URIAH HEEP - Into The Wild
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2011
Mehr über Uriah Heep
- Genre:
- Hardrock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Frontiers (Soulfood Music)
- Release:
- 15.04.2011
- Nail On The Head
- I Can See You
- Into The Wild
- Money Talk
- I'm Ready
- Trail Of Diamonds
- Southern Star
- Believe
- Lost
- T-Bird Angel
- Kiss Of Freedom
Der Schläfer geht in die Wildnis!
Nein, ich sage jetzt nichts über die Band. Das ist mir echt zu doof. Stattdessen sage ich mal schnell drei Dinge: Die Band kennt man. Wer sie auf 'Lady In Black' reduziert, ist raus. Wer zum ersten "nein" oder zum zweiten "ja" sagt, verschwinde jetzt für drei Minuten im Netz und lese dann weiter.
Der Vorgänger "Wake The Sleeper" war ein Kleinod der rockigen Unterhaltung, ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass alte Rocker, die keinem mehr etwas beweisen müssen, gerade deshalb Großes schaffen können. Obwohl sie seit langem kein schwaches Album gemacht hatten, war das 2008er Werk ein Weckruf, für das ich ohne zu zögern die Höchstnote gezückt hätte, wenn man mich gefragt hätte. Das bedeutet natürlich, dass ich mit ganz großen Erwartungen an das neue Album, Nummer 23 in der Studiodiskographie der Haudegen, herangehe. Normalerweise eine ganz schlechte Voraussetzung, unter der schon viele Bands leiden mussten, denn falsche Erwartungen sind der Tod der "leider nur guten" Scheibe.
Und in der Tat, Mick Box, Bernie Shaw und der Rest der Posse können "Wake The Sleeper" nicht toppen. Aber jetzt mal Stück für Stück: Den Reigen eröffnet ein starker Rocker mit einem Chorus, der danach schreit, live von Hunderten mitgegröhlt zu werden. 'Nail On The Head' wäre der perfekte Opener für die kommende Tour, auch wenn der Chorus in der Studioversion vielleicht doch ein-, zweimal zu häufig gesungen wird, und wird von dem grandiosen, rasanten 'I Can See You' abgelöst. Wow, der Titelsong des Vorgängers mit seiner verhältnismäßig hohen Geschwindigkeit war keine Eintagsfliege. Und dazu diese Keyboardharmonien! Zum Niederknien. Der folgende Titeltrack ist so typisch URIAH HEEP wie es Songs wie 'Look At Yourself', 'Word In A Distance' oder 'Easy Livin'' sind. Ein zukünftiger Klassiker eben.
Puuh, kurz durchschnaufen. Aber die Jungs geben keine Gnade, mit 'Money Talk' und 'I'm Ready' folgen zwei weitere Killertracks, die das unnachahmliche Zusammenspiel aus Gitarre und omnipräsenten Keyboards zelebrieren, aber auch die großartige Stimme des Mikro-Bernies zur Geltung bringen. Was für eine Scheibe! Ich bin begeistert, aber dann folgt die Überraschung. Mit 'Trail Of Diamonds' legen URIAH HEEP sogar noch einen drauf. Wenn sie diesen Song live spielen, dürfte ihnen der Saal zu Füßen liegen. Romantisch und dramatisch, eine kleine Rockoper, sechs Minuten Schwelgen in den Siebzigern, mit warmem, modernen Sound und toller Stimme. Habe ich schon erwähnt, dass Bernie Shaw unglaublich ist? Und diese Keyboards!
'Southern Star' würde live ganz sicher ebenfalls ein Hit sein. Wie sollen die Briten die vielen neuen Songs, die live eigentlich Pflicht sein müssten, nur im Set unterbringen? Das Publikum will bestimmt nicht auf die alten Klassiker verzichten. Ein Ohrwurm ist der Track auf jeden Fall, und das gilt nicht weniger für 'Believe', obwohl der Song natürlich darunter leidet, nach dem Albumhighlight platziert zu sein. Der poppige Chor mit den typischen HEEP-Harmonien tut ein übriges, um ihn auf das Prädikat "nur sehr gut, leider nicht genial" zu reduzieren, was genauso für den folgenden Track 'Lost' gilt. Aber mit 'T-Bird Angel' – beim Hören sehe ich eine attraktive junge Dame in einem roten Top, die sich lasziv auf der Haube eines selbigen fläzt, Sonnenschein und Lebensfreude – und dem folgenden 'Kiss Of Freedom', das bombastisch und feuerzeugfordernd sechs abschließende Minuten an dieses phantastische Album hängt, zeigt die Band nochmals, was geht.
Aber hatte ich nicht gesagt, dass "Wake The Sleeper" noch besser gewesen war? Richtig. Denn "Into The Wild" fehlt als Nachfolger das Überraschungsmoment, das die Platte von 2008 auszeichnete, obwohl es den für mich perfekten URIAH HEEP-Sound hat, warm, erdig und einschmeichelnd. Aber vom aktuellen Album erwartet man ein Meisterwerk, und dass es abgeliefert wurde, bedeutet nur das Erfüllen der Erwartungen. Nicht mehr als das. Fragt mich in zehn Jahren nochmal, ob ich meine Meinung revidieren möchte. Jetzt schrammt die Scheibe jedenfalls knapp an der Höchstnote vorbei. Aber die Band kann eigentlich nichts dafür, das ist meine Schuld...
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Frank Jaeger