STREAM OF PASSION - A War Of Our Own
Mehr über Stream Of Passion
- Genre:
- Progressive Symphonic Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- [PIAS]
- Release:
- 18.04.2014
- Monster
- A War Of Our Own
- The Curse
- Autophobia
- Burning Star
- For You
- Exile
- Conga Bingo
- Earthquake
- Secrets
- Don't Let Go
- Out Of The Darkness
- The Distance Between Us
Mit Marcela Bovio zum Höhepunkt der Leidenschaft!
Die mexikanische Sängerin Marcela Alejandra Bovio García wurde von AYREON-Chefdenker Arjen Lucassen entdeckt, als dieser damals die Welt nach neuen, unbekannten und frischen Stimmen durchsiebte. Frau Bovio zog das Glückslos und durfte die Rolle der "Wife" auf dem vielbeachteten Album "The Human Equation" spielen. Nun habe ich aber so komische Ohren, dass ich selbst meine Lieblings-Sänger auf AYREON-Alben nicht immer zielsicher erkenne und gerade die Frauenstimmen sind dort ja alle irgendwie engelsgleich. Doch will die Forscherseele immer Neues und Exotisches entdecken, und wenn Lucassen schon frisches Blut aus Mexiko ausgräbt, will ich dann schon mehr wissen und stoße auf ELFONÍA. Und diese Band hat mich auf Anhieb verzaubert, in Retrospektive sogar mehr als jedes AYREON-Album. Das selbstbetitelte Debüt aus 2003 mit seinem düsteren Progressive Rock, gewürzt mit Folk- und Ambient-Elementen und unter die Haut gehenden Stimmen, ist für mich eine der besten hundert Scheiben aller Zeiten.
Nun gehört es zu den Absurditäten meines Musiksammler-Lebens, dass ich Marcelas eigener Band STREAM OF PASSION bislang kaum Beachtung geschenkt habe. Aber vielleicht kennt ihr ja diesen Trugschluß, dass nach einem perfekten Album eines Künstlers einfach nichts Weiteres mehr folgen könne, und deshalb wird sein Folgewerk beiseite gelegt oder auf die lange Bank geschoben. Bei mir ist das oft so. Aber das ist natürlich totaler Unsinn. Dennoch muss ich jetzt eben erst über Umwege zu Marcelas toller Musik zurückfinden.
Nun hat sich in den letzten Jahren vieles im Bereich der Medien geändert, soziale Netzwerke sind das große Ding, gerade für kleinere Bands, und bieten die Gelegenheit auf sich aufmerksam zu machen. Das hat auch (Facebookjunkie?) Marcela erkannt, und so sind wir "Facebookfreunde" geworden. Und über dieses schlimme, zeitfressende und süchtig machende Medium höre ich Song-Schnipsel und kurze Studioeindrücke von den Aufnahmen von "A War Of Our Own". Seitdem steigert sich meine Erwartung auf das Album in Unermessliche. Was dort zu hören ist, ist mehr als ein Appetizer, es ist Quälerei. Es wird - wie bei ELFONÍA - wieder spanisch gesungen. Hurra! Aber wie klingen diese Vocaltracks mit der vollen Band? Und wie gehen diese Songs weiter? Und ist alles so gut, wie die Spoiler versprechen?
Da sich die Lieferung der Promo-CD verzögert, ist die Ungeduld nach vergeblichen enttäuschenden Briefkasten-Gängen unerträglich, doch der Opener 'Monster' kommt schließlich einer gewaltigen Detonation der aufgestauten Spannung gleich. Der Sound ist sehr modern und druckvoll. Die unaufdringlich-komplexen und leicht verschachtelten Rhythmen erinnern an "Dead End Kings"-KATATONIA (nicht nur beim Opener übrigens), eine traurige Piano-Melodie setzt erste Akzente, und wenn Marcelas Traumstimme ertönt, ist alles auf dieser Welt ganz ganz weit weg. Beim Refrain öffnet sich der Sound, und die feinfühlige Orchestrierung trägt Marcelas Stimme hinauf auf den Olymp und weit darüber hinaus. "You become a monster", gesungen mit einer Kraft, Klasse und Dominanz in der Stimme, wie es in dieser Tonlage niemals ein männlicher Vertreter der Zunft hinbekommen wird. 'Monster', ein Auftakt in ein Album, das vom Höhepunkt zu Höhepunkt jagt.
Wie schafft es Frohnatur Marcela, soviel Pathos, Sehsucht und Melancholie in ihre Stimme zu legen? Nun, die Zeiten vor der Veröffentlichung von "A War Of Our Own" waren nicht die besten für STREAM OF PASSION. Ärger mit dem Label, Frustration, Ausweglosigkeit stehen im Kontrast zur darauf folgenden Befreiung und dem Gefühl, dass die Türen und Tore wieder offen stehen. Dieses nach einem Tiefpunkt folgende "The Sky Is The Limit"-Gefühl ist genau das, was Marcela und ihre Band hier perfekt vertonen. Der Klang ist umwerfend, brillant, zukunftsweisend. Und das ist kein Wunder, denn Produzent und STREAM OF PASSION-Arrangeur Jost van den Broek hat schon eine andere perfekte Dame - Floor Jansen - mit REVAMP klangtechnisch in den Himmel gehoben. Der kann das. Jeder Ton ist im Sinne der Sängerin konzipiert, die Musik schmiegt sich jederzeit so geschickt an die Fähigkeiten der Künstlerin an, dass hier das maximal Mögliche aus ihr herausgeholt wird. Und so schafft es Marcela, bei jedem, wirklich jedem Song, große Momente zu erschaffen. Dennoch gibt es auch auf diesem Album ein paar Primi inter pares. Neben 'Monster' ist das 'Conga Bingo', der spanische Song, der mir schon in der Facebook-Spoiler-Version Gänsehaut verschafft hat. Aber wenn diese Sängerin solch traurige Themen wie den tragischen Tod eines krebskranken dreijährigen Mädchens ('Secrets'), die Verzweiflung der Menschen, die ihr Heimatland wegen eines Krieges verlassen müssen ('Exile') oder aber die schlimmen Verhältnisse in ihrem Heimatland (Drogenkrieg und Korruption) thematisiert, darf man als Hörer auch gerne mal emotional aufgewühlt sein. Ganz besonders bei 'Don't Let Go', dem zweiten Song der Spoiler, der verzweifelten und einsamen Menschen Mut zusprechen soll. Absolut ergreifend!
Kommen wir zum schwierigsten Teil der Rezension, nämlich der Zahl darunter. Die allermeisten Dinge kann man meines Erachtens im Stil "Progressive Symphonic Metal" nicht besser machen. Aber es gibt zwei, drei Songs, denen vielleicht noch ein klitzekleiner Extraspritzer Zitronensaft fehlt, um mit den selbst erschaffenen Highlights ('Monster', 'A War Of Our Own', 'Conga Bingo', 'Don't Let Go') mithalten zu können. Zudem ist Marcela Bovio eine Sängerin, der ich zutraue, in den nächsten Jahren NOCH besser zu werden. Dann müsste man die Notenskala erweitern. Das geht allerdings nicht.
Abseits aller Zahlenspielchen soll jedoch nur eine Botschaft hängen bleiben, die lautet: "A War Of Our Own" ist Pflicht für Fans von Musik mit weiblichen Vocals!
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Thomas Becker