TURNER, NIK - Space Gypsy
Mehr über Turner, Nik
- Genre:
- Psychedelic Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Cleopatra / H'Art
- Release:
- 27.09.2013
- Fallen Angels STS-51-L
- Joker's Song
- Time Crypt
- Galaxy Rise
- Coming Of The Maya
- We Ride The Timewinds
- Eternity
- Anti-Matter
- The Visitor
- Something's Not Right (Bonustrack)
Das Space-Rock-Urgestein liefert einen späten Genre-Klassiker.
Nik Turner, und das sage ich mit allem gebotenen Respekt, ist mit inzwischen 73 Jahren einer der großen alten Männer des Psychedelic Rocks. Der 1940 geborene Brite trat Dave Brocks HAWKWIND noch im Gründungsjahr 1969 bei und blieb zunächst bis 1976 in den Diensten des Space-Rock-Flaggraumschiffs. Kurz nach Lemmy verließ auch Nik die Band, doch in den Jahren 1982 bis 1984 war er nochmals mit seinen alten Weggefährten unterwegs. Seither gab es sporadische Annäherungen zu Jubiläen, aber auch viel Streit um Namensrechte und generell weniger Gemeinsamkeiten, außer eben stilistisch, und da kann ich nach mehrfachem Genuss des neuen Nik-Turner-Soloalbums "Space Gypsy" einfach nicht umhin, mein Bedauern darüber zu bekunden, die Karriere des Mannes außerhalb von HAWKWIND nicht weiter verfolgt zu haben.
Diese Scheibe des Weltraumzigeuners ist nämlich genau das, was sich der langjährige HAWKWIND-Fan auch von seinen alten Helden mal wieder wünschen würde. Wo Dave Brocks Band bei all den Volltreffern und Hymnen, die sie nach wie vor auf jedem Album am Start hat, sich auch immer wieder zu sehr in fiependen Synth-Orgien ohne jeglichen rockigen Halt verliert, da verzichtet der einstige Weggefährte weitestgehend auf derlei Eskapaden. Klar, auch bei Nik Turner wabern die Synthesizer, fiepen die Sphärenklänge und schweben die Dunstschwaden psychoaktiver Stoffe durch die Ritzen des Laufwerks. Doch der Meister schafft es, ohne Umschweife und ohne größere Verirrungen zehn knackige Space-Rocker der Extraklasse auf CD zu bannen, die allesamt das Zeug zu veritablen Genrehits haben.
Schon mit dem sehr heavy und etwas verhallt aus den Boxen dröhnenden Opener 'Fallen Angels' macht Nik Turner klar, dass sich sein neues Album nicht mit schwachbrüstigem Geplänkel aufhalten wird, sondern alle Register ziehen soll, die der Space-Rock-Veteran so auf Lager hat. Hier findet sich, begleitet von den obligatorisch durch die Milchstraße wabernden Synths und Niks geliebtem Saxophon all das Proto-MOTÖRHEAD-Riffing, welches "Hall Of The Mountain Grill" und "Warrior On The Edge Of Time" zu unsterblichen Klasikern gemacht hat. Beim folgenden 'Joker's Song' spielt dann das Saxophon eine sehr dominante Rolle, bevor 'Time Crypt' ein sehr klassisches, space-rockiges Mantra auslegt.
Auch Nik Turners zweite große Passion, das Flötenspiel dürfen wir bewundern, etwa beim verträumten, leicht folkigen 'Galaxy Rise', das darüber hinaus mit herrlichen Akustik-Gitarren glänzen kann und so sehr deutlich das 1970er-HAWKWIND-Debüt in Erinnerung ruft. Schamanistisch, rhythmisch und beschwörend gibt sich 'Coming Of The Maya', während 'We Ride The Timewinds' wieder kräftig an Härte, Geschwindigkeit und Heaviness zulegt und einen echten Space-Rock-Kracher abgibt. Wo 'Eternity' Wabern, Blubbern, feine akustische Gitarren und sehnsuchtsvolle Vocals verbindet, da trägt 'Anti-Matter' die Synthesizer sehr dick auf, und da begeistert 'The Visitor' wieder mit toller Begleitung der A-Gitarre und feinem Querflötenspiel. Wer sich den limitierten Digipack angelt, der bekommt zum Abschluss mit 'Something's Not Right' noch den härtesten Song der Scheibe serviert, der eine gewisse ekstatische Punk-Attitüde nicht verleugnen kann. Dass DIE KRUPPS-Mastermind Jürgen Engler für Nik Turner die Klampfe malträtiert und zudem das Album produziert hat, mag durchaus zum rockigen, songdienlichen Gesamteindruck der Scheibe beigetragen haben. Daneben sind auch Leute aus dem Punk-Bereich wie Jeff Piccinini von CHELSEA und Nicky Garratt von den UK SUBS und weitere Gastmusiker wie Simon House (ex-HAWKWIND) und Steve Hillage (GONG) am Start.
So bleibt unter dem Strich ein faszinierendes, hingebungsvolles Space-Rock-Meisterwerk, das sich hinter nichts verstecken muss, was Nik Turners frühere Band in den letzten zwanzig Jahren so an den Start gebracht hat. Diese Aussage möchte ich im Übrigen ausschließlich als Hochachtung vor Nik Turner verstanden wissen und nicht als Kritik an Dave Brock und seinen Mannen. Beide sind nach wie vor zu großartigen Hymnen der psychedelisch rockenden Zunft in der Lage, doch wo sich HAWKWIND heute oft ein wenig in instrumentalen Waberorgien verliert, da setzt Nik Turner einen klaren Schwerpunkt beim Rocksong, ohne dabei das psychedelische Element zu vernachlässigen. Das Fazit kann damit nur lauten, dass wirklich jeder, der sich bei 70er-Jahre-HAWKWIND zu Hause fühlt, an "Space Gypsy" auf keinen Fall vorbei kommt.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle