SPRINGSTEEN, BRUCE - Letter To You
Mehr über Springsteen, Bruce
- Genre:
- Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Columbia
- Release:
- 23.10.2020
- One Minute You're Here
- Letter To You
- Burnin' Train
- Janey Needs A Shooter
- Last Man Standing
- The Power Of Prayer
- House Of A Thousand Guitars
- Rainmaker
- If I Was The Priest
- Ghosts
- Song For Orphans
- I'll See You In My Dreams
Der Boss und die E Street Band sind zurück!
Wenn es auch sonst schwer fällt, dem Jahr 2020 positive Aspekte abzugewinnen, so segnet uns der Boss wenigstens wieder mit einem echten Bandalbum! Ja, richtig gelesen, nach einigen Jahren von eher im Alleingang aufgenommen Alben, der Show auf dem Broadway und dem doch eher ruhigen und cineastischen Album "Western Stars" hat BRUCE SPRINGTEEN erstmalig seine E Street Band wieder ins Studio beordert und mit ihnen den ersten gemeinsamen Langspieler seit "High Hopes" aus dem Jahre 2014 eingezimmert. Bleibt nur die Frage, ob Springsteen und seine langjährigen Mitstreiter auch im gesetzen Alter noch ihre Magie abrufen können.
Der Einstieg mit 'One Minute You're Here' fällt allerdings erst einmal etwas verhalten aus und klingt wie ein Überbleibsel aus den "Western Stars"-Sessions. Springsteen beabsichtigte dies durchaus und plante den Track als Übergang zwischen beiden Projekten, dennoch wirkt die getragene Komposition im Vergleich zu famosen Openern wie 'Radio Nowhere' (aus dem Album "Magic") doch eher zu verhalten. Doch schon das folgende 'Letter To You' zeigt auf, dass wir es hier mit einer der besten Rockbands aller Zeiten zu tun haben, die Springsteen auf dem neuen Album ohne jegliche Einschränkungen von der Leine gelassen hat. Geschrieben in etwas mehr als einer Woche, nahezu vollständig live im Studio eingespielt in unter sieben Tagen und ohne jeglichen Demos vorab sprüht das Songmaterial nur so vor Spontanität und fängt die Genialität, die diese Musiker gemeinsam regelmäßig auf den Bühnen dieser Welt präsentieren, perfekt ein.
So richtig startet die Scheibe nach den beiden eröffnenden Kompositionen, die eher eine Einführung in die Thematik rund um Tod und Vergänglichkeit sind, mit dem räudigen und kantigen 'Burnin' Train', das so auch wunderbar auf "Magic" gepasst hätte. Doch auch dieser Song ist nur der Auftakt zu einem Feuerwerk von Highlights, das sich untypischerweise im Zentrum der Scheibe findet. So ist 'Last Man Standing' eine Hymne an Springsteens erste Band THE CASTILES und den verstorbenen Mitstreiter George Theiss, dessen Tod den Boss erst zum Schreiben dieser Scheibe inspirierte. Das wunderschöne 'House Of A Thousand Guitars' beschwört lyrisch den Geist der E Street Band und ihrer Rock'n'Roll-Welt, die sie allabendlich auf der Bühne erschaffen, herauf, während 'Rainmaker' auch auf "The Rising" eine hervorragende Figur gemacht hätte. Mit 'Ghosts' folgt schlussendlich der große Rocker mit ausladendem Chorus, der praktisch dafür geschrieben ist, dass ihn tausende Kehlen in einem Stadion mitsingen, der dabei aber nie zu einem stumpfen Klischee verkommt. Generell gelingt es Springsteen auf "Letter To You" meisterhaft die eigene Vergangenheit zu zitieren, gleichzeitig aber nie wie eine übermäßig bemühte Kopie seiner selbst zu klingen. Bestes Beispiel für diese Gratwanderung zwischen jugendlicher Leichtigkeit und Altersweisheit sind die drei Nummer 'Janey Needs A Shooter', 'If I Was The Priest' und 'Song For Orphans' die allesamt bereits in den Siebziger geschrieben wurden, sich aber in der frischen Interpretation der E Street Band perfekt ins Gesamtbild dieses Albums einfügen und nur in den lyrischen Ansätzen noch Springsteens jüngeres Ich durchscheinen lassen.
So bleibt unter dem Strich nur festzuhalten, dass "Letter To You" ganz klar das beste SPRINGSTEEN-Album seit "The Rising" geworden ist und einen Songwriter und Musiker präsentiert, der es auch nach Jahrzenten im Business und im stolzen Alter von 71 vermag, seinem typischen Sound noch frische Aspekte abzugewinnen, ohne seine Fans vor den Kopf zu stoßen oder künsterlisch auf der Stelle zu treten. Doch wenn wir ehrlich sind, wem sollte dieses Kunstrück sonst gelingen, wenn nicht dem unzerstörbaren Boss und seiner "heart stoppin', pants droppin', earth shockin', hard rockin' legendary" E Street Band.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Tobias Dahs