TOXIC SMILE - RetroTox Forte
Mehr über Toxic Smile
- Genre:
- Progressive Rock
- Label:
- Famous Kitchen
- Release:
- 15.03.2004
- Voix Du Passé
- Raised
- Fall Down
- Escape
- Pyramid
- Stop Now
- Steps Back
- Confidence In Deception
- C.I.D. Addendum
- O.T.
- Sacrificial Flame
- Heavsent
Newcomer im Bereich Progressive Rock oder Metal haben es ohnehin nicht leicht, so anspruchsvoll wie ihre Klientel und so übermächtig wie die Titanen des Genres - DREAM THEATER, SPOCK'S BEARD, SYMPHONY X, um nur einige zu nennen - nun einmal sind. Dass sie dann, wie im Fall der Leipziger TOXIC SMILE, auch noch von den Querelen des Musikbusiness Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen, ist einmal mehr ein Paradebeispiel für die Ungerechtigkeit, mit der es in diesem Geschäft manchmal zuzugehen scheint. Da hat die Band bereits einen Deal mit der BMG für Südkorea in der Tasche, platziert sich in den dortigen Charts, hat sogar MTV-Support und spielt in ausverkauften Hallen - anscheinend ist an dem alten Sprichwort, dass der Prophet im eigenen Land nichts wert ist, doch etwas Wahres dran - und dann platzen wegen irgendwelcher internen labelpolitischen Spielchen die Expansionspläne für den europäischen Markt.
Somit legt die Band mit "RetroTox Forte" bereits ihren zweiten Longplayer vor, das erwähnte Erstwerk "M.A.D." ist derzeit nur als Korea-Import über die Homepage der Band zu beziehen. Und "RetroTox Forte" dürfte jedem anspruchsvollen Proggie nicht etwa ein giftiges Lächeln ins Gesicht zeichnen - Nomen ist glücklicherweise nicht immer Omen - sondern eher die Freudentränen. Was die Band hier vorlegt, ist Progressive Rock/Metal auf Weltniveau und braucht keinen internationalen Vergleich zu scheuen, auch nicht mit o.g. Titanen. Hier passt alles: Eine gelungene Balance aus genreüblichen Frickelparts und eingängigen Melodien, erstklassiges Songmaterial mit den verschiedensten Einflüssen von Rock über Klassik und Pop bis hin zu Jazz und hervorragende Musiker, die ebenso songdienlich wie solo arbeiten können.
Während man sich bei dem Männerchor des Openers 'Voix Du Passé', gesungen von der Vokalgruppe CONDÉ vielleicht noch wundert, was hier auf einen zukommt, zeigen TOXIC SMILE bereits mit dem folgenden 'Raised', dass sich komplizierte Harmonik und eingängige Melodien nicht zwangsläufig ausschließen müssen, sondern im Gegenteil perfekt zu einem größeren Ganzen zusammenfügen können. Das rockige und mit einem grandiosen Refrain ausgestattet 'Fall Down' zeigt, mit Ausnahme des frickeligen Mittelteils, eine etwas straightere Seite. Wie die Band hier immer wieder zum Grundthema zurückfindet, ist mehr als nur gelungen. Das getragene 'Escape' bietet ruhige, atmosphärische Klänge, bei denen mir sogar das Saxophon von Keyboarder Marek Arnold gefällt, ein Instrument, das ich im Normalfall meide wie der Teufel das Weihwasser. Das extrem verschachtelte 'Pyramid' bietet wieder einen genialen Mix aus größtmöglicher Progressivität und Ohrwurm.
Egal, welcher Song auch angespielt wird, diese Scheibe bietet von vorne bis hinten durchgehend hohe Qualität ohne Füller oder Ausfälle. Anscheinend handelt es sich bei der Band auch um ein lustiges Völkchen, so findet man hier und da schon einmal Spielereien in Form von Proberaum- oder Frühstückstischgeschwätz, Warteschleifengedudel oder quälende Flötenklänge, die auch von meiner achtjährigen Nachbarstochter stammen könnten und mich jeden Sonntagmorgen zur Verzweiflung bringen, oder auch einfach mal eine Klospülung. Bei TOXIC SMILE ist alles möglich und alles fügt sich zu einem Gesamtkunstwerk zusammen. Der 12-Minuten-Hammer 'Confidence In Deception' mit seinen Rapeinlagen genauso wie die ergreifende Klavierballade 'Sacrificial Flame', das instrumentale Megagefrickel 'O.T.', das rockige 'Stop Now' mit seiner Jazzeinlage oder das eher düster-verspielte 'Heavsent'.
Keyboarder Marek Arnold, Bassist Robert Brenner und Drummer Daniel Zehe spielen ohne Frage in der Oberliga mit. Gitarrist Uwe Reinholz macht ebenfalls einen Klassejob, ist aber in dem doch sehr keyboardorientierten Material über weite Strecken eher vornehm zurückhaltend und unauffällig. Eine absolute Entdeckung ist Sänger Larry B. mit seiner warmen, ausdrucksvollen und variablen Stimme. Das Ganze ist mit einem wunderbar transparentem und druckvollem Sound ausgestattet, eine oder mehrere Sessions mit einem guten Kopfhörer oder auf einer High-End-Anlage mit entsprechender Raumabbildung sind eine Erfahrung für sich.
Für Proggies eine uneingeschränkte Kaufempfehlung, allen anderen empfehle ich, die Soundproben auf der Homepage anzuchecken.
Anspieltipps: Raised, Fall Down, Escape, Pyramid, Sacrificial Flame
- Redakteur:
- Klaus Coltrane