URIAH HEEP - Wake The Sleeper
Mehr über Uriah Heep
- Genre:
- Hardrock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Noise/Sanctuary/Universal
- Release:
- 30.05.2008
- Wake The Sleeper
- Overload
- Tears Of The World
- Light Of A Thousand Stars
- Heavens Rain
- Book Of Lies
- What Kind Of God
- Ghost Of The Ocean
- Angels Walk With You
- Shadow
- War Child
Die alten Helden kommen nach zehn Jahren Studiopause mal eben kurz mit dem Album des Jahres um die Ecke.
Geht es euch auch manchmal so, dass euch eine Scheibe, von der ihr überhaupt nichts erwartet habt und deren Veröffentlichung ihr nur am Rande zur Kenntnis genommen habt, umso mehr umhaut, wenn sich nachher herausstellt, dass das Ding wirklich was kann? Nun, mir schon, und gerade wie ich diese Zeilen schreibe, hat mich dieses Gefühl mal wieder beschlichen und zwar auf sehr intensive Weise. Es geht um eine Band, die einen Namen wie Donnerhall trägt. So ziemlich jeder von euch wird unter seinen Lieblingsbands zumindest eine Gruppe haben, die bereits ein Lied dieser Band gecovert hat oder sie wenigstens zu ihren großen Einflüssen zählt. Dennoch, und obwohl sie fleißig weiter auf Tour war, ist die Band im letzten Jahrzehnt ein wenig aus dem Rampenlicht geraten. Doch nun erwacht der schlafende Riese. Ziemlich genau zehn Jahre nach "Sonic Origami" ist URIAH HEEP mit einer neuen Scheibe am Start, die auf den Namen "Wake The Sleeper" hört und nicht nur Schlafende, sondern fast schon Tote mit einer vollen Hardrock-Breitseite weckt, die sich gewaschen hat.
Schon das eröffnende Titelstück birst vor Energie, dabei ist es eigentlich "nur" ein Fast-Instrumental, in dem die Herren Musiker ihr ganzes Können in voller Fahrt zum Besten geben und Sänger Bernie Shaw samt Chören lediglich mehrfach den Songtitel als Refrain wiederholt. Weil das Stück instrumental so mächtig drückt und schier explodiert, mag es manchem zunächst etwas arg sperrig und für ein derartiges Inferno etwas zu lang scheinen, doch es macht gleich zu Anfang klar, dass hier eben kein gediegener und gemächlicher Altherrenrock geboten wird, zu dem der Hörer im Schaukelstuhl einschläft, sondern das volle Brett. URIAH HEEP pur, mutig und ohne Kompromisse!
Es folgt mit 'Overload' der erste Song im herkömmlichen Sinne, der von den ersten Takten an einen lässigen Drive vom Wah-Wah-Stapel lässt und dabei irrsinnig heavy geraten ist. Mick Box rifft, slidet und soliert als wäre er der "God Of Flow" höchstselbst, dazu kommen die mächtigen Hammond-Sounds mit denen uns Phil Lanzon schnurstracks in die Siebziger beamt, ohne auch nur ein kleines bisschen angestaubt zu klingen. Die Produktion ist fett wie ein Butterfass und dabei nicht mal ansatzweise steril oder post-modern, sondern zu hundert Prozent authentisch. Hier haben Chris West und Mark Evans wirklich ganze Arbeit geleistet.
Wo waren wir? Ach ja, bei den Songs: Die Reihe der Volltreffer geht munter weiter mit 'Tears Of The World', einer Überhymne, die locker mit vielen der Klassiker aus den Siebziger mithalten kann. Das sag ich nicht leicht dahin, dazu steh ich. Das Stück schafft das mit mörderischen Hooklines, die von einer gesanglichen Glanzleistung von Bernie Shaw gekrönt werden, der sich mächtige Backing-Chöre zur Seite stellen, für die sämtliche Bandmitglieder verantwortlich zeichnen. So wird die mystisch-romantische Ader betont, die URIAH HEEP in den Siebzigern so einzigartig gemacht hat. Einfach irre!
Wer HEEP entspannter mag, der kommt beim lässigen 'Light Of A Thousand Stars' auf seine Kosten, das ein gewisses Südstaaten-Feeling versprüht, ebenso beim halb-balladesken 'Heavens Rain', das ein wenig beschaulich geworden ist, aber durch ein tolles Box-Solo und Trevor Bolders herrlich pumpenden Bass aufgewertet wird. Mit dem rock'n'rolligen 'Book Of Lies' ziehen die nun doch schon etwas älteren Herren das Tempo wieder an und grooven sich durch einen sanft aber bestimmt drückenden Song mit einem Refrain, der auch PRAYING MANTIS-Fans toll reinlaufen dürfte und erneut einen bestechenden Herrn Bolder an den dicken Saiten präsentiert.
Neuzugang Russell Gilbrook setzt mit militärischem Snare-Drumming die Hauptakzente des langen experimentellen Stückes 'What Kind Of God', das Mick Box mit melancholischen keltischen Harmonien veredelt und in dem Bernie Shaw mit ergreifender Stimme das Klagelied zum Indianer-Genozid singt. Wahrlich kein neues Motiv, aber von den ersten Tönen an großartig umgesetzt, bis sich das Stück schließlich im Synth-Nirvana verliert. Schnell und heavy wird die Scheibe wieder mit dem unglaublich dynamischen 'Ghost Of The Sea', das im Mittelstück völlig geniale Breaks aufweist und zum Schluss hin komplett explodiert.
Nachdem bisher alle Stücke vom Duo Box/Lanzon komponiert wurden, leitet das Finale das zunächst balladeske, sich dann aber mächtig in einen Midtempo-Stampfer steigernde Bolder-Stück 'Angels Walk With You' ein, das erneut einen tollen Refrain aufweist. Danach ist Phil Lanzon an der Reihe, seiner Songwriting-Ader mit 'Shadow' ganz alleine freien Lauf zu lassen. So entsteht ein erwartungsgemäß sehr stark vom Keyboard geprägtes Stück mit epischen Chören, bevor das Finale mit 'War Child' die Band nochmal in voller Stärke und mit tollem mehrstimmigem Gesang präsentiert.
Was gibt es sonst zu "Wake The Sleeper" zu sagen? Nun, ich denke neben den großartigen Songs ist vor allem zu bemerken, dass Phil Lanzons Rückkehr zu klassischeren Hammond-Sounds die Band wieder mächtiger erscheinen lässt als dies noch in den Neunzigern der Fall war. Vor allem aber habe ich live wie auch im Studio den Eindruck, dass der neue Schlagzeuger Russell Gilbrook der Band wieder den nötigen Biss gegeben hat. Lee Kerslake ist ein ganz Großer, daran gibt es keinen Zweifel, aber nachdem er scheinbar gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, diese großartige Band anzutreiben, war der Wechsel unvermeidbar, und wenn man sieht, mit wie viel Kraft und Dynamik diese Band nun wieder zu Werke schreitet, kann man ihr zu dieser Neuverpflichtung nur gratulieren.
Es bleibt eine Scheibe, die ich nun im Dezember zu meiner persönlichen Scheibe des Jahres 2008 küren möchte. Wer die Band kennt und schätzt, der kann damit nichts, aber auch gar nichts falsch machen, und die schon altersbedingt vermutlich doch recht zahlreichen Musikfreunde unter euch, die URIAH HEEP bisher nur am Rande wahrgenommen haben, die sollten sich mal einen Ruck geben und mit dieser Scheibe anfangen, eine Zeitreise zu den Anfängen der harten Rockmusik zu machen. Es wird sich lohnen und viele weitere Perlen zu Tage fördern. Viel Spaß dabei!
Anspieltipps: Overload, Tears Of The World, What Kind Of God, Ghost Of The Ocean, War Child
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle