VAINE, THE - It's A Disease
Mehr über Vaine, The
- Genre:
- Modern Metal / Metalcore
- Label:
- MGM Australia / New Zealand / Deadfamous / Radar Music
- Release:
- 13.05.2008
- Scarecrow: The Beginning
- Aim And Fire
- Sounds Of The Mary Celeste
- If No News, Start Rumours
- Oh Oh Chontelle!
- By The Hand Of The Butcher
- The Scarecrow Speaks In Rhyme
- Damage In The Waiting Room
- March Of Bastille
- Incurable
- Love And Monsters
- (Bee)N Stalking Jaque
- We Are Heroes
Ich muss ja schon zugeben, dass ich nicht wirklich begeistert war, eine Kritik über die Australier THE VAINE schreiben zu müssen. Mein Unmut entstand, als ich auf dem beigelegten Schreiben die Musikbeschreibung mit Modern Metal / Screamo lesen musste. Und ganz ehrlich, in dem Bereich gibt es sicherlich ein Paar Bands, die ja ganz nett sind, aber so wirklich mein Fall ist da echt kaum was. Außer POISON THE WELL (die ja eigentlich schon eher im Metalcore-Bereich angesiedelt sind) kam da bei mir über "ganz nett" auch nichts hinaus, ist gerade in den recht populären Screamo und Emo Zweigen ja so viel Originalität und Spontaneität wie in einem Fahrplan zu erwarten. So leicht kann man sich durch seine Vorurteile täuschen lassen, denn THE VAINE mit der zuckersüßen neunzehnjährigen (!) Frontröhre Shelley haben mich tatsächlich sofort überzeugt.
Dabei fällt es mir relativ schwer, "It's A Disease" irgendwie vernünftig zu kategorisieren. Die Australier bewegen sich in einem recht breit gefächerten Metier; so lassen sich beispielsweise Metalcore-Anleihen wie bei CALIBAN (die ich übrigens für total überbewertet halte) oder KILLSWITCH ENGAGE heraushören. Ebenfalls lassen sich melodische Death-Metal-Tendenzen wie ARCH ENEMY erkennen, was nicht zuletzt an Shelleys großartiger Stimme liegt. Auf der anderen Seite finden wir stellenweise sogar IRON MAIDEN-ähnliches Gefrickel, wie zum Beispiel in 'If No News, Start Rumours'. Außerdem meine ich, Parallelen zu Bands wie STORY OF THE YEAR herauszuhören, in 'By The Hand Of The Butcher' beispielsweise, das mich an 'And The Hero Will Drown' erinnert. Ihr seht also, die musikalische Einordnung von THE VAINE ist doch ein eher schwieriges Unterfangen, die Jungspunde bedienen sich nämlich rotzfrech in sämtlichen Ecken des Metals, ohne sich von irgendwelchen Genregrenzen einschränken zu lassen. Diese Einstellung finde ich äußerst lobenswert, entsteht doch so tatsächlich ein wunderbarer, komplexer und auch verdammt wohlschmeckender Cocktail für den musikalisch aufgeschlossenen Genießer, der nicht nach Trittbrettfahrerei auf der Emo-Welle müffelt.
Eröffnet wird die knapp einstündige musikalische Achterbahnfahrt passenderweise mit dem Titel 'Aim And Fire', der dem überraschtem Hörer direkt zeigt, wo der Barthel den Most holt. Shelley hat mit ihren neunzehn Jahren so ein dermaßen krasses Organ, dass sie locker an eine Angela Gossow (ARCH ENEMY) oder eine Rachel Heyzer (Ex-SINISTER) herankommt. Insgesamt gefällt mir der weibliche Gesang bei THE VAINE sehr gut, auch die klar gesungenen Stellen, die von Gitarristin Clik übernommen werden. Im Gegensatz zu Bands wie CALIBAN, die ja schon fast Power-Metal-ähnlich eine Oktave zu hoch kreischen, bleibt Shelley immer in einer Höhe, die nicht die Nerven penetriert. Und es klingt einfach nicht so weinerlich wie bei Bands wie BOY SETS FIRE, wenn eine Frau die meist klar gesungenen Refrains singt. Wo man bei BOY SETS FIRE dem armen Mann ein Taschentuch reichen möchte, damit er endlich mit der Heulerei aufhört, kann man THE VAINE guten Gewissens zuhören, ohne dass einem der Gesang das Nervenkostüm zerfrisst.
Die hohe Messlatte, die sich die Jungs und Mädels mit 'Aim And Fire' selbst legen, wird von THE VAINE konsequent gehalten. Auf "It's A Disease" findet sich kein Ausreißer, die Songs sind alle richtig gut. Aber nicht nur Shelley weiß zu überzeugen, auch die Rhythmus- und Saitenfraktion beherrschen ihr Handwerk hervorragend, ich möchte sogar fast sagen, für ihr Alter geradezu unheimlich gut. Dies zeigt sich auch im Songwriting, welches – wie oben ja schon angedeutet – relativ komplex ist. Wir finden skandinavische Riffs, wir haben stellenweise schon fast progressiv anmutendes Drumming (ähnlich wie bei POISON THE WELL), wunderbar abwechslungsreich Tempowechsel und mehrstimmigen Gesang und Gekreische, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Songs sind absolut nicht vorhersehbar; unverfroren hat man zum Beispiel in 'Damage In The Waiting Room' sogar eine kurze Techno-ähnliche Sequenz eingebaut, mit der sicherlich absolut niemand gerechnet hat. Warum? Ich denke, einfach weil man es kann und weil man nicht versucht, irgendein Klischee zu erfüllen.
Trotzdem gehen Lieder wie 'By The Hand Of The Butcher', das fast popige 'Oh Oh Chontelle!' oder das informative - wir lernen in dem Song, wie es Shelley wohl am liebsten hat, oder ich verstehe den Text falsch - '(Bee)N Stalking Jaque' sofort ins Ohr und sind ausnahmslos Hits. Mit 'March Of Bastille' ist ebenfalls eine Ballade vorhanden, in der THE VAINE völlig ohne Gekreische auskommt und Clik zeigt, was für eine tolle Gesangsstimme sie hat. Wirklich geil finde ich auch das recht harte 'Incurable', das stellenweise sogar thrashig daherkommt und auch gewisse Death-Metal-Anleihen zeigt.
Produktionstechnisch ist "It's A Disease" sehr gelungen. Der Sound ist druckvoll, glasklar und perfekt abgemischt. Shelleys und Cliks Stimmen wirken ausgezeichnet in die Musik eingewoben.
THE VAINE zeigen auf ihrem aktuellen Output, dass sie wirklich Talent haben und auch über den Willen verfügen, dieses auszuleben, ohne sich von Genregrenzen einschränken zu lassen. Klar, "It's A Disease" ist moderne Musik. Wer nur auf brutalen Death oder Black Metal steht, wird die Scheibe furchtbar finden. Wer aber bereit ist, objektiv an den Silberling heranzugehen, und musikalisch eher ein aufgeschlossener Mensch ist, dem spreche ich eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aus.
Ach ja, und ich hätte gerne Shelleys Telefonnummer.
Anspieltipps: Aim And Fire, If No News Start Rumours, Oh Oh Chontelle!, By The Hand Of The Butcher, Love And Monsters, (Bee)N Stalking Jaque
- Redakteur:
- Hagen Kempf