STRATOVARIUS - Survive
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2022
Mehr über Stratovarius
- Genre:
- Melodic Power Metal
- ∅-Note:
- 8.75
- Label:
- earMusic / Edel
- Release:
- 23.09.2022
- Survive
- Demand
- Broken
- Firefly
- We Are Not Alone
- Frozen In Time
- World On Fire
- Glory Days
- Breakaway
- Before The Fall
- Voice Of Thunder
Überlebenskünstler - oder: Was Power Metal mit Klimaschutz zu tun hat.
38 Jahre Bandgeschichte, und kein bisschen müde! STRATOVARIUS ist ein Phänomen, das müssen auch Kritiker der skandinavischen Power-Metal-Allianz anerkennen. Die Tatsache, dass man sich mit dem 16. Studioalbum über sechs Jahre Zeit gelassen hat, zeigt aber auch, dass es die Truppe um die langjährigen Mitglieder Timo Kotipelto und Jens Johansson mittlerweile etwas ruhiger angehen lässt und man auch längst in anderen Betätigungsfeldern unterwegs ist. Musikalisch ist STRATOVARIUS jedoch nach wie vor relevant, das wurde nach dem Chaos der ausgehenden Tolkki-Ära spätestens mit dem fulminanten 2013er Werk "Nemesis" eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Nach dem ebenfalls ordentlichen, aber nicht ganz so spektakulären Nachfolger "Eternal" liefert der Fünfer mit dem prägnant betitelten "Survive" nun wieder ein eingängiges, druckvolles Lebenszeichen, das nicht nur den Vergleich mit den übrigen Alben der Post-Tolkki-Ära nicht zu scheuen braucht, sondern auch gekonnt die Brücke zu den Frühwerken der Band schlägt. Und nicht nur das: Inhaltlich beziehen die Veteranen, in deren Texten Umweltschutz und Gesellschaftskritik seit je her eine Rolle spielen, ganz klar Stellung und liefern 2022 quasi den metallischen Soundtrack für die Klimaschutzbewegung der jungen Generation.
Doch eins nach dem anderen. Ehe wir uns versehen, bläst uns die Truppe zunächst mit dem kernig-kompakten Titeltrack aus den Socken: treibendes Schlagzeug, sattes Power-Riffing, transparanter Sound und ein richtig cooler Prä-Chorus reißen direkt mit. Der eigentliche Kehrvers fällt mir mit den Oohoo-Singalongs etwas kitschig aus, tatsächlich stimmt das Gesamtpaket aber und weckt die Freude auf das restliche Album. Weiter geht es mit 'Demand', nun mit den obligatorischen Cemballo-Sounds über der E-Gitarre, dem wie ich finde unbestechlich präzisen Schlagzeugspiel Rolf Pilves und einem nach wie vor bestens aufgelegten Timo Kotipelto. Starke klassische STRATOVARIUS-Arbeit also bei den ersten beiden Nummern. Highlight Nr. 3 im Anschluss ist mit 'Broken' ein Song, der eher die Neuzeit der Band widerspiegelt, mit ungewöhnlicher Rhythmik beim Vers und einer schönen Überleitung zu einem schließlich phänomenal festlichen Refrain, bei dem mit Sicherheit Jani Liimatainen wieder seine Finger im Spiel hatte. Nach diesen ersten drei Songs steht bereits fest, dass "Survive" Fans begeistern und Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen dürfte.
Ausgerechnet zwei weitere Vorabauskopplungen, namentlich 'Firefly' und 'World On Fire', stellen die unspektakulärsten Stücke auf "Survive" dar; ersteres ein fetzendes, flottes Liedchen mit einem irgendwie belanglosen Refrain, letzteres ein Song, der solide komponiert wurde, aber zu keiner Zeit überraschen kann. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass alle anderen Stücke voll überzeugen können: Egal ob ein typischer STRATOVARIUS-Midtempo-Mutmacher wie 'We Are Not Alone', das tragische und ans phänomenale 'Castles In The Air' angelehnte 'Frozen In Time', die an glorreiche "Infinite"-Zeiten erinnernde Optimismushymne 'Glory Days' und das nachdenkliche und zugleich unbeschreiblich ermutigende, pushende 'Breakaway' - überall klasse Ohrwurmmelodien, kurzweilige kompositorische Schlenker, die perfekte Balance aus knalligen Riffs und herzerwärmender Einfühlsamkeit, auch wenn diesmal ein absoluter Top-Hit fehlen mag.
Was ist noch charakteristisch für "Survive"? Nun, ich fühle mich erstmals seit langer Zeit wieder an eine Ur-Veröffentlichung namens "Fourth Dimension" erinnert, in Sachen Soundeffekten sowie kompositorischer und inhaltlicher Ausrichtung. Hört euch mal wieder 'Galaxies' oder 'We Hold The Key' an, dann wisst ihr was ich meine. Aber auch spätere Glanztaten wie jene auf den beiden Meisterwerken "Infinite" und "Nemesis" klingen auf "Surive" immer wieder an. Longtracks wollen STRATOVARIUS allerdings nicht mehr so recht gelingen; das epische Trio 'Visions', 'Destiny' und 'Infinity' wurde qualitativ seit 20 Jahren nicht mehr erreicht, auch wenn 'Voice Of Thunder' (ebenso wie 'Emancipation Suite' oder 'Lost Saga' auf den letzten Platten) an sich kein schlechter Song ist. "Nemesis" hat jedoch gezeigt, dass ein Album ohne unspektakulären Epic-Klotz noch stärker ausfallen kann. Und: Ich habe ja die Hoffnung, dass er nicht darauf angewiesen ist, doch die häufigere Verwendung von Effekten auf Kotipeltos Stimme wirkt in meinen Ohren eher störend und könnte so verstanden werden, dass sein Gesangsorgan allmählich in die Jahre kommt. Den Kitschfaktor bei STRATOVARIUS zu kommentieren ist eher müßig; auch "Survive" beinhaltet ein paar klebrig-süßliche Momente, die aber selten störend auffallen.
Fazit: "Survive" schlägt den Vorgänger "Eternal" klar, ist vermutlich nach "Nemesis" das zweitstärkste Album der Post-Tolkki-Ära und zeigt die Band in Topform! Ich hätte es nicht erwartet, doch die Herren schaffen es, trotz voranschreitenden Alters ihren Sound zeitgemäß zu halten und zugleich ihre Identität zu bewahren, dabei aber vor allem auch weiterhin starke Songs zu schreiben und die Lust auf Live-Auftritte immer wieder neu zu wecken. Saubere Arbeit!
Anspieltipps: Surive, Demand, Broken, Breakaway
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Timon Krause