TOURNIQUET - Antiseptic Bloodbath
Mehr über Tourniquet
- Genre:
- Prog Thrash
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Pathogenic Records
- Release:
- 13.07.2012
- Chart Of The Elements (Lincchostbllis)
- Antiseptic Bloodbath
- The Maiden Who Slept In The Glass Coffin
- Chamunda Temple Stampede
- Flowering Cadaver
- 86 Bullets
- Duplicitous Endeavor
- Lost Language Of The Andamans
- Carried Away On Uncertain Wings
- Fed By Ravens, Eaten By Vultures
Klagen auf hohem Niveau oder: wenn gut nicht gut genug ist.<br /><br /><br />
Eine Menge wurde im Vorfeld über diese Scheibe diskutiert, geschrieben und spekuliert. Zeit genug dafür hat es gegeben - schließlich haben TOURNIQUET letztendlich 9 Jahre für den Nachfolger von "Where Moth And Rust Destroy" benötigt. Ich gebe gerne zu, dass auch mich dieses Fieber gepackt hatte und ich geradezu heiß auf "Antiseptic Bloodbath" war. Nun, da die Lieder sich in meinem Abspielgerät befinden, hat sich der Nebel verzogen und die Platte um das Genie Ted Kirkpatrick lässt sich in 1-2 Sätzen oder auch einem ganzen Buch beschreiben.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle schon eines festhalten: "Antiseptic Bloodbath" ist ein außerordentlich gutes Werk mit großen Momenten, das viel Abwechslung bietet und Melodien liefert, die ihres Gleichen suchen. Man sollte sich ein eigenes Urteil bilden und selbst darüber entscheiden, wie großartig TOURNIQUET letztlich sind. Da ich TOURNIQUET in ihrer Anfangszeit geradezu verehrt habe, ist ein derart knappes Fazit jedoch unangemessen. Es müssen auch Kritikpunkte aufgezählt werden, die gerade Fans der "Gary-Erik-Victor-Guy-Ted-Ära" (als sie noch eine Band und kein Kirkpatrick-Projekt waren) teilen werden.
Doch kommen wir erst zum Positiven: "Antiseptic Bloodbath" ist eine hochwertige Produktion und Neal Kernon hat wirklich ausgezeichnete Arbeit abgeliefert. Das Cover von Travis Smith ist ein Kunstwerk und textlich wird ebenfalls einiges geboten: Das Thema ist, wie in unserer Gesellschaft grausame Geschehnisse heruntergespielt werden, dass wir es jedoch selbst in der Hand haben, wie wir damit umgehen. Mit Karl Sanders (NILE), Pat Travers, Bruce Franklin (TROUBLE), Santiago Dobles (AGHORA) und Marty Friedman (ex-MEGADETH) garantieren herausragende Künstler für entsprechende Höhepunkte. Hinzu kommen Tempowechsel, unterschiedliche Gesangsstile, interessante Gitarrenriffs, ein gutes Maß von ruhigen und harten Momenten sowie unzählige Melodien - die sich Ted Kirkpatrick nach eigener Aussage nur aus seinem Kopf schlagen und Aufnehmen muss. Auch der Einsatz von Cello, Trompete und Violine sorgen für besondere Momente. Das Ganze stimmig und nachvollziehbar verpackt - was will man mehr? Man kann vor dieser Leistung nur den Hut ziehen und letztlich ist es auch das, was TOURNIQUET ausmacht.
Bevor wir zur eigentlichen Kritik kommen, möchte ich auf die einzelnen Lieder eingehen. Es gibt keine wirklich schlechte Nummer auf "Antiseptic Bloodbath" und es bleibt dem persönlichen Geschmack überlassen, wie sehr sie letztlich glänzen. Der Opener 'Chart Of The Elements' ist ein starker Einstieg und liefert mit Cheerleader-Gesang den ersten Überraschungsmoment. Außerdem ist der Gesang ordentlich und Ted Kirkpatrick zeigt einmal mehr sein herausragendes Können (hier hört man noch ein echtes Schlagzeug!). Der flotte Titeltrack erinnert dann stilistisch an die großen "Pathogenic Ocular Dissonance"-Zeiten. Wie beim ersten Stück wechseln sich unterschiedliche Gesangsstile ab, wobei an dieser Stelle Aaron Guerra (Kreisch-Gesang) am ehesten überzeugt. Der heruntergeleierte Refrain, vor allem aber der im Internet passenderweise als "Gollum-Gesang" bezeichnete Stil von Luke Easter und die überwiegend unspektakulären Gitarren sorgen insgesamt für einen überraschend schwachen Titeltrack in der TOURNIQUET-Geschichte. 'The Maiden Who Slept In The Glass Coffin' ist eine ruhigere Nummer, die überzeugen kann, wenn man mal auf das Brecheisen verzichten und verträumt hin- und herwippen möchte. Marty Friedman setzt im Schlussviertel mit großer Gitarrenkunst das i-Tüpfelchen. Auch 'Chamunda Temple Stampede' liefert herausragende Gitarrensoli - diesmal von Karl Sanders - und das Intro ist einfach ein Genuss.
Leider senkt sich das Niveau mit fortlaufender Spieldauer, auch die auftauchenden Melodien können diese Tatsache nicht wettmachen. 'Flowering Cadaver' schwächelt in erster Linie wegen des Gesangs. Das ist zu belanglos. Aber auch die Gitarren sind recht dürftig und da tröstet ein guter Klang nicht drüber weg. Obwohl auch diese Nummer Abwechslung liefert und am Ende nochmals Dampf macht - hier stolpern TOURNIQUET knapp an der Langeweile vorbei: Das große Spektakel bleibt aus. Die Ansätze sind oft vielversprechend, im Ergebnis bleibt dagegen der Eindruck: "Da wäre mehr drin gewesen!" '86 Bullets' kann ebenfalls nicht überzeugen. Lediglich Santiago Dobles schüttelt ein paar tolle Soli aus dem Ärmel. Etwas besser wird es dann wieder bei 'Duplicitious Endeavor': Abwechslungsreich strukturiert bleibt diese Nummer bis zum Ende interessant. Nun nimmt die CD mit 'Lost Language Of The Andamans' endlich Fahrt auf. Das klassische Intro ist weltklasse und hierfür muss man Ted Kirkpatrick lieben. Insgesamt erinnert das Stück stark an 'The Tomb Of Gilgamesh' ("Microscopic View Of A Telescopic Realm"), wobei dieses sogar noch getoppt wird. Hier muss man großen Applaus spenden für eine durchweg herausragende, siebenminütige Komposition! 'Carried Away On Uncertain Wings' ist die langsamste Nummer des Albums und wurde gesanglich mal gut umgesetzt, auch wenn die Shouts nicht jedermanns Sache sind. Den würdigen Abschluss liefert das achtminütige 'Fed By Ravens, Eaten By Vutures'. Das Stück stellt neben 'Lost Language Of The Andamans' den zweiten Höhepunkt der CD dar.
Die bisherige Kritik erklärt zumindest im Ansatz, warum eine Höchstpunktzahl nur schwer für TOURNIQUET zu erreichen ist. Sie mag für den ein oder anderen gar überzogen wirken - wer jedoch weiß, welche Möglichkeiten mit Gary Lenaire, Erik Mendez und Victor Macias bestanden haben, wird der Kritik besser folgen können. Natürlich kann man sich menschlich entfremden, aber es bleiben einige Fragen offen: Warum verzichtet man auf derartige musikalische Qualitäten? Wie kann auf einer so hochwertigen Produktion, die gespickt ist von herausragenden Ideen und Umsetzungen auf einen echten Bassisten verzichtet werden, wo man sich bereits mit bestenfalls durchschnittlicher Rhytmus-Gitarren-Arbeit zufriedengibt? Zudem wird von Luke Easter beim Gesang derart improvisiert, dass es letztlich gekünstelt aber nicht wirklich gekonnt klingt. Das ist der Unterschied zu Guy Ritter (1990 - 1992 TOURNIQUET), er konnte experimentieren und es hat stets funktioniert (ich erinnere an dieser Stelle nur an 'Broken Chromosomes', 1991). Selbst wenn sich Aaron Guerra am Gesang steigern konnte, so muss man heute davon ausgehen, dass in diesem Bereich von TOURNIQUET keine außerordentlichen Leistungen mehr erzielt werden. Somit fehlt es einfach an Qualität, weshalb Teds Ideen nur unzureichend inszeniert werden. Vermutlich fehlt jemand an seiner Seite, der ihm als Musiker das Wasser - zumindest annähernd - reichen kann.
Fazit: Ein Album, das man im oberen Bereich bewerten muss (es schlägt den Vorgänger locker). Dennoch werde ich lieber nach wie vor zu den älteren Veröffentlichungen greifen. Das hat auch mit einem gewissen Härtegrad (bei dem Cover habe ich auch mit mehr Biss gerechnet) zu tun, aber ohne adäquaten Rhythmusgitarristen oder einen Ausnahmesänger wie Guy Ritter werden TOURNIQUET keine vollendete Genialität mehr erzeugen. Da der Status quo scheinbar für TOURNIQUET und ihre meisten Fans ausreicht, ist das natürlich auch in Ordnung so.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Stefan Lang