat das Album auch das Potenzial zum Doom-Klassiker?
Klassischer Doom ohne jeglichen Schnickschnack ist doch eine feine Sache. Wie schön, dass die Lehre, die von SPIRITUS MORTIS vertreten wird, so orthodox ist wie die Theologie der Kirchenväter. Nach beinahe sechs Jahren Funkstille sind die Finnen wieder mit einem neuen Album und einem neuen Sänger am Start. Das letzte Werk, "The Year Is One", gilt vielen bereits als Klassiker des Doom Metal. Raphael belohnte seinerzeit die außergewöhnliche Qualität mit der Höchstnote. Von diesen luftigen Sphären ist "The Great Seal" doch ein gutes Stück entfernt.
Aber bleiben wir doch kurz bei den Superlativen, denn 'Puputan' ist einer der Kandidaten für den Doom-Song des Jahres. Auf Bali bezeichnet "puputan" einen ritualisierten Massenselbstmord, der einer drohenden Kapitulation oder der Erniedrigung nach einer militärischen Niederlage vorgezogen wird. Eine ähnliche Tradition ist auch aus dem mittelalterlichen Indien unter dem Begriff "jauhar" bei den Rajputen bekannt. Auf Bali gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei solche Vorkommnisse, als die Niederländer die Insel eroberten. Na, ist das nicht ein Thema wie gemacht für eine Doom-Hymne? Für Doom-Verhältnisse geradezu galoppierend und mit feierlichen Chören versehen führt uns 'Puputan' durch das koloniale Drama.
Epischer Doom erwartet uns bei 'Death's Charioteer', ein Song, der uns förmlich in das Verhängnis hineinsaugt. Ein eingängiges Riff, das ich eher von Mark Knopfler erwartet hätte, bestimmt weitgehend 'Martyrdom Operation'. 'Skoptsy' ist dann thematisch etwas für Personen mit einer Affinität zur Religionsgeschichte. Und hier kommen wir dem Rätsel des Albumtitels auf die Spur. Die Skopzen entstanden Mitte des 18. Jahrhunderts in Russland. Sie lebten extrem asketisch, und Beschneidung der primären Geschlechtsmerkmale und bei Frauen auch der Brustwarzen war unter ihnen verbreitet. Bei Männern bezeichnete das "kleine Siegel" die Entfernung der Hoden, während die Abnahme des Penis als das "große Siegel" galt. Musikalisch ist 'Skoptsy' der zweite - man scheut sich fast, das Wort hier zu gebrauchen - Höhepunkt des Albums. Ein grandioser epischer Doom-Song mit einem großen Thema und einem erhabenen Refrain - Herz, was willst du mehr? Mit 'Khristovovery' verweilen wir noch ein wenig bei der russischen Religionsgeschichte, und zwar bei den Chlysten. Dieses gelungene Stück macht eine interessante Entwicklung durch, erreicht aber nicht ganz die Intensität von 'Skoptsy'. Das Gitarrensolo muss auf jeden Fall positiv hervorgehoben werden. 'Visions Of Immortality' rifft beinahe wie ZZ TOP, die Stimmung ist aber ganz typisch SPIRITUS MORTIS. 'Feast Of The Lord' überzeugt wieder durch einen einprägsamen Chorus und ist ein weiterer Anspieltipp. Auch 'Are You A Witch' gefällt mir als langsamster Song des Albums ganz ausgezeichnet.
Warum stehen nach all diesen positiven Bemerkungen "nur" 8,0 Punkte als Endergebnis? Die Wertung wäre angesichts der Qualität des Songmaterials tatsächlich noch etwas höher ausgefallen, wenn da nicht dieser wirklich heftige Akzent von Sänger Kimmo Perämäki wäre. Dennoch ist das Album auf jeden Fall essenziell für Genre-Liebhaber. 'Puputan' und 'Skoptsy' haben sogar das Zeug zu künftigen Doom-Klassikern.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Jens Wilkens