VARIOUS ARTISTS - Die leeren Kinder
Mehr über Various Artists
- Genre:
- Black Metal
- Label:
- Eigenpressung
- Release:
- 01.09.2011
- SEELENSCHNITT - I.L.ebe86
- SEELENSCHNITT - Antica Europa
- SEELENSCHNITT - Morgenrot
- SEELENSCHNITT/STILLERS TOD - Scherbensammler
- STILLERS TOD - Einen Sommer lang
- STILLERS TOD - Selbstzerstörung
- STILLERS TOD - In sieben Sommernächten
Teils spannende, teils unschlüssige Black-Metal-Split-EP mit STILLERS TOD und SEELENSCHNITT.
Nachdem das Ambient/Black-Metal-Projekt SEELENSCHNITT mit seiner Werther-Analogie "4571-12571" vor etwas mehr als einem Jahr bei mir auf ziemlich taube Ohren stieß und eine recht durchwachsene Kritik erhielt, begegnet mir dessen Protagonist Samael nun wieder, und zwar mit einem Split-Album, das zu gleichen Teilen sein Soloprojekt SEELENSCHNITT und seine Stammband STILLERS TOD die Gelegenheit gibt, sich dem Hörer vorzustellen.
Die erste Hälfte gehört dabei SEELENSCHNITT und vom Fleck weg fällt auf, dass sich hier einiges geändert hat, und zwar zunächst zum Guten. Produktionstechnisch begegnet uns noch immer viel Hall, der dem Black Metal mit seinen Ambient-lastigen Versatzstücken und massiven Keyboards eine düstre Aura verleiht, doch im Gegensatz zum Debüt sind die Instrumente inzwischen gut differenzierbar, der Gesang nachvollziehbarer und die Texte zwar immer noch gewollt poetisch gehalten, aber weit weniger abstrakt und überambitioniert. Ja, der Opener 'I.L.ebe86' hat wirklich seinen Reiz und dürfte mit seinen gotischen Elementen Freunde der früheren CREMATORY ebenso erreichen, wie Anhänger des melodisch-verträumten Black Metals. Meeresrauschen und cleane Gitarre verstärken beim schwelgerischen 'Antica Europa' die sehnsuchtsvollen Ambient-Assoziationen, die Kombination mit wohl dosierter, nicht infernalischer aber doch harscher Raserei ist schlüssig und wirkt nicht aufgesetzt.
Mit dem dritten Stück 'Morgenrot', einem ausladenden Fast-Zwanzigminüter, geht Samael allerdings noch weiter in die Ambient-Richtung - zu weit: Bizarre Klangbilder, geflüsterte Stimme, sphärisches Dröhnen - alles will bedrückend und beklemmend gestaltet sein. Der bis zur Unverständlichkeit verzerrte Gesang zerfetzt jede Harmonie, bis nach gut zehn Minuten plötzlich ein melodisches, verträumtes Piano und später gar noch irgendwelche Dance-Rhythmen die Regie übernehmen. Schräg, und zwar nicht im positiven Sinne schräg! Spätestens an dieser Stelle muss ich doch wieder zugeben, dass Samael eine musikalische und lyrische Ausdrucksform nutzt, die sich mir einfach nicht so recht erschließt.
Das absurde und ebenfalls nicht unbedingt gelungene Herzstück des Split-Albums ist sodann ein weiterer Zwanzigminüter, der allerdings von SEELENSCHNITT und STILLERS TOD gemeinsam eingerumpelt wurde. 'Scherbensammler' wird atmosphärisch mit dem Synthesizer eingeleitet, bis nach knapp fünf Minuten der Metal das Heft in die Hand nimmt. Der Gitarrensound ist deutlich giftiger als beim SEELENSCHNITT-Part. Das Tempo ist doomig und die Gitarrenpassagen wirken auf fiese Weise disharmonisch. Nein, sie sind auf fiese Weise disharmonisch. Selbst die Musiker scheinen sich hier nicht ganz schlüssig zu sein, ob das nun eine gute Sache ist: "Texte und Musik bei "Die Scherbensammler" wurden im nicht mehr zurechnungsfähigen Zustand [...] improvisiert." - Ja, ich denke, genau so hört sich das auch an. Zwar ansatzweise interessant, aber weitestgehend doch holprig und nervig. So lässt sich das Stück wohl am besten zusammenfassen, und es muss die Frage erlaubt sein, ob eine improvisierte Trip-Erfahrung in solch epischer Breite nun unbedingt auf einer CD landen muss. Die Antwort lautet: Nein!
Doch kommen wir nun endlich zum Teil der Split, der STILLERS TOD alleine gehört: Da fängt es dann wirklich an, spannend zu werden. Die Gitarren surren bei 'Einen Sommer lang' sehr fein, flechten schöne Melodien ein, welche den schwarzen Stahl ebenso tangieren, wie traditionell-metallische Bereiche und Kargáist singt in deutscher Sprache mit grimmig-verzweifelter Stimme zwischen hysterischem Keifen, verzweifeltem Jammern, grollendem Drohen und unheilvollem Flüstern. Ja, das hat alles seinen Reiz. Mit 'Selbstzerstörung' gibt es allerdings einen krassen stilistischen Wechsel gen Black/Thrash der alten, extrem derben und ziemlich unproduzierten Art. Das finde ich per se nicht schlecht, aber im Kontext dieser Scheibe wirkt es deplatziert. Diesen Eindruck verstärkt letztlich auch das durch die Keyboards epischer arrangierte Finale namens 'In sieben Sommernächten', das einen Hauch von Majestät mitbringt, aber letztlich durch die soundtechnisch schwach in Szene gesetzten Gitarren nicht so sehr glänzen kann, wie es sollte.
Als Fazit bleibt, dass SEELENSCHNITT durch die ersten beiden Songs dieser EP die Scharte der letzten Scheibe ganz passabel auswetzt, und dass STILLERS TOD durch 'Einen Sommer lang' und ansatzweise auch durch 'In sieben Sommernächten' einen ziemlich guten ersten Eindruck bei mir hinterlässt. Dass allerdings bizarre und ermüdende Klangexperimente und Absence-Erfahrungen gut vierzig Minuten des Albums füllen müssen, verhindert ein positives Gesamtbild doch sehr effektiv. So oder so, durch die teils auch positiven Duftmarken könnte es beiden Bands durchaus gelingen, sich langsam auf der Landkarte des unkonventionellen Black Metals zu etablieren.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle