TAAKE - Kong Vinter
Auch im Soundcheck: Soundcheck 11/2017
Mehr über Taake
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Dark Essence / Plastic Head / Soulfood
- Release:
- 24.11.2017
- Sverdets Vei
- Intrenger
- Huset I Havet
- Havet I Huset
- Jernhaand
- Maanebrent
- Fra Bjoergegrend Mot Glemselen
Hoest präsentiert die Nebelkrähe mit großem Gespür für faszinierende musikalische Details.
Auf Herrn Herbst aus Bergen ist Verlass, wenn es darum geht, schnörkellosen norwegischen Black Metal in der besten Tradition der zweiten Welle, in eben jenem ästhetischen und tonalen Gewand, garniert jedoch mit punkrockigem Drive und kalter, winterlicher Atmosphäre, sowie mit einem untrüglichen Gespür für markante Sounds zu zelebrieren. Genau das macht er nämlich in steter Regelmäßigkeit, alle drei Jahre auf Tonträger gebannt, und seine Mission gelingt Meister Hoest nun auch auf dem siebten Studioalbum seiner Band TAAKE sehr gut.
Wie immer sind es sieben neue Songs, die uns auf "Kong Vinter" serviert werden, und diese präsentieren TAAKE gewohnt rau mit garstigem, widerborstigem Sound, und schroffen, monolithischen Gitarrenriffs und hallendem Schlagwerk. Hoest, der für Gesang und alle Instrumente selbst verantwortlich zeichnet und dieses Mal keine illustren Gäste ins Studio gebeten hat, weiß das abzuliefern, was sich seine Fans von ihm wünschen, und sicherlich wird man seinem Schaffen und vor allem der Musikalität einer TAAKE-Scheibe nicht gerecht, wenn man das alles auf Hoests bisweilen provokative Attitüde und das Repetieren eines archaischen Erfolgsmusters reduziert, denn genau das findet bei TAAKE nicht statt.
Das merkt man unter dem Kopfhörer und bei intensiver Befassung mit der Scheibe schon direkt beim großartigen Opener 'Sverdets Vei', der das Album mit einer eingestöpselten Gitarre, Buzz-Tone, kurzem Einzählen mit dem Drumstick, einem herrlich pumpenden Bass und einem knochentrockenen Riff eröffnet. Danach bringt das Stück in seinem Blizzard aus flirrenden Rhythmusgitarren auf einer weiteren Ebene einen völlig einzigartigen rockigen Groove ein, der mit zahlreichen Tempowechseln und dem einen oder anderen samtig-gruftigen Darkwave-Leadgitarrenpart ganz spezielle Akzente setzt, die in dieser Form sicherlich alles andere sind als ein 90er-Black-Metal-Replikat von der Stange.
Nahezu nahtlos geht der Opener in 'Inntrenger' über, das sich in Sachen rasenden Hauptriffs und tritonaler Disharmonie zunächst etwas mehr dem Frühneunziger-Standard zu nähern scheint, sich dann aber umgehend in ein sehr spannendes kompositorisches Experiment verwandelt, das mit vielen unverhofften Breaks und Tempowechseln aufwarten kann. Am wuchtigen und vielseitigen Schlagzeug vollführt Hoest einige bizarre Wendungen und durch seine getragenen und aufs erste Hören auch verquer wirkenden Segmente mit zähen CELTIC FROST-Anfügen auf der Gitarre bekommt das Stück eine ganz besonders fesselnde Würze.
Ob Hoest ein Haus im Meer hat, oder das Meer im Haus, das wissen wir nicht, doch offenbar widmet er dieser zentralen Frage das folgende Songdoppel mit den beiden Siebenminütern 'Huset I Havet' und 'Havet I Huset' deren ersterer sich sehr getragen und schwarzdoomig entwickelt und sowohl durch die donnergrollenden Paukenschläge als auch durch einige ebenso markante wie auch melodische Gitarrenleads markant verankert; bis er nach gut viereinhalb Minuten Spielzeit plötzlich unerwartet mächtig an Fahrt aufnimmt. Demgegenüber prischt der ungleiche Zwilling gleich zu Beginn flott und mit melodischem Riff fast verspielt los, zelebriert dann einige wunderbare DARKTHRONE-artige Breaks, die wie ein knallender Peitschenhieb einschlagen, bevor eine ganze Weile eine klagende Strumming-Leadmelodie vor rauschendem Feedback alleine ihre Klageweise künden darf, um dem vollen Instrumentarium und einem herrlich mitreißenden Nordland-Drive Platz machen zu können. Doch auch hier ist die Geschichte des Songs längst nicht auserzählt, denn immer wieder kommt ein völlig unerwarteter Twist, eine bizarre Feinheit, eine faszinierende Facette, die TAAKE so progressiv zeigt wie nie zuvor.
Es passiert auf 'Kong Vinter' tatsächlich irrsinnig viel in allen Songs, selbst ein von seiner Grundausrichtung her rasender Black'n'Roller wie 'Jernhaand' hat beim genauen Hinhören viel Tolles und Einzigartiges zu bieten; einige harmonische Stimmungswechsel, ein wenig bluesiges Leadgitarrenspiel, das durch all die harschend und brachialen Tremoloparts hindurchstrahlt, sowie ein markanter Bollerbass, den man in Schwarzheimerkreisen ja allzu oft gar nicht wahrnehmen kann. Auch das folgende 'Maanebrennt' folgt im Grunde einer fanatisch rasenden Grundausrichtung, besticht jedoch mit völlig genialen Breaks, bietet einige scharfe Gitarrenslides und Flageoletttöne auf, die dem Song einen sehr experimentellen Charakter verleihen, der vom funkigen Fiepen bis zu postrockigen Soundscapes allerlei Dinge zu bieten hat, die man von TAAKE nun wirklich nicht erwartet hätte. Das Beste daran: Obwohl diese Dinge bei genauem Zuhören da sind und eine faszinierende Wirkung haben, ändern sie doch gar nichts daran, dass das hier alles unverkennbar nach Hoest und archaisch-wütender norwegischer Schwarzkunst klingt.
Das bringt zum Abschluss dann auch noch der Hinausschmeißer 'Fra Bjoergegrend Mot Glemselen', der auf faszinierende Weise anders aber doch absolut passend ist. Es handelt sich um ein gut zehnminütiges Instrumental, das von Tempowechseln, Rhythmusvariationen, spannenden Bassfiguren, feinen Drumfills und einer gigantischen Palette von großartigen Melodielinien nur so wimmelt und beweist, was für ein toller und einfallsreicher Musiker Hoest ist. Vor diesem Hintergrund ärgert es mich umso mehr, wenn ich immer wieder höre, wie oft TAAKE der verdiente Status in der hohen Halle des Black Metals nicht gegönnt oder gar abgesprochen wird. Hoest präsentiert die Nebelkrähe anno 2017 mit großem Gespür für faszinierende musikalische Details, und "Kong Vinter" ist auf jeden Fall eine großartige und unheimlich spannende Platte, der man indes Zeit und Aufmerksamkeit widmen sollte, um nicht zu schnell falsche Schlüsse zu ziehen. Die Scheibe wird euch belohnen, wie sie mich belohnt hat, und inzwischen geht die Tendenz meiner Wertung auch nochmals klar ein Stück weiter nach oben in Richtung der Neun.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle