TRANSFER - Future Selves
Mehr über transfer
- Genre:
- Konkret/ Visual Kei/ Indie
- ∅-Note:
- 5.00
- Label:
- Mascot Records (rough trade)
- Release:
- 16.09.2011
- Losing Composure
- Take Your Medicine
- My Suspicions
- Like It Used To Be
- Get Some Rest
- Wake To Sleep
- Enojado
- Like A Funeral
- The Possum
- Deerskin
- White Horse (Bonus Track)
amerikanischer Indie für Brit-Popper
Unglaublich wie viele Genre-Bezeichnungen es doch gibt und das allein im Bereich Rock und Metal. Wenn man nun aber darüber hinaus geht, verliert man völlig den Überblick. So stellt mich die Beschreibung von TRANSFERs neuer Scheibe "Future Selves" ganz schön auf die Probe. Ich höre nun auch nicht erst seit gestern Musik, aber von einer Stilrichtung namens "Konkret" habe ich noch nie etwas gehört. Also frage ich Wikipedia und erhalte folgendes Ergebnis:
"Die Musique concrète ("Konkrete Musik") ist eine Musikrichtung, bei der Klänge aus Natur, Technik und Umwelt mit dem Mikrofon aufgenommen und durch Montage, Bandschnitt, Veränderung der Bandgeschwindigkeit, und Tapeloops elektronisch verfremdet werden. Einflüsse sind vor allem im italienischen Futurismus zu finden."
A ha. Gut, dass wir drüber geredet haben. Zum Glück gibt es auch eine weitere angegebene Stilrichtung. "Visual Kei", das kenne ich. Japanische Musiker wie DIR EN GREY oder MUCC, die eine verrückte Mischung aus Metal, Elektro und Glam abliefern. Komisch nur, dass weder die erste noch die zweite Bezeichnung die Musik der Männer aus San Diego beschreibt. In Wirklichkeit bekommt man nämlich auf der neuen Scheibe der Amis eine äußerst poppige Mischung aus Postpunk, Britpop und klassischem Folk vorgesetzt. Irgendwie enttäuschend, denn die beiden obengenannten Musikrichtungen klingen viel interessanter als diese elf Songs.
Allein die ersten Tracks ('Losing Composure', 'Take Your Medicine' und 'My Suspicisions') sind sehr stark angelehnt an Vorbilder aus dem Mainstream wie THE LIBERTINES, THE KILLERS oder auch den KAISER CHIEFS. Dabei ist wirklich schade, dass die Lieder so glatt und massentauglich produziert worden sind, denn dadurch verlieren sie völlig ihre Seele. Nach einem meistens guten ambienten und postrockigen Beginn oder Zwischenspiel werden immer wieder schmalzige und ausgelutschte Melodien aufgelegt. Wenn dann noch nicht jedes Leben im jeweiligen Stück getötet hat, legt man noch schwülstige Pianos und Streicher drüber. Bei allem was recht ist, aber das ist nur schwer zu ertragen und es folgen ja noch acht weitere Lieder.
Natürlich gibt es auch ein paar positive Momente, so sind beispielsweise 'Like It Used To Be' und 'Enjado' ganz nette, sphärische Songs, die sogar einigermaßen rockig daherkommen. In diesen etwas gitarrenträchtigeren Augenblicken fallen sowohl stimmlich als auch instrumental Parallelen zu U2 ins Auge. Ob das nun ein Kompliment oder eine Beleidigung ist, überlasse ich jedem selbst.
Selbst beschreiben sich die Kalifornier übrigens als "a muumuu of music draped over the grandma of their genre" und das kann man auch so verstehen, dass man sich beispielsweise bei 'Get Some Rest' von den BEATLES oder bei 'Like A Funeral' von alten Folk-Sängern hat beeinflussen lassen. Der Sound der Band hat auch an anderen Stellen ganz klare Retro-Elemente, dennoch wurden beim Songwriting zu viel Britpop und MTV-Möchtegern-Indie beigemischt, die den Hörer immer wieder denken lassen, das gerade ein weiterer guter Ansatz und eine schöne Stimmung durch Kuschelrock-Sing-Sang, Schlager-Keyboard-Sounds und unrockbare Riffs zerschossen wurden. Wieso kann man einen (zu Beginn) psychedelischen Track wie 'The Possum' nicht einfach auch genau das sein lassen und baut nach einem Shoegaze-Intro Strukturen ein, die man eher bei COLDPLAY vermuten würde?
Nicht mal bei 'White Horse', einem Song bei dem tatsächlich mal ein doomiges und stoner-rockiges Gesamtbild entsteht, können sich die Amerikaner es nicht verkneifen, wieder ausgiebig Indie-Ausflüge zu unternehmen. Trotzdem bleibt der Schlusstitel das Highlight des Albums (und das nicht nur, weil man danach endlich erlöst ist), Denn der Western- und Desert-Rock-Anteil schafft es, sich großteils zu behaupten und klingt noch am ehesten nach Rockmusik.
Insgesamt reicht aber ein annehmbarer Song natürlich nicht für ein gutes Album. Hier wurde schlichtweg zu Tode produziert und auf Biegen und Brechen versucht massentauglich zu sein, was natürlich fast immer in die Hose gehen muss. Wenn man sich auf avantgardistische Soundexperimente beschränken würde (die spacigen Riffs sind nämlich wirklich interessant) und auf unsägliche Pop-Trademarks (angefangen beim Kitsch-Gesang) verzichten würde, wäre mit Sicherheit mehr drin gewesen. So aber bleibt TRANSFERs "Future Selves" nicht mehr als unteres Mittelmaß.
- Note:
- 5.00
- Redakteur:
- Adrian Wagner