VARIOUS ARTISTS - Wir sind Rock-'n'-Roll-Kids
Mehr über Various Artists
- Genre:
- Punkrock
- Label:
- Wolverine/Soulfood
- Release:
- 28.11.2008
- VERLORENE JUNGS - Spongebob Theme
- JOHNNIE ROOK - Jule wäscht sich nie
- SKATOONS - Pipi Langstrumpf
- BACKSTREET NOISE AND THE BEATCH GIRLS - Pumuckel
- MR. BUBBLE B. - Ganz doll mich
- ESTREPITO BANDITOS - Chip und Chap
- DRITTE WAHL - Oh Mama, hol den Hammer
- WILDE ZEITEN - If You're Happy
- RAMAZURI - Eine fröhliche Familie
- FROHLIX - Ritter Rost hat Geburtstag
- THE MAGIC WISHMOBS - Die Affen rasen durch den Wald
- RANTANPLAN - Tao Tao
- LOST LYRICS - Rappelkiste
- KING SIZE - Bruder Jakob
- DIE PIGS - Fünf Freunde
- ALIEN 101 - Ich mag Müll
- NEVERMIND - Pumuckel
- LILI FEAT. SCHNECKENMISCHER - Das Lied der Schlümpfe
Kinderlieder auf Punk - ist das wirklich eine Marktlücke?
Grundsätzlich ist der Ansatz ja ein interessanter. Eltern fahren mit ihren naturbedingt noch eher weniger geschmackssicheren Sprösslingen irgendwohin, wohin ist egal, Oma oder Timbuktu, und nachdem sich die Langeweile auszubreiten beginnt, was üblicherweise etwa drei Kilometer vor der Autobahnauffahrt der Fall ist, muss die Kinder-CD angemacht werden. Die folgenden 20 oder 200 oder was auch immer (wie weit ist Timbuktu noch entfernt?) Kilometer wird die eine CD dudeln. Ist man beim ersten Mal noch froh darüber, dass sie nur 35 Minuten lang ist, wird dies beim drölfzigsten Durchlauf zur Tortur, wenn 'Alle Vögel sind schon sa' oder andere Gassenhauer für die mühevoll Entwindelten von Rolf Zuckowski oder einem seiner Foltergenossen auch durch Mit-zittrigen-Fingern-am-Balance-Knopf-nach-hinten-Drehen nicht wirklich zum Verstummen gebracht werden kann.
Nun kommt ein kleines Punkrock-Label daher und verspricht die vollkommene Lösung des Problems für die neue Elterngeneration, die ja schließlich mit ganz anderen Tönen groß- und zumindest teilweise auch reifer geworden ist: Kinderlieder in Punkrock-Versionen. Achtzehn mehr oder weniger bekannte Bands aus dem Wolverine-Stall geben mehr oder weniger bekanntes Liedgut wieder, darunter 'Pipi Langstrumpf' und 'Spongebob', die 'Rappelkiste', 'Pumuckel' und 'Ganz doll mich'. Ganz am Ende auch 'Das Lied der Schlümpfe', und spätestens hier fragt sich der Erzeuger verwundert, warum er denn jetzt freudig erregt sein soll, dass er das Ganze nun noch zwischen zwei- und zweiunddreißigmal hören soll, ohne zu schreien und mit Schaum vor dem Mund Toyotas zu jagen.
Der Unterschied ist nämlich nur, dass die "billigen Technobeats" und "Möchtegern-Liedermacher" durch punkrockiges Drei-Akkorde-Geschrammel und Sänger, die mit Mühe einen Ton halten können, ersetzt worden sind. Man muss hier aber zur Ehrenrettung sagen, dass der Tausch gelegentlich tatsächlich ein positiver ist, und dennoch ist diese Scheibe weit entfernt davon, das zu erreichen, was das Label wollte. Denn die Lieder sind weiterhin einfach, werden auch durch simplizistisches Gitarre-Vergewaltigen nicht origineller, und manche der Möchtegern-Liedermacher haben einige der Lieder schon in ihren Versionen musikalisch anspruchsvoller dargeboten.
Man höre sich mal die ganz üble Version von "Die Affen rasen durch den Wald" von THE MAGIC WISHMOBS an; da betet man inständig, dass Rolf und sein Kinderchor doch bitte, bitte, bitte wieder zurückkehren mögen, wir sind von jetzt an auch ganz lieb und werden nicht mehr motzen, bitte, bitte, bitte. Und für 'Bruder Jakob' benötigt man zuerst einmal einen Sänger, der seinen Job zumindest ansatzweise erledigen kann, sonst sucht man sich besser etwas Einfacheres aus. Oder die 'If You're Happy' Vergewaltigung von WILDE ZEITEN. Haste noch Ohrstöpsel für Oma? Die einzig wahre Version davon gab es eh in dem Film "Ice Age 2": 'If Your Species Will Continue, Clap Your Hands'.
Wie bei Samplern üblich, variiert die Qualität der Beiträge natürlich stark. Gegenüber einigen wirklich entsetzlichen Versionen gibt es auch schöne und originelle Interpretationen. Dazu gehören die Beiträge von MR. BUBBLE B., VERLORENE JUNGS, RAMAZURI, LOST LYRICS, die mit ordentlichen musikalischen Fähigkeiten eine gewisse punkige Räudigkeit einfließen lassen, ohne dabei den Song in den Hintergrund treten zu lassen. Doch ich befürchte, dass das für die meisten eine "Highway-CD" ist - sobald man die Autobahn erreicht hat, fliegt die Kacke mit lässigem Oberarm-Schwung aus dem Fenster. Und Vadder Abraham kommt wieder zu Ehren.
Oder bei den richtigen Papas und Mamas, die die musikalische Früherziehung ernst nehmen, wird der Kompromiss mit Initiative und Kreativität gelöst: mit der kindgerechten CD, die nicht nervt. Das geht nämlich. Jeder Stepke steht auf AC/DC, THE BEATLES und die Gassenhauer der NDW wie IDEAL ('Blaue Augen'), EXTRABREIT ('Hurra Hurra'), NENA ('Rette mich'), SPLIFF ('Notausgang', 'Carbonara'), die alle immerhin ihre Gitarre auch schon richtig herum zu halten wussten, oder Klassiker wie REINHARD MEY. Dann fährt es sich mit 'Über den Wolken' und 'Ankomme Freitag den 13.' viel entspannter, und die Rock 'n' Roll Kids dürfen mit Rolf und dem Vadder zusammen eine kurze Party auf der Überholspur feiern, zumindest bis der nächste Sprinter unter Zeitdruck ebenfalls Richtung Oma oder Timbuktu auf selbiger Gas gibt und dem Treiben ein jähes, aber wenig bedauernswertes Ende bereitet.
Und jetzt noch mein persönlicher Top und Flop der Scheibe: Flop ist ganz sicher, dass der Song 'Pumuckl' gleich zweimal interpretiert worden ist. Das ist ja wohl ein großer Fauxpas, oder? Da ist einmal schon zu viel. Und mein Top der Scheibe ist das geradezu phantastische Foto auf der Rückseite, das ein total begeistert aussehendes Mädchen im MOTÖRKID-Shirt die Pommesgabel machend zeigt.
Ansonsten ist das Album aber nur etwas für starke Nerven und verleitet zu dem Fazit: Es bleibt schwierig.
- Redakteur:
- Frank Jaeger