URARV - Argentum
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2018
Mehr über Urarv
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Svart Records / Cargo
- Release:
- 01.06.2018
- Ahaman Inikad Mo
- Kråkekjøtt
- Aurum
- Satori
- Sannhet
- Soloppgang
Erneut liefern uns Aldrahn und Co. einen verstörten und verstörenden Trip in die Tiefen und Untiefen schwarzer Seelen.
Genie und Wahnsinn - ein Begriffspaar, das auf wenige Künstler so sehr zutrifft wie auf den Black-Metal-Meistersinger Bjørn Dencker Gjerde alias Aldrahn. Nach dem Ende der Neuziger war er eine ganze Zeit lang ziemlich abgetaucht, doch seit einigen Jahren bricht sich die angewachsene und angestaute Kreativität des Norwegers ziemlich eindrucksvoll und vielseitig Bahn. Ganz gleich ob wir es mit seiner alten Stammband DØDHEIMSGARD, mit THORNS, mit THE DEATHTRIP oder seit einer Weile nun mit URARV zu tun haben, eines ist immer gewiss: Was Aldrahn anpackt ist niemals gewöhnlich. Er selbst spricht ganz offen davon, dass sein Schaffen mit URARV, bei welchem er von Bassist Sturt und Schlagzeugerin Trish unterstützt wird, maßgeblich von Aufenthalten in psychiatrischen Einrichtungen geprägt sei, und auch ohne aus eigenen Erfahrungen sprechen zu können, ist man geneigt zu sagen, dass man das auch hört.
Die zweite, silberne URARV-Scheibe "Argentum" ist wie bereits ihr güldener Vorgänger "Aurum" so herrlich unkonventionell, musikalisch und kompositorisch so unfassbar vielseitig, und strukturell so irrsinnig, dass man auch ob der knackigen Kürze von nicht einmal einer halben Stunde gar nicht weiß, wohin mit den Worten, den Assoziationen und den Referenzen. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Songs aus den selben Aufnahmesessions stammen wie das Debütalbum, so dass wir hier keine stilistischen Quantensprünge erwarten dürfen. Dennoch unterscheiden sich die Stücke dieses Minialbums aber auf eine gewisse Art vom Material des Debüts und wirken in sich wie eine geschlossene Einheit, so dass deren gesonderte Veröffentlichung auf jeden Fall schlüssig erscheint.
Die Platte wird von einem mantrischen Intro mit Didgeridoo und Kehlkopfoberton sehr intensiv und mystisch eingeleitet, und so setzt sie bereits eine wundersame, transzendentale Stimmung, bevor die Abfahrt mit 'Kråkekjøtt' richtig unter Dampf gerät. In rasender Geschwindigkeit geht es los, doch trotz des oberflächlich betrachtet schwarzmetallischen Antlitzes, gehen hier doch noch ganz andere Dinge vonstatten: Die hektischen Riffs sind meilenweit von flirrender Nordlandraserei entfernt! Aldrahn rifft hier dissontant, thrashig und spacig zugleich, und die Rhythmusbreaks sind ganz formidabel, so dass man sich immer und immer wieder ganz wohlig an VOIVOD erinnert fühlt. Es würde mich schon arg wundern, wenn hier Meister Piggy nicht seine Spuren hinterlassen hätte. Dazu sorgen der knusprig kratzbürstige und doch irre druckvolle Sound, der fies angezerrte Bass, Trishs sehr charakteristisches Schlagwerk zwischen zurückgelehntem Groove und bissigem auf die Fresse Zimmern, sowie Aldrahns Gesang bis hin zu manischer Hysterie für eine ausgeprägte Crust-Schlagseite.
Es folgt der verhinderte Titelsong des Vorgängeralbums, und der lässt sich erst einmal deutlich langsamer und mystischer an. Ein paar leicht angezerrte Zupfgitarren werden von einem erneut recht spacigen, aber dennoch sehr heavy voran walzenden Hauptriff abgelöst, bevor ein doomiges, orientalisch angehauchtes Break kurz in 70er-Gefilde kippen will, dann aber von Aldrahns Wolfsgeheul, einer erneuten schrägen, dissonanten Voivodiade und knurrend grollendem Rezitativ abgelöst wird. Ja, hallelujah, jetzt ist jemand der Katze auf die letzten Wirbel getreten... und weiter geht die Abfahrt, Riffkaskaden brechen über einander herein und über allem thronend hält Meister Aldrahn seine Predigt. Relativ klar und gut verständlich ist Aldrahns Gesangsdarbietung auch beim folgenden 'Satori', das sich mit dem buddhistischen Erleuchtungserlebnis befasst. Ein Song, der sich wie ein Wirbelsturm aufbaut und den Hörer mitreißt; geprägt von Aldrahns bedeutungsvoller Singstimme, aber auch von seinen manischen Ausbrüchen ins Keifen, ins Bellen und ins Jammern; dazu setzen hier Trishs Schlagzeugparts gleich etliche spannende Akzente, wenn es wie Peitschenschläge Kontrapunkte zu den mantrischen, tsunamiartigen Riffs setzt. Schwarzmagisch tritonale Dissonanzen prägen hier das Gitarrenspiel mehr als sonst schon, ebenso einige fein dosierte Pinch Harmonics.
Stop. Sagt Aldrahn. Denn jetzt ist Zeit für 'Sannhet', einen Song, der seine Wurzeln bereits auf der ersten Promo der Band hat und der daher noch am ehesten klassische Vibes des Black Metals der Neunziger aufweist, bevor sich zum Abschluss des Minialbums der Sonnenaufgang als bizarrstes und progressivstes Stück der Scheibe zugleich präsentiert. Die cleanen Zupfgitarren und der nach Bänkelsang klingende Gesang Aldrahns haben ein unbeschreibliches Flair zwischen folkloristischem Prog und waberndem Krautrock, wobei immer wieder doomig dräuende Riffwalzen donnergleich durch den Äther grollen und auch für den einen oder anderen aggressiven Ausbruch gesorgt ist.
Ihr seht, erneut liefern uns Aldrahn & Co. einen verstörten und verstörenden Trip in die Tiefen und Untiefen schwarzer Seelen, der vor Kreativität und Wahnsinn nur so sprüht. Die zweite URARV mag formell ein Minialbum sein, aber in Sachen musikalischer Stilelemente und kompositorischer Kreativität passiert hier ein Vielfaches von dem, was andere Bands auf ein ganzes Album verteilen. Dem konservativen Schwarzheimer mag das Werkeln von Aldrahns Bande zu abgedreht und zu zerfahren sein; dem Liebhaber progressiver und abgefahrener Kompositionen zu aggressiv und dissonant. Doch wer seinen Black Metal zugleich urgrimmig und doch verspielt, ideenreich und unerhört liebt, der ist aktuell bei keiner Band besser aufgehoben als bei URARV. Dass Aldrahn zudem nach wie vor eine der großartigsten Charakterstimmen der ganzen Szene ist, muss ich an sich nicht nochmal erwähnen. Trotzdem tue ich es, denn dieser Mann kann nicht oft genug gelobt werden.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle