UNTO OTHERS - Never, Neverland
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/24
Mehr über Unto Others
- Genre:
- Gothic Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Century Media
- Release:
- 20.09.2024
- Butterfly
- Momma Likes The Door Closed
- Angel Of The Night
- Suicide Today
- Sunshine
- Glass Slippers
- Fame
- When The Kids Get Caught
- Flatline
- Time Goes On
- Cold World
- I Am The Light
- Farewell…
- Raigeki
- Hoops
- Never, Neverland
Dunkle Vielfalt!
So heißt nach wie vor eine namhafte Schokoladensorte. So kann man aber auch die dark- rockigen, metallischen Klänge von UNTO OTHERS aus Portland nach wie vor bezeichnen. Seit ich Gabriel Franco und Sebastian Silva mit ihrem Trüppchen im Mai 2019 in der ausverkauften, 60 Konzertgäste fassenden Kneipe "Zille" in Göppingen erstmals live erleben durfte, bin ich fasziniert von der etwas anderen Rock-und Metal-Mixtur der damals noch IDLE HANDS benannten Gruppe. Zur Umbenennung in UNTO OTHERS werdet ihr im Review zum Vorgängeralbum "Strength" von Kollege Raphael Päbst aufgeklärt.
Was macht sie nun aus, diese Faszination der Gothic-Metal-Band, die ich für mich gar als eine der interessantesten, manche würden sagen "spannendsten", neueren Bands überhaupt bezeichne? Ein Hauptgrund ist sicherlich zuvorderst der, zwar deutliche Reminiszenzen an so manche Gothic- und Metal Band enthaltende und verquirlende, aber dennoch völlig eigenständige Sound von UNTO OTHERS. Wenn die Musik der Jungs ertönt, erkennt man sofort: Jau Mann, das sind sie! Die Trademarks, die beiden starken Säulen, die diesen Sound prägen, sind die sonore, irgendwo zwischen Joey Ramone und Andrew Eldritch pendelnde, charismatische Stimme von Gabriel Franco, sowie die verwegen anmutende stilistische Mischung aus Heavy Metal, Thrash Metal, Rock und Gothic Rock, stets mit einem mehr oder weniger winzigen Schüsschen Black Metal abgeschmeckt, garniert mit der meisterhaften Leadgitarrenkunst eines Sebastian Silva.
Auf dem neuen, dritten Studiowerk "Never, Neverland" wurde musikalisch etwas aufgeräumt. Überraschung: Man ließ sich "produzieren". Das Ergebnis klingt keinesfalls so krass wie bei unserem letzten Soundchecksieger, ist jedoch deutlich vernehmbar. So ertönen Songs wie 'Butterfly', 'Angel Of The Night' und der Ohrwurm 'Suicide Today' unter den Händen von Tom Dalgety an den Pulten nicht mehr sehr häufig eruptiv harsch, und das Brüllen von Gabriel ist so gut wie verschwunden, wie mancher Fan enttäuscht feststellen wird. Der gute Tom hat dafür einen fabelhaft klingenden und druckvollen Schlagzeugsound gezaubert. Dennoch gilt weiterhin: Diese Band hört man überall heraus! Gleich der zweite Track 'Momma Likes The Door Closed' kickt die vier Buchstaben massiv und wird von einem durch Mark und Bein gehenden Verzweiflungsschrei Gabriels beendet! Yeah!
Man zeigt sich auf dem Album getragener, tatsächlich ruhiger, wie einige Songs belegen, so das hymnenhafte, angedeutet balladeske 'Angel Of The Night', ebenso das spielerisch verträumte 'Sunshine', oder das mit neckischen Cha-Cha-Klatschern verzierte 'Cold World'. Das akustische 'Glass Slippers' stellt lediglich eine Einleitung für das großartige 'Fame' dar, welches eines der einprägsamsten Stücke der Scheibe geworden ist. Dunkel düster, mit den Eldritch-Stimmanteilen gesungen, lässt einen 'When The Kids Get Caught' fast fremdgesteuert eine dunkle Sonnenbrille aufsetzen, die einem vom nur eineinhalbminütigen 'Flatline' umgehend wieder von der Nase gedonnert wird. Da war sie wieder, die dunkle Wucht der IDLE HANDS, pardon, UNTO OTHERS.
Überaus positiv fallen mir der "Fluss" und die Struktur der Scheibe auf. Die Stücke bauen klanglich und rhythmisch vereinzelt aufeinander auf oder wechseln sich in Klangfarben und Stimmungen ab oder ergänzen sich, so dass ich anfangs daran dachte, es mit einem Konzeptalbum zu tun zu haben. Nicht nur einmal schwirrten mir Assoziationen zu einem der größten Meisterwerke dieses Genres, "Operation Mindcrime" von QUEENSRYCHE, im Kopf herum. Eine krasse, sehr gelungene SISTERS OF MERCY-Referenz eröffnet 'Time Goes On'. Wer mal "First, Last And Always" eine zeitlang im CD-Player kleben hatte, hört sofort, was ich meine! 'I Am The Light' erdet mich danach als ruhiger Walzer, der es streng genommen musikalisch ist, während 'Farewell' zum zweiten Mal nur als Intro für den nachfolgenden Rocker, namentlich 'Raigeki', fungiert.
Ebenfalls unter meinen liebsten Stücken hat sich nach zig Durchläufen des knapp 47-minütigen Albums 'Hoops' etabliert. Diese quasi-instrumentale Nummer blieb mir nach dem ersten Durchlauf sogleich im Gehör haften, Cha-Cha-Klatscher, rhythmische Gang-Shouts und vorzügliche Gitarrensoli inklusive. Der Titeltrack darf das Album abschließen, 'Never, Neverland' eignet sich dazu gut, hat es derzeit jedoch noch nicht unter meine allerliebsten Lieder des gleichnamigen Albums geschafft.
Den bereits einige Male vom Schicksal gebeutelten US-Amerikanern UNTO OTHERS aus Portland ist erneut ein begeisterndes Album gelungen, das mir auch nach wochenlanger Dauerrotation nicht langweilig wird. Ich gebe "Never, Neverland" dennoch "nur" 9 Punkte, da insgesamt und gerade gegen Ende des Albums die ruhigen Stücke mit teils hohem Pop-Appeal überwiegen und deshalb für noch nicht "eingeweihte" Hörer die Gefahr besteht, Langeweile zu empfinden. Ich finde zudem durchaus, dass etwas mehr Härte, Tempo und wieder mehr metallischer Irrwitz das Album bereichert hätten. Das könnten Gabriel Franco, Sebastian Silva, Brandon Hill am Bass und Colin Vranizan an der Schießbude ja dann auf dem nächsten Album besser in die Tat umsetzen.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Timo Reiser