URIAH HEEP - Conquest
Mehr über Uriah Heep
- Genre:
- Hardrock
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Bronze Records / Ariola
- Release:
- 15.02.1980
- No Return
- Imagination
- Feelings
- Fools
- Carry On
- Won't Have To Wait Too Long
- Out On The Street
- It Ain't Easy
Krise, Umbruch, Zusammenbruch? Zumindest in Teilen aber doch ein ansprechendes Werk!
Im Jahre 1976 verließ Gründungsmitglied und Ausnahmesänger David Byron seine Band nach deren neuntem Album "High and Mighty", und es schien als gerate die britische Hardrock-Institution für längere Zeit in unruhige Gewässer. Doch zunächst fand URIAH HEEP mit John Lawton einen hervorragenden Nachfolger, der zuvor bereits mit LUCIFER'S FRIEND und den LES HUMPHRIES SINGERS Aufsehen erregte, und mit dem es der Band nochmals drei Jahre lang gelang, sich in der Erfolgsspur zu halten und zu "Fallen Angel"-Zeiten (1978) gerade in Deutschland große Triumphe zu feiern, wenn auch klar absehbar war, dass der bombastische und einzigartige Fantasy-Ansatz der Frühzeit deutlich reduziert wurde und die Musik straighter, weniger verspielt und vor allem poppiger wurde. Doch trotz dreier guter Alben, und teils sogar hervorragender Songs mit Lawton am Mikro währte die Liaison nicht allzu lange, denn bereits 1979 waren die persönlichen Differenzen speziell zwischen Sänger Lawton und Hauptsongwriter Ken Hensley so unüberwindlich, dass die Parteien getrennte Wege gingen.
So wurde der Weg frei für John Sloman (ex-LONE STAR), einen mit damals nur 22 Jahren noch sehr jungen Sänger und Multiinstrumentalisten, dem zwar ganz offensichtlich das Charisma und auch die Einzigartigkeit in der Stimme fehlte, die seine beiden großen Vorgänger auszeichnete, von dem man sich jedoch versprach, dass er sich erheblich ins Songwriting einbringen könnte, was schließlich auf "Conquest" auch der Fall war. Dennoch, oder vielleicht auch gerade deshalb, gerieten die Aufnahmen zum verflixten dreizehnten Studioalbum der Band zum Desaster. Die Spannungen innerhalb des Quintetts führten zunächst zum Ausstieg des langjährigen Schlagzeugers Lee Kerslake, der sich in Sachen Credits vom Produzenten benachteiligt fühlte, so dass noch vor Vollendung der Aufnahmen Ersatz gesucht und im erfahrenen Waliser Chris Slade, der schon seit Mitte der Sechziger mit Legenden wie Tom Jones und Manfred Mann musizierte, auch alsbald gefunden wurde.
So präsentierte "Conquest" URIAH HEEP in einem deutlich veränderten, aber durchaus vielversprechenden Line-up zwischen Frische und Erfahrung, das allerdings auf persönlicher Ebene leider nicht allzu gut harmonierte. So gab Ken Hensley später bekannt, dass er mit Slomans Wahl zum Sänger nie glücklich war, ihn stimmlich für wenig spannend hielt und zu allem Überfluss auch die Art nicht mochte, wie er seine Songs interpretierte. Folgerichtig verließ Ken Hensley auch nur wenige Monate nach der Veröffentlichung des Albums die Band, die er mit gegründet und für welche er bis dahin die meisten Songs geschrieben hatte. Damit steht dieses Album mit dem allzu siegesbewussten, an das berühmte Iwojima-Photo angelehnten Artwork retrospektiv sicherlich nicht für eine triumphierende Band im Rausch des Erfolges, sondern paradoxerweise für das Scheitern langjähriger Zusammenarbeit und für den Abgang zweier wichtiger Mitglieder.
Hört man dem Album diese zerfahrene Situation an, die Ken Hensley, Mick Box und Trevor Bolder später ganz offen als Katastrophe bezeichnen sollten? Nun, ein Stück weit sicherlich, denn "Conquest" fehlen die künstlerische Vision und die kompositorische Stringenz, die frühere HEEP-Alben so faszinierend und spannend machten. Doch auf der anderen Seite klingt einiges auch frischer und unverkrampfter als so mancher Versuch der Herrschaften in der zweiten Hälfte der Siebziger, an die frühen Klassiker anzuknüpfen. Stilistisch bewegt sich die Band dabei gar nicht allzu weit weg vom in den Augen vieler Altfans bereits zu seicht geratenen Vorgänger "Fallen Angel". Die Pop-Rock-Note ist allgegenwärtig und so ist die Band beim Opener 'No Return' fast näher an CHICAGO als an sich selbst, wobei John Sloman sich hier stimmlich gerade in den sehr hohen Passagen ein wenig zu übernehmen scheint und sicherlich weder dem mutmaßlichen Vorbild Robert Plant noch hervorragenden, zu diesem Sound passenden Sängern wie Peter Cetera das Wasser reichen kann. Die Backing-Chöre wirken derweil teils etwas überambitioniert und fügen sich nicht allzu schön ins Gesamtbild ein, so dass der Auftakt in das Album nur bedingt gelungen ist.
Das von Trevor Bolders pumpendem Bass geführte 'Imagination' schrammt im Anschluss zwar bisweilen hart an der Kitschgrenze entlang, gefällt mir jedoch deutlich besser, da John Sloman in der etwas tieferen Stimmlage absolut überzeugen kann, und das Stück zudem einen sehr lässigen Fluss entwickelt, sich am Ende jedoch ein bisschen in sich selbst verliert und mit Slomans verhinderten Plant-Screams in der Coda noch vermeidbare Minuspunkte sammelt. Dass sodann der Hit des Albums folgt, das wusste die Band offenbar schon im Vorfeld, denn sie lässt sich von gesampelten Fanschreien in den Song jubeln. So merkt auch der unbedarfte Hörer, dass nun das Highlight kommt, und genau das ist 'Feelings' dann auch. Der Song ist verhältnismäßig heavy, kommt knackig aus den Boxen geknattert und hat einen sehr eingängigen Refrain, so dass er sowohl zum Mitsingen als auch zum Headbangen einlädt und mit einigen tollen Boogie-Riffs und Leads von Meister Box brilliert. Besser wird es dann aber leider nicht mehr, denn das Niveau dieses Stückes wird von den folgenden Titeln nicht mehr erreicht. Die A-Seite endet mit 'Fools' aber dennoch solide, von Hensleys mystischen Synths geprägt, aber dabei auch recht vorhersehbar in der Schiene der Vorgängeralben. Der Song ist gut, doch er reicht nicht an die Klasse ähnlich gelagerter Stücke aus früheren Zeiten heran, und so fehlt leider der Knalleffekt zum Ende der ersten Rille.
Die B-Seite startet mit dem fluffigen Pop-Rocker 'Carry On' und dessen kitschigen Refrain-Chören und massivem Orgeleinsatz zwar sehr seicht, dafür aber auch sehr eingängig und durchaus gefällig, während wie schon auf der A-Seite der zweite Song 'Won't Have To Wait Too Long' den Bassisten Trevor Bolder in den Mittelpunkt rückt. Der zockt hier einige fein verfrickelte Bass-Riffs, um die herum sich die Band sehr verspielt und improvisiert gibt, aber dabei dennoch keinen allzu prägnanten Song zu Wege bringt. Mit der episch angelegten, mystischen Ballade 'Out On The Street' wird die Frühphase URIAH HEEPs zitiert, und hier ist John Slomans exaltierter, deutlich an David Byron angelehnter Gesang sehr gelungen, und auch die harten, schweren Soloeinlagen von Mick Box und Ken Hensley wissen zu gefallen und gehen in den Nacken, während die gezupften Gitarrenarrangements zum Ende hin absolut überzeugen und die Epik des Stückes unterstreichen, das so den zweiten Glanzpunkt des Albums liefert. Dass mit 'It Ain't Easy' erneut ein sehr poppiges, keyboardlastiges Stück das Album beschließt, ist wenig überraschend und symptomatisch für diese Phase der Band, denn es wird erneut die Gelegenheit versäumt, sich mit einem Volltreffer aus dem Album zu verabschieden.
Letztlich bleibt "Conquest" ein Album, das einen veritablen Hit und zwei bis drei weitere starke Nummern enthält, das aber sicherlich nicht zu den Glanzstücken der Diskographie dieser illustren Band gehört. Dessen sind sich die Musiker heute selbst bewusst, und auch die wenigsten Fans werden "Conquest" zu ihren Favoriten zählen. Dass es dennoch zur Zeit seiner Veröffentlichung auch einiges an sehr positivem Feedback, und speziell in Großbritannien auch ansehnliche Charterfolge verbuchen konnte, belegt aber andererseits, dass es auch längst nicht so schlecht ist wie sein Ruf. Dass die Band als solche sich dennoch in einer Sackgasse befand, ist unbestritten und folgerichtig hörte sie nach "Conquest" auch quasi auf zu existieren. Nach Ken Hensleys Abgang wurde John Sloman gefeuert, Chris Slade nahm seinen Hut, und selbst Trevor Bolder schloss sich WISHBONE ASH an und ließ seinen alten Comapgnon Mick Box kurzfristig alleine zurück. Doch glücklicherweise ließ jener sich nicht brechen und formierte URIAH HEEP alsbald mit alten und neuen Weggefährten neu. Doch diese Geschichte werden wir euch ein anderes Mal erzählen.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle