TOXIK - Dis Morta
Auch im Soundcheck: Soundcheck 07/2022
Mehr über Toxik
- Genre:
- Technical Thrash
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Massacre Records (Soulfood)
- Release:
- 05.08.2022
- Dis Morta
- Feeding Frenzy
- The Radical
- Power
- Hyper Reality
- Creating The Abyss
- Straight Razor
- Chasing Mercury
- Devil In The Mirror
- Judas
Thinking again!
Da ist er also! Der dritte Longplayer von TOXIK! Spätgeborene werden sich jetzt eventuell fragen, wer das denn sein soll. Von daher folgen in den nächsten Zeilen ein paar sachliche Fakten als zeitlicher Abriss, den Altvordere überspringen können. Die Zeit kann man für einen altersgerechten Toilettengang oder fürs Brilleputzen nutzen. Gern geschehen.
Die Band um Gitarrist Josh Christian hat in den Jahren 1987 und 1989 mit "World Circus" und "Think This" zwei bis heute selten erreichte Klassiker des technischen US Metal veröffentlicht. Ein paar Auftritte auf europäischen Festivals, hier sei besonders der Gig auf dem legendären Dynamo 1988 erwähnt, zeigten, dass die Truppe auch live ganz phantastisch war und so hatte man sich schnell ein hohes Ansehen in den Reihen der Fans erspielt. Leider war danach Schicht im Schacht, denn die Band löste sich leider auf.
Erst im Jahr 2007 gibt es ein neues Lebenszeichen in Form eines offiziellen Mitschnittes eben jenes Dynamo-Auftrittes. In der folgenden Dekade erscheinen immer wieder EPs mit wechselnder Besetzung, wobei Mainman Josh Christian als Konstante auf allen Veröffentlichungen zu hören ist. Die beiden Sänger der eingangs genannten Klassiker Charles Sabin und Mike Sanders geben sich immer wieder die Klinke in die Hand und auch die Rhythmussektion ist selten lange stabil. Dafür begeistert die Band aber während ihrer Festival-Auftritte sowohl auf dem "Keep It True" wie auch beim "Headbangers Open Air" mit mitreißenden Kinnladen-Shows. Auch das Material auf den EPs versteht zu gefallen und so bin ich ein bisschen heiß auf diese lange avisierten Longplayer namens "Dis Morta".
Die aktuelle Besetzung beinhaltet den HEATHEN-Drummer Jim DeMaria, Shane Boulos am Bass und den grandiose Frontmann Ron Iglesias am Mikrophon. Wer die Band auf dem "True Thrash Fest" zu Hamburg bewundern konnte, weiß, wie phantastisch dieser hyperaktive Mann mit dem Goldkehlchen auch auf einer Bühne ist. Letzter Neuzugang in der toxischen Familie ist Gitarrist Eric Van Druten. Genug der Fakten, let the music do the talking!
Nach einem gesprochenen Intro steigt das Quintett mit dem furiosen Titelsong sofort gnadenlos ins Geschehen ein. Zuerst noch mit etwas gedrosseltem Tempo, schnell aber in Hyperspeed und mit einem sirenenhaften Einstiegsschrei von Ron. Damit steht die Körperbehaarung des Rezensenten schnell komplett in Habacht-Stellung und der Adrenalinspiegel fängt an zu splittern. Etwas irritierend ist allerdings der alles zerlegende Klang der Rhythmus-Sektion, der mich zu Beginn etwas überfordert. Zeitgemäß nennt man dieses Klangbild wohl. Mir ist das manchmal etwas zu viel der Druckbehörung, denn bei TOXIK geht es ja nicht um Geballer. Dafür sind die Songstrukturen viel zu verschachtelt und dazu ist das Gitarrenspiel viel zu facettenreich. Aber gut, die Band will das bestimmt so.
In der anschließenden Riff-Rakete 'Feeding Frenzy' stört mich das auch gleich deutlich weniger und ich werde schnell mitgerissen von diesen tollen Hooks, die sich in gewohnter TOXIK-Manier zwischen all' diesen Kapriolen verstecken. Das Tempo dieser Nummer ist atemberaubend, trotzdem bleiben die Songstrukturen nachvollziehbar, was sicherlich an den Gesangsmelodien und der sensationellen Gitarrenarbeit liegt. Jahreshighlight!
Und in gleicher Geschwindigkeit und Qualität geht es mit dem programmatisch 'The Radical' betitelten Folgesong weiter. Hier ist die Gesangsmelodie noch bestechender als im Vorgänger und zeigt den gelungenen Spagat zwischen Technik und Gefühl sehr deutlich auf. In der Nummer passiert so unglaublich viel, da ist man als ungeübter Zuhörer sicherlich schnell überfordert. Vor allem, wenn Ron in hohen Höhen über solierenden Gitarren und einem monströsen Rhythmus-Ungetüm, die Sirenen klingeln lässt.
Ich werde jetzt nicht auf jeden einzelnen Song eingehen, denn das würde nur wieder zu verschmutzten Brillen, unterbrechenden Keramik-Besuchen oder Langeweile beim Leser führen, aber einige Besonderheiten sollen trotzdem nicht unerwähnt bleiben.
So gibt es eine Auflockerung im weniger flinken 'Hyper Reality', welches unter anderem mit einem sphärischen Mittelteil erfreut und an anderen Stellen das böse Wort Djent auf den Schirm bringt. Aber keine Sorge, werte Leserschaft, auch die abgestoppten Passagen klingen toxisch. Ebenso wundervoll ist die akustisch untermalte Einleitung zum Albumhochlicht 'Devil In The Mirror'. Hier beweist unser neuer Lieblingssänger, dass er auch die gefühlvollen Momente ganz ausgezeichnet beherrscht und man darf sich auf livehaftige Darbietungen des alten Krachers 'There Stood The Fence' freuen. Wenn seine Freunde nach einer Minute dann allerdings einstimmen, hat man als unvorbereiteter Zuhörer erstmal Angst um seinen Herzschrittmacher. Full Speed ahead bekommt eine neue Dimension. Vor allem Jim zermöbelt sein Werkzeug mit der Präzision einer Nähmaschine auf Koks. Aber auch bei diesen schwindelerregenden Geschwindigkeiten werden die Widerhaken nicht vergessen, sodass ich hier tatsächlich vom Ohrwurm des Albums sprechen darf.
Das abschließende 'Judas' ist dann auch nochmal so toll, dass man unweigerlich eine weitere Runde auf diesem pfeilschnellen Notenkarussell drehen will. Das anfänglich beschriebene Problem mit dem überlauten Rhythmus Instrumentarium hat sich für mich mit der Häufigkeit des Abspielens mit jedem Mal gemindert. Trotzdem hätte ich mir einen angenehmeren Klang gewünscht, denn die Musik allein ist ja schon recht fordernd. Da kommt so eine Druckbetankung on top nicht so gut. Zumindest nicht für zarte Ohren.
Anyway, lang geschwafelt, hier in aller Kürze: Wer auf technisch anspruchsvollen, hektischen, voller Überraschungen steckenden und mit vielen Melodien verzierten Thrash steht, der obendrauf noch von einem sensationellen Sänger vorgetragen wird, muss hier ein paar Ohren investieren. Ganz feine Scheibe!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Holger Andrae