SVIN - Virgin Cuts
Mehr über Svin
- Genre:
- Experimental / Avantgarde / Progressive
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Mom Eat Dad Records
- Release:
- 21.09.2018
- Cuts
- Ringgajen
- Tropisk
- Coral 1
- Midori
- Jōmon
- Altiplano
- Moss
- Baby
Feindliche Wälder und Tapirschnauzen in Eierlikör.
Es gibt Musik, die kannst du gut mit Freunden hören. Oder der Freundin. IRON MAIDEN zum Beispiel. Es gibt auch auch Musik wie die von SVIN, die hörst du lieber alleine. Es sei denn, du hast Kumpels, die auch gerne so durchgedrehtes Zeug hören, aber solche Menschen gibt es glaube ich nicht so viele.
Mich erwischt SVIN diesmal beim Joggen. 'Coral 1' ist eine klaustrophobische Klangkollage mit schrillen (Saxophon?)-Tönen. Irgendwann verkündet eine bestimmende Frauenstimme die Warnung: "Six, Eight, Nine, tall flowers and tall grass". Mein Jogging-Pfad wird enger, das Gras wächst tatsächlich. Nach fünf Minuten habe ich leichte Panik. Zur Hölle, wo bin ich hier gelandet? Dieser Wald ist mein Feind! Ich glaube, das Schwein hat erreicht, was es wollte.
Es gibt aber auch zugänglichere Songs von SVIN. Mit richtigem Rhythmus und so. Ich bin dankbar, denn dieser umrahmt dann das Konglomerat an allen möglichen und unmöglichen Tönen, die bei genauem Hinhören jede Menge fantastische Bilder im Hirn entstehen lassen. Tiere, die du nie zuvor gesehen hast, mit Rüsseln und Tentakeln, Tapirschnauzen in Eierlikör, faszinierend, belustigend und beängstigend. Sie quieken und jaulen ihre Melodien von unerhörter Schrägheit in Tiefsee und Weltraum. Hier wird also tatsächlich mal ausprobiert, was so ein Synthesizer alles an Tönen erzeugen kann. Bei Tracks wie dem total verwuselten 'Ringgajen' kann man auch schon mal verrückt werden. Manchmal gibt es aber auch angenehm Entspanntes ('Midori'), während die anschwellende Noise-Orgie 'Altiplano' selbst für Avantgardisten herausfordernd avantgardistisch sein könnte.
Auf faszinierende Weise entzieht sich SVINs Musik somit für mich von einem wertenden Urteil, ich kann nicht einmal sagen, ob sie mir gefällt oder nicht. Aber sie ist definitiv außergewöhnlich und bewusstseinserweiternd und zu keinem Moment langweilig. Ich höre sie mit dem Interesse eines Biologen, der eine neue Kreatur entdeckt und versucht, diese phylogenetisch einzuordnen. Damit ist "Virgin Cuts" schon wieder deutlich anders als die beiden Vorgänger, die ich auch für dieses Magazin rezensieren durfte. "Virgin Cuts" ist wieder deutlich experimenteller als das vergleichsweise fast zugänglich wirkende "Missionaer". Mein Favorit bleibt aber "Svin", weil man hier fühlen konnte, dass eine echte Band spielt, während "Virgin Cuts" in erster Linie ein völlig durchgedrehtes Klangexperiment ist. Deshalb ist eine Note hierfür auch relativ irrelevant. Wer für SVIN geschaffen ist, wird diese Musik schon finden.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Thomas Becker