TANGENT, THE - To Follow Polaris
Auch im Soundcheck: Soundcheck 05/24
Mehr über Tangent, The
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- InsideOut/Oktober
- Release:
- 10.05.2024
- The North Sky
- A ‘Like’ In The Darkness
- The Fine Line
- The Anachronism
- The Single (From A Re-Opened Time Capsule)
- The North Sky [Radio Edit]
- Tea At Betty's
Soloalbum einer Band.
Seit über 20 Jahren gibt es schon die Progressive-Rock-Band THE TANGENT. Aber kann man derzeit überhaupt von einer Band sprechen? Weil die übrigen Mitglieder mit anderen Projekten beschäftigt waren, spielte Keyboarder und Sänger Andy Tillison das neue Album "To Follow Polaris" im Alleingang ein und übernahm auch alle weiteren Aufgaben über die Produktion bis hin zum Artwork. Die Gruppe besteht aber weiter. Diese Informationen zur Entstehung der Scheibe mögen ausreichen, da hier nicht der Promozettel abgeschrieben werden soll, wie andernorts geschehen. Es bleibt nur die Frage, was Tastenmann Tillison händig gespielt und was synthetisch generiert hat. Die vorliegenden, etwas blumig formulierten Informationen kann man so lesen, dass er den in der Tat sehr plastisch klingenden Bass und die - für ein Rockalbum jedoch eher spärlichen - Gitarren wirklich gespielt hat, während das Schlagzeug vermutlich und die gelegentlich auftretenden Bläser wahrscheinlich synthetisch sind.
"To Follow Polaris" enthält den TANGENT-typischen Progsound mit etwas stärkeren Jazz- und etwas geringeren Poptendenzen. Die Musik des Albums strahlt streckenweise eine Leichtfüßigkeit und Heiterkeit aus, die an die FLOWER KINGS erinnert. Dass es zwischen beiden Gruppen personelle Überschneidungen gab und gibt, ist wohl nicht ohne Wirkung geblieben.
Das Album legt mit einem der besten Stücke los, das ich 2024 bisher kennengelernt habe. 'The North Sky' kombiniert auf hervorragende Art detailreich ausgefeilten Prog Rock mit schönen, eingängigen Melodien. Die Jazzabschnitte nerven hier wie auch bei einigen anderen Nummern nicht mit avantgardistischer Wichtigtuerei, sondern verbinden Anspruch und Zugänglichkeit in einer Art und Weise, die an CHICAGO erinnert. Warum sich aber neben der vollständigen, über elfminütigen Fassung auch noch ein auf die liedhaften Teile mit unter vier Minuten kleingesäbelter Edit auf dem Album befindet, erschließt sich mir nicht. Damit werden normalerweise nur Radiohörer abgespeist.
Etwas düsterer und nachdenklicher wirkt 'A Like In The Darkness' und geht in einen ruhigen und reduzierten Mittelteil mit Saxophon und akustischer Gitarre über, aus dem sich eine mächtige Orgel erhebt, die an EMERSON, LAKE & PALMER denken lässt. Dagegen erweist sich 'The Fine Line' als heiterer Jazzrock, der in seiner Eleganz und Lässigkeit an STEELY DAN erinnert und mit seiner mitsingfähigen Titelzeile zugänglich bleibt.
Und dann folgt mit satten 21 Minuten das monumentale Opus 'The Anachronism'. Diese Prog-Symphonie bietet eine große Bandbreite an stilistischen Schwerpunkten, Sounds und Stimmungen, bis schließlich im synthielastigen Finale wieder der 'North Sky' besungen wird, und bleibt dabei stringent. Nie hat man das Gefühl, dass hier wahllos irgendwelche herumliegenden Skizzen zusammengeprügelt worden sind. Das lockere 'The Single', mit seinem Wechselgesang, unterschreitet als einziges eigenständiges Stück sechs Minuten Spielzeit und hat genau dies zum Thema. Für Jazzpuristen folgt schließlich 'Tea At Betty's'. Dieses finale instrumentale Dickschiff mit Klavier, Orgel, mutmaßlich Standbass, gedämpftem Schlagwerk und Blechbläserklängen hat mit Rock kaum noch etwas zu tun.
THE TANGENT beziehungsweise Andy Tillison ist mit "To Follow Polaris" ein sehr starkes, vielseitiges, melodisches wie gehaltvolles Album gelungen. Eine Jazzallergie darf man als Hörer allerdings nicht mitbringen.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Stefan Kayser