SUM41 - Chuck
Mehr über Sum41
- Genre:
- Punkrock
- Label:
- Island
- Release:
- 11.10.2004
- Intro
- No Reason
- We're All To Blame
- Angels With Dirty Faces
- Some Say
- The Bitter End
- Open Your Eyes
- Slipping Away
- I'm Not The One
- Welcome To Hell
- Pieces
- There's No Solution
- 88
- Unnamed
Ich gebe zu, dass ich zunächst sehr skeptisch war. Ich hatte mir die gesamte Disk online angehört, doch das ist sicher nicht gerade die beste Art und Weise, in ein Album einzusteigen. Dabei war mir nur eines zunächst im Gedächtnis geblieben: die ruhigeren Lieder. Nach einem druckvollen Album wie "Does This Look Infected" waren diese allesamt eine Enttäuschung. Alles andere klang beim ersten Durchlauf so wie frühere Lieder und bekam automatisch erstmal das Prädikat "belanglos". Und noch etwas war auffällig: Die Stimme von Frontshouter Deryck Whibley klang überwiegend klar und kontrolliert.
Dies ließ nur einen Schluss zu: SUM 41 werden erwachsen. Und erliegen womöglich durch Ideenlosigkeit dem BLINK-182-Syndrom.
Aber weit gefehlt! Denn auch wenn sich die Kanadier hier in Sachen "melodischer Refrain" aufs Neue selbst übertreffen, benötigt es ein paar Durchläufe, um die Ecken des Albums auszuleuchten, die es vom Durchschnitt zum Bestseller machen. Klang 'We're All To Blame' anfänglich noch nach einer sehr fragwürdigen ersten Single, so stellt man bei komplettem Hörgenuss überrascht fest, von welcher Wut der balladeske Chorus eingerahmt ist. Und selbst in den SUM 41-typischen Liedern mit ihren kaum auszuhaltend ohrwurmigen Refrains lässt sich nun jede Menge Abwechslung finden. Allerdings ist, was das angeht, eines neu im Vergleich zu allen bisherigen Alben der Band: Man bedient sich gern mal an den Merkmalen anderer Bands. Das schon erwähnte 'We're All To Blame' wartet mit einem absoluten SYSTEM OF A DOWN-Gitarrenriff auf. 'Welcome To Hell' ist einfach nur das BAD RELIGION-Lied schlechthin, und 'There's No Solution' erinnert sogar stark an LINKIN PARK. Von Diebstahl kann allerdings keine Rede sein, denn die genannten Lieder sind allenfalls Aushängeschilder statt Erniedrigung für die entsprechenden Bands und für SUM 41 tut es der Qualität auch keinen Abbruch. Zu schwach bleiben die Parallelen.
Die einzigen, bei denen es SUM 41 übertreiben, sind sie selbst. Ihnen scheint 'Handle This' vom "All Killer No Filler"-Album so gut gefallen zu haben, dass sie es glatt in leicht verändertem Gewand mit dem Namen 'Some Say' auf die neue Platte packten.
Das klingt nun alles sehr ideenlos, dies ist jedoch das Einzige, neben der punk-typischen kurzen Laufzeit des Albums, was man überhaupt als "negativ" betiteln könnte. Wirkliche Tragweite haben diese kleinen Auffälligkeiten nicht.
Bei den positiven Aspekten sieht das schon ganz anders aus. Wie eingangs schon erwähnt, baut das neue SUM 41-Werk auf die Weiterentwicklung von bewährten Rezepten. So revolutionär und monopolistisch die Band mit ihrem Sound mittlerweile auch ist, rein musikalisch bewegt man sich auf geradezu konservativen Pfaden. Man könnte bei der Soundentwicklung eher von einer Reform denn einer Revolution sprechen. Der große Trumpf daran ist, dass diese Reformen bisher immer wieder absolut ins Schwarze trafen.
Und letztlich macht sich nun auch eine Eigenschaft auf der Scheibe so auffällig breit, dass sie selbst der griesgrämigste Kritiker nicht verleugnen kann: SUM 41 machen zu einem beachtlichen Teil puren Heavy Metal. Nicht umsonst wird der Song 'Pain For Pleasure' seit Jahren von der Band als letztes Lied gebracht, statt einer der massentauglichen Singles. Zwar gingen diese Einflüsse auf "Does This Look Infected" etwas unter, doch das Konzept, blanke Metal-Portionen in die Lieder zu mischen, durchzieht das gesamte aktuelle Album. Erstmals auffällig wird dies bei 'We're All To Blame'. Mit 'The Bitter End' befindet sich sogar ein reiner Metalsong auf dem Album. Und selbst das zunächst sehr melodisch frische '88' gerät völlig überraschend zur Knüppelattacke, die selbst METALLICA-Fans ein anerkennendes Lächeln abgewinnen kann. Zwangsläufig ist man nach einigen Durchläufen versucht, den Refrain von 'Angel With Dirty Faces' auf sich selbst als Hörer zu beziehen: "Now it's got a hold of me …"
Also bleibt alles anders! SUM 41 koppeln ihre vierte Scheibe aus. Wie immer legen sie sich dabei nicht aufs Maul. Wie immer wird der Hörer süchtig nach dem Vierzig-Minuten-Adrenalien-Schub. Und wie immer schafft man es sich weiterzuentwickeln, auf dem ohnehin eigenen Territorium, von dem man schon vor langer Zeit die Steigbügelhalter BLINK 182 verdrängt hat. SUM 41 loten ihre Reichweite in Richtung Heavy Metal mit 'The Bitter End' aus und sorgt damit genre-übergreifend für Veränderungen. So muss die Heavy-Metal-Szene diese Band widerwillig als ein Randstück ihres Gebiets eintragen lassen, und die Punkszene, so häufig sie den Kanadiern auch Kommerz vorwirft, einsehen, dass sie als Unikat durchgehen, wenn es um Weiterentwicklung im Punk geht.
Die entgegengesetzte Richtung ist der Balladen-Pop mit 'Slipping Away', bei dem sogar Streichinstrumente zum Tragen kommen. Vielleicht hätte man sich dies auch sparen können, dennoch verleiht es dem Album zusätzliche Dynamik.
Letztlich werden SUM 41-Fans begeistert sein und Metalheads überrascht.
Anspieltipps: We're All To Blame, The Bitter End, 88, eigentlich alle nicht-ruhigen Lieder
- Redakteur:
- Michael Langlotz