VREID - Milorg
Mehr über Vreid
- Genre:
- Black Metal
- Label:
- Indie Recordings / Plastic Head / Soulfood
- Release:
- 23.01.2009
- Alarm
- Disciplined
- Speak Goddamnit
- Blücher
- Blücher pt. II
- Heroes & Villains
- Argumento Ex Silencio
- Milorg
Norwegens Black-Metal-Epiker wagen sich an ein Konzeptalbum zum norwegischen Widerstand gegen die Nazis.
Still künden die melancholischen Streichersynths vom schlummernden Nordland, eisigen Fjorden und trügerischer Sicherheit, als jäh die Luftschutzsirene die Idylle durchschneidet und langsam aber bedrohlich ein Feind am Horizont erscheint, der schon bald gnadenlos und blitzschnell zuschlagen wird. Wir schreiben den Frühling des Jahres 1940, die deutsche Wehrmacht zieht mit Schlachtschiffen und Flugzeugen gen Norden und nimmt die Küsten Norwegens in Besitz. Das Land fällt unter den Schatten des Hakenkreuzes. 'Alarm', der vielseitige und ausladende Opener des vierten VREID-Albums "Milorg", setzt auf sehr beeindruckende Weise die notwendigen Akzente, um den Hörer in die richtige Stimmung für das auf diesem Album gezeichnete Szenario zu bringen. Mit einer meisterlichen Verbindung aus melancholischem Idyll, brutal-frontalem Angriff und klagender Elegie.
Zunächst gebührt den norwegischen Black-Metal-Epikern auf jeden Fall Respekt, dass sie sich zum zweiten Mal - das erste Mal jedoch in englischer Sprache - eines schwierigen Themas annehmen, und sich damit sicher nicht nur Freunde machen werden. Der Albumtitel "Milorg" steht nämlich für "Militær Organisasjon" und ist den norwegischen Freiheitskämpfern gewidmet, welche während des Zweiten Weltkrieges ihre Heimat gegen die deutschen Besatzer und deren Kollaborateure um Norwegens NS-Führer Vidkun Quisling verteidigt haben. Durchaus patriotisch, aber keineswegs deutschfeindlich, wird der norwegische Widerstand geehrt und werden die Faschisten beider Nationen stigmatisiert, nicht ohne auch die Hintergründe kurz zu beleuchten, welche jeweils dazu führten, dass Teile der jeweiligen Bevölkerungen zu willfährigen Helfern der Nazis wurden. Natürlich hat "Milorg" dabei nicht den Tiefgang einer historischen Dokumentation, doch ich denke, dass das Thema gut umgesetzt worden ist. Es wird auch der Zwiespalt, der Bruderkampf und die Spaltung innerhalb der norwegischen Bevölkerung thematisiert, die immerhin Tausende Freiwillige für die SS-Divisionen Nordland und Wiking stellte und für Hitler an die Ostfront ziehen ließ. Dass diese kleine Geschichtsstunde natürlich nicht ohne martialische Schlachtenepen wie dem zum Untergang der "Blücher" abgeht, versteht sich beim gewählten Thema und Genre fast von selbst.
Musikalisch präsentiert sich die Band auf "Milorg" nochmals gereift und doch ihrem Stil und ihren Wurzeln treu, auch wenn der rock'n'rollige MOTÖRHEAD-Touch des Debüts inzwischen fast völlig verblichen ist. Dem Thema entsprechend treffen wir auf martialisch-epischen Black Metal typisch norwegischer Prägung, der oftmals eine marschierende Dynamik entfaltet, dann aber auch wieder durch sphärische Leadgitarren und dahinter stehende Cymbal-Fills eine nordisch-kalte Atmosphäre aufbaut ('Disciplined'). Gesanglich erinnert Sture Dingsøyrs Gesang ein wenig an Olve "Abbath" Eikemo, und auch stilistisch passt der IMMORTAL-Vergleich gar nicht mal so schlecht, was sehr deutlich zum Beispiel bei 'Speak Goddamit' und dem abschließenden Titelstück durchkommt, wenn sich die unbarmherzige Riffwalze mit cleanen Gitarrenpassagen duelliert. Aber auch ganz sparsam dosierte psychedelische Elemente und irres Geblaste ('Blücher') dürfen ebenso wenig fehlen wie einige klare Gesangspassagen und Chöre, die wir sonst vor allem aus dem Viking Metal kennen und die hier immer wieder, aber stets auf sparsame und kitschfreie Weise eingesetzt werden. Auch das grandiose Riffgewitter bei thrashigen und dann doch ein wenig rockigen 'Heroes & Villains' sitzt absolut passgenau. Zudem hat fast jedes Stück einen Refrain, der sofort zündet und im Ohr hängen bleibt, was im Black Metal ja nicht unbedingt der Regelfall ist.
Bei dem spannenden lyrischen Konzept und der wie immer überzeugenden musikalischen Umsetzung dürfte es euch kaum wundern, dass ich VREIDs viertem Scheibchen erneut attestieren muss, dass es auf ganzer Linie überzeugt. Außerdem sollte es in allen Sparten der metallischen Landkarte seine Fans finden, weil die Synthese aus Musik und Konzept einfach auf ganzer Linie passt, und weil die Schublade Black Metal für VREID ohnehin viel zu eng geworden ist. Nicht, weil die Truppe übermäßig progressiv oder avantgardistisch wäre, sondern weil sie ihren Stil auf eine Art und Weise verbreitert und verfeinert hat, dass jeder Freund harten, melodischen und anspruchsvollen Metals mal reinhören sollte.
Anspieltipps: Alarm, Disciplined, Milorg
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle