WITCHBOUND - End Of Paradise
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2021
Mehr über Witchbound
- Genre:
- Melodic Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- El Puerto Records
- Release:
- 30.04.2021
- Prelude
- Battle Of Kadesh
- Interstellar Odyssey
- End Of Paradise
- Carved In Stone
- Flags Of Freedom
- Torquemada
- Nevermore
- Last Divide
- Sea Of Sorrow
- Foreign Shores
- Dance Of The Dead
- These Tears
- As Long As We Can Rock
- Our Hope
Schön, dass dieses Werk trotz tragischer Umstände das Licht der Welt erblicken darf.
WITCHBOUND wurde anno 2014 von vier ehemaligen Sturmhexen gegründet, um das musikalische Erbe des im Jahr zuvor verstorbenen ex-STORMWITCH-Hauptsongwriters Harald Spengler (alias Lee Tarot) weiter zu tragen. Mit dem Debütalbum "Tarot's Legacy" gelang dies auch in vortrefflicher Weise, enthielt jenes doch noch viele von den beiden Gitarristen Stefan Kauffmann und Harald Spengler gemeinsam komponierte Stücke und auch den bereichernden kompositorischen Input von Martin Winkler, der ja ebenfalls über einige STORMWITCH-Erfahrung verfügte. Nach diesem feinen Einstand freute sich der Fan natürlich auf mehr, denn Martin Winkler und Stefan Kauffmann wollten weitere neue Songs schreiben und die Fackel weitertragen, doch leider ließ das Schicksal die Zukunft der Band mit einem Schlag ungewiss werden, denn nach dem tragischen Tod von Gitarrist und Co-Songwriter Martin Winkler nahmen sich die verbliebenen Musiker um Stefan Kauffmann (Gitarre) und Peter Langer (Schlagzeug) verständlicherweise einige Zeit, um sich darüber klar zu werden, ob und wie es weiter gehen würde. Am Ende dieser Zeit stand erfreulicher Weise die Entscheidung, dass das von Stefan Kauffmann und Martin Winkler gemeinsam komponierte Zweitwerk "End Of Paradise" erscheinen soll, und zwar mit einem neu formierten Line-up, das neben den beiden Gründungsmitgliedern nun vom Gesangsduo Tobias Schwenk und Natalie Pereira Dos Santos, sowie von Bassist Frank Bittermann und Gitarrist Julian Steiner vervollständigt wird.
Nachdem "End Of Paradise" nun keine Songs von Harald Spengler mehr enthält und sich auch das Line-up gegenüber dem Debütalbum ganz erheblich verändert hat, dürfte es niemanden überraschen, dass sich die Band stilistisch ein wenig gewandelt hat. Durch die Kompositionsweise von Stefan Kauffmann und sein unverkennbares Gitarrenspiel, sowie etliche melodische Hooklines und sonstige typische Elemente, findet der STORMWITCH-Fan zwar nach wie vor seine Ankerpunkte, doch WITCHBOUND ist anno 2021 sicherlich weit mehr als ein Tribut an alte Hexenzeiten. Erst einmal sind der Sound und teils auch das Riffing deutlich moderner und druckvoller, als man dies vielleicht erwartet haben könnte, gerne auch mal vom Gothic Metal oder gar vom Melodic Death beeinflusst, und zum anderen bietet das neue Gesangsduo einigen Spielraum für zusätzliche Variationen und ausgeprägten Duett-Einsatz. Spannend ist hierbei zunächst einmal, dass in Umkehrung der üblichen Rollenmuster eher Natalie für die aggressiveren Töne verantwortlich ist und dementsprechend auch Credits für "Vocals, Screams & Shouts" bekommt, und für den Klargesang vornehmlich Tobias, der sich mit "Vocals" begnügen muss. Doch keine Sorge, auch Natalie darf ausgiebig klar und schön singen, und auch da macht sie ihre Sache sehr gut.
Nach einem maritimen Wagnerianer-Intro in Holländer-Manier, täuscht 'Battle Of Kadesh' zunächst melodischen Power Metal an, wird jedoch mit Beginn des ersten Verses deutlich heavier, von schweren, dunklen Riffs und Natalies aggressivem Gesang getragen, bevor der Refrain sich melodischer und einschmeichelnder, ein bisschen Gothic-lastig präsentiert, auch mit wuchtigen Synth-Einsätzen. Manchem Freud der klassischen Teutonenstahlklänge mag dieser Auftakt einen zu modernen Ansatz haben, und etwas viel Fokus auf schweren Riffs, doch wie gesagt, es findet sich nach wie vor genug klassische Melodiearbeit und eingängiges Sturmhexenfutter, etwa beim sich direkt anschließenden 'Interstellar Odyssey', dessen Gesangshooklines wirklich puren STORMWITCH-Spirit atmen, den vorrangig Tobias, aber auch Natalie mit den Backings, super herüber bringen, ohne dass hier irgend jemand Andy Mück imitieren wollte. Das Titelstück stampft sich direkt fein ein, hat fast einen gewissen späten IN FLAMES-Groove, Natalie übernimmt die dominierende Leadgesangsarbeit, doch im Refrain liefert sie sich mit Tobias ein tolles Duett, das den Song heraushebt.
Bass und Gitarrensoli lassen 'Carved In Stone' gefühlvoll beginnen, was auch der balladeske Gesangseinstieg von Tobias unterstreicht, bevor das Stück sich in eine druckvolle, dynamische Powerballade entwickelt, die mich ein wenig an mittlere ICED EARTH-Werke erinnert, bevor die Band mit 'Flags Of Freedom' einen schönen, flotten Melodic-Rock-Hit mit im positiven Sinne poppigen Hooks abfeuert, der aber auch mit flammenden Leadgitarren zu überzeugen weiß. Abwechslungsreich geht es weiter, gleich ob es sich um wieder klassischere Metal-Themen wie bei 'Torquemada' handelt, oder ob sich Natalie in den Versen des schnellen, basslastigen 'Nevermore' buchstäblich in Death-Metal-Gefilde vorwagt, die einen starken Kontrast zur sehr melodischen Bridge und dem ebensolchen Refrain bilden. Ein typische Facette des deutschen 80er-Metals taucht dann bei Songs wie 'Last Divide' und 'Foreign Shores' auf, die mit einem deutlich folkigen, shanty-lastigen Touch um die Ecke kommen, während 'Sea Of Sorrow' wiederum sehnsuchtsvolle, balladeske Elemente aufweist, und damit ein kleines bisschen an ZED YAGO erinnert.
Die Melodieführung, die akustischen Gitarren und die Melodie des Keyboards geben dem Intro und dem Instrumentalteil von 'Dance Of The Dead' einen leichten russischen Touch, während sich Verse und Refrain einer gewissen ätherischen Alternative-Schlagseite und einem Hauch Gothic erneut nicht verschließen können, so dass kurz Gedanken sowohl an EVANESCENCE als auch an WITHIN TEMPTATION durch den Kopf huschen, was sich auch bei 'These Tears' wiederfindet. Wenn das Album sodann mit dem klassischen, fröhlichen Melodic-Speed-Metal-Track 'As Long As We Can Rock' aus Kauffmanns Feder, und der schwebenden Akustikballade 'Our Hope' verklingt, dann bin ich mir sicher, dass die neue WITCHBOUND ihre Freunde finden wird, wenn diese sich von Erwartungshaltungen und Vorurteilen gegen zeitgemäße Einflüsse frei machen und die Songs für das schätzen, was sie sind.
Martin Winkler und Stefan Kauffmann haben hier einige sehr gefühlvolle, emotionale und markante Songs geschaffen, und die Instrumentalisten und das Gesangsduo bringen diese Songs auch hervorragend herüber. Was die neue WITCHBOUND dabei sicherlich nicht ist, das ist eine traditionalistische Ersatzdroge für alte Sturmhexenfans. Vielmehr ist "End Of Paradise" ein modernes Metal-Album mit ganz unterschiedlichen stilistischen Einflüssen von klassischem Teutonenstahl über Gothic Metal bis hin zum Melodic Death, das sich denoch durch einen roten Faden auszeichnet und immer wieder mal ganz dezent und freundlich dem STORMWITCH-Fan zuwinkt und mit ein paar urtypischen Referenzen grüßt. Für mich ist es daher wunderschön, dass dieses Werk trotz tragischer Umstände das Licht der Welt erblicken darf und ich hoffe sehr, dass es für WITCHBOUND in Zukunft schon bald die Möglichkeit gibt, den Neuanfang auch live zu zelebrieren.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle