SPITFIRE (DE) - Nightmares
Mehr über Spitfire (DE)
- Genre:
- Speed Metal / Thrash Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Witches Brew Records
- Release:
- 30.09.2022
- Never Stop The Madness
- Tyrannic Reaper
- Soldiers Of Hell (Running Wild Cover)
- To Take A Life
- The Nightmare (feat. Francis Tobolsky of WUCAN)
- Know Your Demons
- White Walls
- Forever Dying Free
- Rebirth (Instrumental)
Ein bärenstarkes Speed/Thrash-Album, durch und durch traditionell, aber zu keiner Sekunde angestaubt oder retro.
SPITFIRE aus Karlsruhe ist eine Band, die wir seit ihrer Gründung sehr aufmerksam verfolgen, denn über all die Jahre konnten die Jungs uns immer wieder sowohl auf Platte als auch live überzeugen. Irgendwann kam jedoch Sand ins Getriebe, und 2018 war dann erst einmal Schicht im Schacht: Das badische Speed-Metal-Trio löste sich auf!
Als sich dann 2021 trotz Pandemie die Zeichen verdichteten, dass es einen Neuanfang geben würde, war der Verfasser dieser Zeilen natürlich ganz Ohr, und so kam es auch zu unserem kleinen Studioreport im Sommer 2021. Dass es danach immer noch weit über ein Jahr dauerte, bis das Album in trockenen Tüchern war und vor allem in den Regalen stand, ist auf allerlei Unwägbarkeiten zurückzuführen, doch am Ende konnte die Band mit S. Moch einen neuen Bassisten finden, zudem mit D. Bolz auch einen zweiten Gitarristen an der Seite von Fronter Rico und Drummer Thunder Manne. Mit Witches Brew Records wurde schließlich auch noch ein stilistisch absolut passendes Undergroundlabel von tadellosem Ruf auf SPITFIRE aufmerksam, und so begab es sich, dass das neue Studioalbum "Nightmares" am 24.09.2022 beim "Gas Gäba!"-Festival erstmals käuflich zu erwerben war.
Dort natürlich gleich eingetütet hat das Album inzwischen hier im heimischen Wohnzimmer unzählige Runden gedreht, und, was soll ich sagen: Mit "Nightmares" ist SPITFIRE ganz zweifelsfrei ein riesiger Schritt nach vorne gelungen. Wo die EP noch ungestüm und etwas rumplig war, aber einen sehr ursprünglichen, wilden Charme hatte, da war das Trio mit dem ersten Full-Length-Album "Tectonical Power" spielerisch, kompositorisch und produktionstechnisch schon um einiges weiter. Mit "Nightmares" werden hier jedoch spürbar nochmal ein paar Schippen nachgelegt, und das fängt bereits mit der Produktion an, welche die Aura des Albums in den badischen Soundtown Studios wirklich ausgezeichnet eingefangen hat. Der Klang ist transparent und differenziert, ein echter Livesound, der alle Instrumente leben und atmen lässt, allerdings ohne der Band ihre Durchschlagskraft zu nehmen. Das Gegenteil ist der Fall: Dadurch, dass das Album eine ungeahnte Dynamik hat, wirken die durchaus vorhandenen ruhigen, melodischen Parts - speziell beim Titelstück 'The Nightmare' mit Gastsängerin Francis Tobolsky von WUCAN - umso epischer, die selbstredend dominierenden harten Momente umso wilder.
Ein weiteres Plus des Albums ist die kompositorische Vielseitigkeit, die SPITFIRE zwar wie gehabt ganz fest im Schnittpunkt zwischen klassischem Speed Metal der frühen Achtziger und melodischem Thrash Metal der Folgejahre fixiert, innerhalb dieses stilistisch abgesteckten Rahmens allerdings eine Bandbreite aufweist, die man erst mal hinbekommen muss. So steigt der Opener 'Never Stop The Madness' gleich mit einem wabernden, fast doomigen Riff ein, das auch von SLAYER zu "Seasons"-Zeiten hätte stammen können, bevor die Speed-Metal-Riffs hemmungslos durch die Botanik zu hoppeln beginnen. Das ist wild, das hat Spirit, und das ist bis aufs Iota tight gespielt, meine Herren! Das feine Break in der Mitte, samt feiner Generalpause, geht echt gnadenlos in den Nacken, bevor am Ende die wilde Solojagd beginnt. Ein Auftakt nach Maß!
Basslastiger, groovender und rhythmisch vertrackter geht es dann bei 'Tyrannic Reaper' zur Sache; eine kleine Verneigung vor IRON MAIDEN in Sachen Basslicks, etwas MOTÖRHEAD, aber auch ein Hauch frühe DEATH ANGEL ist zu spüren, so könnte man meinen. Feines Stück, ganz ohne Frage, und auch die Lyrics sind bei SPITFIRE stets ein genaueres Hinhören und Mitlesen wert. So gibt es wie auch schon in der Vergangenheit erneut einige Blicke in die tiefen Abgründe der menschlichen Psyche, über Albträume und die Untiefen der eigenen Psyche, bis hin zu Gedanken aus den Aufzeichnungen über Serienmörder, was etwa bei 'To Take A Life' beklemmendes Thema ist, zu dem die Band den unten eingebundenen Videoclip gedreht hat, der für einige sehr konstruierte Kontroversen sorgte. Der Song selbst geht in den schnellen Parts deutlich in Richtung EXCITER, hat jedoch in den melodischeren, gezügelteren Refrain-Parts erneut auch einen guten Schuss mehr Groove zu bieten, der auch eine leichte Bay-Area-Schlagseite nicht verhehlen kann.
Das weiter oben bereits angerissene Titelstück mit seiner enormen Bandbreite an Stimmungen und seinem lyrischen wie kompositorischen Tiefgang, bis hin zu episch-balladesken Momenten, ist dann Dreh- und Angelpunkt der Scheibe, bevor 'Know Your Demons' die zweite Hälfte des Albums eröffnet und einiges von METALLICA in den frühen Achtzigern zu bieten hat. 'White Walls' erreicht in den harten Momenten durchaus RAZOR-Niveau, wagt aber im Bereich der Soli und Leadgitarrenparts auch etwas mehr Melodie, bevor Thunder Manne mit seinen inzwischen deutlich kreativeren und verspielteren Doublebass-Parts wieder alles wegfegt. Zum Ende hin gibt's mit dem flotten Stampfer 'Forever Dying Free' noch eine knackige Breitseite, die vom Teutonen-Speed/Thrash der Marke VENDETTA oder DARKNESS über MOTÖRHEAD bis hin zu ein paar kleinen SLAYER-Zitaten allerlei feine Einflüsse offenbart, diese jedoch in einen unverkennbaren SPITFIRE-Song vereint. Der finstere, rockige Groove des Hauptriffs würde in einem anderen Soundgewand aber tatsächlich auch zu Bands wie SATYRICON oder KHOLD passen. Letztlich verklingt "Nightmares" mit dem programmatischen Instrumental 'Rebirth', in dem ich meine, vor allem RUNNING WILD-Einflüsse herauszuhören, die ja ohnehin kein Geheimnis sind, wie man an der, auf der vorliegenden Scheibe ebenfalls enthaltenen, Coverversion zu deren Klassiker 'Soldiers Of Hell' ablesen kann.
Was bleibt am Ende des Tages? Nun, aus meiner Sicht ein bärenstarkes Speed/Thrash-Metal-Album, das zwar durch und durch traditionell ist, dabei aber zu keiner Sekunde angestaubt oder retro wirkt. Das gelingt dem Quartett in erster Linie dadurch, dass es sich kompositorisch eben nicht auf einen einzigen Songtyp und eine gleichbleibend hohe Geschwindigkeit festlegt, dass es sich zudem verschiedener stilistischer Einflüsse bedient, und dass für diese tolle Scheibe hörbar nicht an den falschen Ecken gespart worden ist. Sprich, die Band hat ihre Hausaufgaben gemacht, ihre Songs geprobt und sie im Studio eben auch tight herübergebracht, was heute bisweilen als Seltenheit gelten darf. Außerdem hat das Produzententeam die Mucke eben auch genau so eingefangen, wie sie klingen muss. Wer Speed Metal und Thrash Metal der alten Schule für seine bevorzugte Spielart hält, der kommt an SPITFIRE jedenfalls nur ganz schwer vorbei, und für mich persönlich ist "Nightmares" definitiv einer der heißesten Kandidaten für meine Jahrescharts.
The Nightmare, feat. Francis Tobolsky (WUCAN)
https://www.youtube.com/watch?v=I5Kba2Rp2ug
To Take A Life
https://www.youtube.com/watch?v=UNLL2AbtNlo
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle