VENOM PRISON - Erebos
Auch im Soundcheck: Soundcheck 02/2022
Mehr über Venom Prison
- Genre:
- Deathmetal / Hardcore
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Century Media
- Release:
- 04.02.2022
- Born From Chaos
- Judges Of The Underworld
- Nemesis
- Comfort Of Complicity
- Pain Of Oizys
- Golden Apples Of The Hesperides
- Castigated in Steel And Concrete
- Gorgon Sisters
- Veil Of Night
- Technologies Of Death
Brachial-vielschichtiges Kopfhörerfutter – Nicht nur für Deathcore-Fans!
Die beiden Frauen blicken dem Betrachter des Covers von "Erebos", das aus Eliran Kantors Feder stammt, inmitten übereinander liegender Leiber verstört entgegen. Sind die anderen Körper Leichen? Eine Frau hält der anderen den Mund zu, jene starrt mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen in Blickrichtung geradeaus auf etwas, offensichtlich sehr erschreckendes und bedrohliches. Ist es "Erebos", der Gott der Finsternis aus der griechischen Mythologie? Könnte man in diese Szene einsteigen, würde man vermutlich die beschwörende und unheilschwanger spannungsgeladene Musik des Openers 'Born From Chaos' hören, der einen geradezu in diesen Berg aus Körpern hineinzuziehen scheint.
Und dort beginnt sie dann mit 'Judges Of The Underworld', die wilde Reise durch die Death-Metal- und Deathcore-Klanglandschaften, die von den Süd-Walisern mit ihrer russisch-stämmigen Leadsängerin auf diesem Album kunstvoll errichtet werden. Dabei verlässt VENOM PRISON zumeist die konventionellen Wege der gängigen Strophe-Bridge-Refrain-Schemata oder immer wiederkehrenden Riffs, und suhlt sich exzessiv im scheinbar völlig unberechenbaren Zusammenfügen von harmonisch flirrenden Leadgitarren-Kaskaden mit teils sehr modernen Gitarrensounds, drückenden, eruptiv über den Hörer hereinbrechenden Breakdowns und Riffsalven, sowie dem faszinierenden Raubtier-Gebrüll der Frontfrau Larissa Stupar. Die jeweiligen musikalischen Fragmente passen dennoch nahtlos zusammen und wirken in einem Song in sich geschlossen. Hervorzuheben ist zudem die Leistung von Joe Bills am Schlagzeug, der sein Instrument meisterhaft mit zahllosen spielerischen Details als solches in die Musik von VENOM PRISON einzubringen weiß, und keinesfalls einfach nur Tempo und Rhythmus bestimmt.
Wie bereits erwähnt erschließt sich die komplexe und nicht immer einfach zugängliche Klang- und Ideenvielfalt der Musik auf "Erebos" vor allem beim Hörgenuss mit dem Kopfhörer. Dazu trägt die perfekte, trockene, aber dennoch voluminöse und kraftvolle Soundproduktion von Scott Atkins einen nicht unbeträchtlichen Teil bei. Ein paar Sätze wert sind mir auch die von Larissa Stupar verfassten Texte, die sich durchgängig schwierigen, sehr emotional besetzten und heftigen Themen widmen. Dabei ist ihre sprachliche Ausdruckskraft bemerkenswert und geht alleine beim Lesen schon unter die Haut. Thematisiert werden zum Beispiel in meiner Interpretation durch Medikamente hervorgerufene psychische Krankheiten und Schuldzuschreibungen dafür in 'Judges Of The Underworld', medizinische Menschenversuche in 'Gorgon Sisters' oder Abschied von verstorbenen nahestehenden Personen in 'Veil Of Night'. Dabei benutzt Stupar passend zum Albumtitel durch den jeweiligen Songtitel bei den meisten Songs eine Analogie zu einer Geschichte aus der griechischen Mythologie
Unzweifelhaft ein echter Hit ist den Walisern mit 'Pain Of Oizys' gelungen, in das völlig geniale, eine spektakuläre Dynamik entfaltende, kurze Piano-Parts eingearbeitet wurden. Es ist auch das einzige Lied, das sich deutlich an oben beschriebenen Strophe-Refrain-Strukturen orientiert. Der Song beginnt mit einem ruhigen Pop-Teil und mündet wiederholt in einen durch seine Sprachrhythmik mitreißenden Refrain, der in einer nicht mehr nur von Corona geprägten Zukunft auf den Tanzflächen einschlägiger Rockclubs sicher enthusiastisch mitgeschrien wird: "Bow to no one - off your knees / I find peace in the roughest seas / Self destruction – soul desease / Live or die – I won’t decease!" Genauso in seinen Bann zieht mich mit seinen fließenden melodiösen Parts 'Veil Of Night'. Zarteren Gemütern seien diese beiden Anspieltipps an Herz gelegt. Und wenn das epische 'Technologies Of Death' das Album mit seinem orchestralen Schlussakkord beendet hat, beginnt bei mir mit 'Born From Chaos' dann häufig sogleich der nächste Durchlauf.
Ob in einige Parts zerstückelte Raserei, wie zu hören in 'Gorgon Sisters', wuchtige, von den Vocals getragene Rhythmik in 'Nemesis' oder die genannten, von melodischeren Stimmungen geprägten Lieder: "Erebos", der dritte Longplayer von VENOM PRISON, ist ein durchgängig starkes Album, das den der Band mittlerweile vorauseilenden, exzellenten Ruf erneut bestätigt. Jeder Musiker brilliert auf seinem Instrument und darf an der einen oder anderen Stelle klanglich schillernd hell aufleuchten! Der Gerechtigkeit halber seien hier noch Ash Gray und Ben Thomas an den Gitarren, sowie Mike Jefferies am Bass namentlich erwähnt.
"Erebos" als modernes Death-Metal/Deathcore-Album ist für Fans der genannten Stile eine absolute Must Have-Anschaffung! Darüber hinaus könnte diese Musik auch Progressive-Metal-Spezialisten liegen, die mit heftigeren Klangteppichen zurechtkommen, sowie natürlich jedem Musikfan, der brachialen, modern produzierten Metal mag und keine Angst vor alles verschlingenden Growls hat! Es ist zu vermuten, dass VENOM PRISON mit diesem starken Werk die nächste kommerzielle Stufe in der Karriere erklimmen wird.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Timo Reiser