VARIOUS ARTISTS - CULT OF LUNA / JULIE CHRISTMAS - Mariner
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- Genre:
- Sludge / Post Metal
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Indie Recordings
- Release:
- 08.04.2016
- A Greater Call
- Chevron
- The Wreck Of S.S. Needle
- Approaching Transition
- Cygnus
Ungewöhnlich bis schmerzhaft: CULT OF LUNA mit Gastsängerin.
Nein, "Mariner" ist nicht einfach das siebte Studioalbum der schwedischen Sludge-/Post-Metal-Institution CULT OF LUNA. Auf dem Papier ist das vielleicht der Fall, doch Fans des Mondkultes sollten auf der Hut sein: Nach einer etwa zweijährigen Auszeit hat sich der skandinavische Sechser diesmal mit der extravaganten amerikanischen Stimmkünstlerin JULIE CHRISTMAS zusammengetan (bekannt durch ihre schrägen, bisweilen verstörenden Performances bei MADE OUT OF BABIES und BATTLE OF MICE). Und Mrs. Christmas' Beitrag beschränkt sich keinweswegs auf ein paar beigesteuerte Gastgesangszeilen - vielmehr tritt Johannes Persson fast vollständig in den Hintergrund und räumt der New Yorkerin einen Großteil seines angestammten Raumes ein. Kurz gesagt: "Mariner" klingt wie CULT OF LUNA mit (neuer) Sängerin.
Ob man diesen ungewöhnlichen Schritt gutheißen kann oder nicht, steht und fällt mit der Frage, wie man zu der außergewöhnlichen gesanglichen Darbietung von Julie Christmas steht. Und in meinen Ohren fällt das Urteil eindeutig zu Ungunsten der Amerikanerin aus. Christmas' Stimme ist viel zu dünn, besitzt zu wenig Volumen, um im harschen und bisweilen erhabenen CULT OF LUNA-Sound bestehen zu können. Es ist nicht so, dass es die Frau nicht mit der Brutalität des Schwedensounds aufnehmen könnte - im Gegenteil, sie wandelt spielerisch zwischen zerbrechlichem Kinderstimmchen und hasserfüllter, keifender Furie; die letztgenannten Parts fallen für die Hörerschaft geradezu körperlich schmerzhaft aus. Das offensichtliche Ziel der Band, auf ungewöhnliche Weise Grenzen zu überwinden, wird auf "Mariner" durchaus erfüllt. Trotzdem verlieren sich das dünne Gewimmer und das garstige Gekreische viel zu leicht im differenzierten Krach der CULT OF LUNA-Instrumentalisten. Nur wenn Julie Christmas in tieferen Tonlagen unterwegs ist, erreicht sie meiner Meinung nach die erforderliche Präsenz. Die Wahl von Christmas ist in Teilen durchaus nachvollziehbar, mehr als Anerkennung für diesen ungewöhnlichen künstlerischen Schritt kann ich der Band aber nicht zollen.
Und sonst? Rein instrumental ist die Handschrift der Schweden unverkennbar - und selbstredend tatellos, wenngleich "Mariner" deutlich zurückgenommener, in Teilen auch etwas konventioneller ausfällt als die bisherigen Alben der Nordeuropäer. Fünf gewohnt ausladende Songs werden auf "Mariner" aufgefahren, und teilweise wird auch diesmal wieder dieses unvergleichliche Stimmungsspektrum zwischen Erhabenheit, Ehrfurcht und nacktem Schrecken abgedeckt. Alle Erwartungen erfüllt der bewegende Auftakt 'A Greater Call' (allein die ersten Minuten, in denen die Musik allmählich aus düsterer, undurchdringlicher Tiefe zum Vorschein tritt, sind atemberaubend), mitunter zart, zerbrechlich, nachdenklich auch 'Approaching Transition', das zu meiner Erleichterung ohne den nervenaufreibenden Gesang von Julie Christmas auskommt, und sehr gekonnt die ausufernde Abrundung des Albums mit dem 15-minütigen 'Cygnus', welches die Stimmung des Openers aufgreift und den Kreis schlüssig vollendet, schließlich und endlich auch mit einer angepassteren Stimmlage Christmas', nachdem mich das Geschrei der Gastsängerin im Mittelteil des Songs noch fast in die Flucht geschlagen hätte.
Die Tiefe ihrer Meisterwerke wie "Vertikal" oder "Eternal Kingdom" erreichen die Mondanbeter auf "Mariner" nicht, zum einen, weil das Album für die Verhältnisse der Veteranen eher EP-Charakter aufweist und die Songs alles in allem deutlich geerdeter klingen, zum anderen, weil der vorübergehende Wechsel am Mikrofon neben durchaus faszinierenden Momenten immer wieder auch einen unangenehm hohen Nervfaktor mit sich bringt. CULT OF LUNA hin oder her, es bleibt unterm Strich eine ordentliche Post-Metal-Veröffentlichung mit ungewöhnlicher weiblicher Gesangsperformance, die insgesamt eher verstört denn fasziniert. Unterm Strich bleibt außerdem die Erleichterung über die Tatsache, dass CULT OF LUNA nicht in der Versenkung verschwunden ist, und die Hoffnung, dass uns Album Nr. 8 dereinst wieder mit der ursprünglichen Bandbesetzung geboten wird. Hört euch "Mariner" an; eine spannende Angelegenheit ist die Zusammenarbeit von CULT OF LUNA und Julie Christmas allemal, dem Vergleich mit der übrigen Diskographie der Schweden hält die Platte jedoch nicht stand.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Timon Krause