VéNUS BLEUE - Infame Nectar
Mehr über Vénus Bleue
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- WormHoleDeath
- Release:
- 14.02.2025
- Latente Liquéfaction
- Interlude Aux Oiseaux
- Escarres Du Soleil
- Sagittaire Ascendant Opprobre
- Héréditaire Parricide
- Racheteurs d'Aumône
- Imminence
- Régurgitateur Sagittaire A
- Adage
- Illettrisme
- Prim'Orgueil
Vom Chaos in die Genialität.
Meisterwerk oder großes Durcheinander? Diese Frage verfolgt einen beim ersten Hördurchgang von "Infame Nectar" eigentlich pausenlos, genauso wie die innerliche Diskussion, ob der hier gebotene Stoff künstlerisch genial oder doch eher völlig chaotisch ist. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Das neue Album von VÉNUS BLEUE eignet sich mitnichten zum zwischenzeitlichen Konsum, sondern benötigt eine ganze Menge Anlaufzeit, und dies nicht nur zur Filterung aller sich hier ergebenden Kontraste.
Die Franzosen benennen ANATHEMA, OPETH und PORCUPINE TREE als bedeutsamste Einflüsse, und man mag ihnen hier auch kaum widersprechen, finden sich doch Fragmente aller Bands auf dem zweiten Werk der Truppe aus Béthune. Die Schwierigkeit besteht lediglich darin, all das in eine gewisse Ordnung zu bringen, denn VÉNUS BLEUE gibt sich mehr als bloß einmal ziemlich verquer und macht eigentlich immer genau das, was man an der jeweiligen Stelle nicht erwarten würde.
"Infame Nectar" ist derweil eigentlich typisch französisch, soll heißen die Musiker leben die ureigene Theatralik der dortigen Art-Rock-Szene, holen aber auch in alle Richtungen aus und streifen dabei klassischen Prog Metal, verspielte Düstersounds und gelegentlich auch extremen Stoff aus dem Todesblei-Sektor. Dazu gibt es elegische Gesänge, gewöhnungsbedürftige Spoken-Word-Passagen, sehr lebendige Rhythmusvariationen, eine Spur schwarzmetallische Eleganz und letztlich auch ein gewisses Musical-Feeling, dem man jedoch nur schwer bestimmte Charakteristika zuordnen kann. Man könnte auch ganz schlicht sagen, dass die elf Songs ein unberechenbares Potpourri der metallischen Künste auftischt, sich dabei von einem undurchdringlichen Eigensinn treiben lässt, am Ende aber doch eine Geschichte erzählen mag, in der all diese unterschiedlichen Inhalte einen festen Platz bekommen. Und betrachtet man es aus der letztgenannten Perspektive und versteht das Konzept auch als ein musikalisches Erzählformat, erhält man schließlich auch einen ganz anderen Zugang zu VÉNUS BLEUE, respektive "Infame Nectar", und kann sich mit wachsender Spieldauer immer besser auf die fortlaufenden Eigenarten der Franzosen einlassen - und das konnte man nach dem ersten Drittel des neuen Albums noch ganz und gar nicht abschätzen.
In diesem Zusammenhang nutze ich gerne auch den Vergleich zu einer Band wie PAIN OF SALVATION, die sich auch mit jedem Album wieder neu erfunden hat und schon in ganz konträren Sparten aktiv war. "Infame Nectar" ist dabei das "Be" im Katalog der Franzosen, vielleicht stilistisch nicht immer kongruent, aber doch mit einer ähnlichen Kunstfertigkeit dargeboten wie der Sonderling der Schweden.
Es braucht eben eine Vorliebe für eine außerordentliche Dramaturgie, um hier Genuss zu erleben. Doch unter dieser Voraussetzung öffnet sich mit der Zeit ein echtes Meisterstück, dessen Vielschichtigkeit begeistert und dessen ganz spezielle Performance am Ende euphorisiert. Geniestreich oder Fehlgriff? Nun, die Tendenz geht ganz eindeutig zur ersten Kategorie!
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Björn Backes