Unruly - Ohne jede Regel
- Regie:
- Philippe Bérenger
- Jahr:
- 1998
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Frankreich / Italien
- Originaltitel:
- Nessuna Regola
1 Review(s)
23.03.2007 | 08:29Ein Knacki macht den Freischwimmer
Nach einigen Jahren in Haft kehrt Pitou (Cassel) in seine Heimatstadt Marseille zurück. Es hat sich einiges verändert ... und das leider nicht zum Guten: Seine Ex-Geliebte Marguerite (Bellucci) hat aus Frust seinen Bruder geheiratet, sein bester Freund Gilles ist jetzt ein skrupelloser Mafiaboss. Schnell haben Pitou die Schatten der Vergangenheit eingeholt, es scheint, als hätten sich alle gegen ihn verschworen. Eine regelrechte Hetzjagd beginnt. Als sein Bruder getötet wird, gibt es für Pitou nur noch ein Ziel: Rache. (Verlagsinfo)
Filminfos
O-Titel: Nessuna Regola (Frankreich 1998)
Dt. Vertrieb: e-m-s (DVD: 15.02.2007)
FSK: ab 18
Länge: ca. 97 Min.
Regisseur & Drehbuch: Philippe Bérenger
Musik: Bruno Bertoli
Darsteller: Monica Bellucci, Vincent Cassel, Enrico Lo Verso u. a.
Handlung
Pitou (Cassel) saß drei Jahre im Knast, aber nun kehrt er zurück in seine Heimatstadt: Marseille. Doch nicht sein Bruder Georges holt ihn am Bahnhof ab, sondern sein angeblich bester Freund Gilles. Gilles ist ein junger Mann mit großem Ehrgeiz: Er will nicht nur die Unterwelt übernehmen, sondern auch in die Politik einsteigen. Zudem hat er seinen eigenen Polizisten an der Hand, einen gewissen Ramirez. Da kann ja fast nichts mehr schiefgehen.
Nachdem er sich bei seinem Bruder und dessen schwangerer Frau Marguerite (Bellucci) einquartieren durfte, bekommt Pitou einen Job als Barkeeper in Gilles' Nachtklub und Tanzbar "Light", direkt an der Küste. Hier kommt es eines Abends zu einem Zwischenfall mit weitreichenden Folgen. Ein Araberpärchen wird erst von Gilles' Spezis nicht in den Klub gelassen und dann auch noch belästigt. Das passt Pitou gar nicht, der Rassismus nicht ausstehen kann. Er hat sich wirklich verändert. Und die anderen, die ihn ständig triezen, verstehen das nicht. Durch seine Intervention kommt das Pärchen zwar ungeschoren davon, doch sein Hündchen muss dran glauben.
Als das Pärchen anderntags mit Verstärkung zurückkehrt, um Rache für den Hund zu fordern, werden sie alle abgeknallt. Der Schütze, Busse, ist nicht gerade der geduldigste Zeitgenosse. Doch statt ihn abzukanzeln, unterstützt ihn Gilles auch noch, wie Pitou erstaunt zur Kenntnis nimmt. Nicht nur das: Pitou soll der schwer verletzten Araberfrau den Gnadenschuss verpassen, um seine Loyalität zu Gilles zu beweisen. Es dürfe keine Zeuge geben, denn das Geschäft gehe vor. Das Erschießen bleibt Pitou erspart, doch Gilles knallt die Frau trotzdem ab - und dann erst Busse.
Nun steht Pitou ganz klar auf der anderen Seite. Auf den Rat von Marguerite und Georges hin vertraut er sich Ramirez an. Doch statt Pitou aufs Revier zu fahren, bringt er Pitou an den schlimmstmöglichen Ort: ins Araberghetto Bellevue. Hier ist er zwar, glaubt er, vor dem Zugriff von Gilles' Killern sicher, aber auch die Araber haben ihre bewaffnete Truppe, und die will eine offene Rechnung begleichen. Es gibt nur einen, der ihm Schutz zwischen diesen beiden Fronten gewähren könnte: sein alter Kumpel Raschid.
Mein Eindruck
Der Streifen möchte eine durchaus ernst zu nehmende Geschichte erzählen: dass ein Franzose aus Marseille mitunter bei den Arabern mehr Überlebenschancen hat als draußen in der freien Wildbahn, wo die Gesetzlosigkeit zusammen mit der Korruption regiert. Denn das arabische Bellevue scheint eine geradezu dörfliche Gemeinschaft mit strengen Gesetzen und hohem Zusammenhalt zu sein.
Für welche Welt wird sich Pitou am Ende, wenn alles gesagt und getan ist, entscheiden? Für Marguerite, die für die Welt der Weißen steht, oder für seine neue Flamme, die er in Bellevue gefunden hat? Vor dem finalen Shootout mit Gilles' Leuten hat er zweifelsohne die Chance, Marguerite für sich zu gewinnen, wenn er den Mörder ihres Mannes zur Strecke bringt. Die Chancen für seine Rückkehr stehen gut, ja, sogar für seine Übernahme von Gilles' Organisation. Doch dazu kommt es nicht ...
Was wohl ein Hollywoodregisseur der späten fünfziger oder frühen sechziger Jahre daraus gemacht hätte - es ist müßig, aber interessant darüber zu spekulieren, wie diese Story in einem Western ausgesehen hätte. Wie auch immer: Cassel und Bellucci agieren in einem modernen Marseille, das nach ebenso archaischen Gesetzen regiert wird, wie sie in einem Western zum Tragen kommen. Auge und Auge, Zahn um Zahn.
Leider hat das Budget nicht ausgereicht, um eine ordentliche Kameraarbeit hinzubekommen und einen Interesse weckenden Schnitt. Um den offenbar gewollt semidokumentarischen Charakter des Films zu unterstreichen, wurde viel mit der Handkamera aufgenommen, was an den häufig unruhigen Bildeinstellungen abzulesen ist. Dagegen sind Panoramaaufnahmen recht statisch und machen die Akteure klein, so als ob sie auf einer Bühne aufträten.
Aber immerhin wurde auf einen Erzähler aus dem Off verzichtet, so dass die Bilder komplett für sich sprechen müssen - und es können. Für die Figuren bleibt da nur wenig zu reden, und wenn, dann meist nur im Streit. Das spricht für eine gute Dramaturgie, doch statt wie üblich in einem bestimmten Rhythmus mal zur Sache zu kommen, dehnt sich das Vorspiel zur Überlänge aus. Das mag in einem Dokumentarfilm angebracht sein, doch in einem Sozialthriller wirkt es nur nervend.
Der beste Schauspieler im Film ist weder Cassel noch die in eine Nebenrolle abgedrängte Bellucci, sondern ein zehn- oder zwölfjähriger arabischer Junge mit dem Rollennamen Momo. Er redet wie ein alter Gangster, der schon alles kennt, und erstaunlicherweise ist er der Einzige, der Pitou beim Showdown gegen Gilles helfen darf - mit einer Knarre, auf die auch Dirty Harry stolz gewesen wäre (der bekanntlich Kaliber 45 bevorzugte).
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,78:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 5.1, Frz. und Ital. in DD 2.0
Sprachen: D, F, I
Untertitel: D
Extras:
- O-Trailer
- Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität des Bildes entspricht digitalem Video, aber nicht HD. Es ist also recht klar und scharf, bis auf Aufnahmen in der Nacht, und davon gibt es reichlich. Der Ton nach Dolby-Digital-Standard ist zwar okay, doch die Möglichkeiten des Sechs-Kanal-Tons werden nicht einmal ansatzweise ausgereizt. Stereoton ist das, was die Ohren des Zuschauers erreicht. Auch hier hatte ich wieder den Eindruck, dass auf Fernsehniveau gearbeitet wurde.
Der Originaltrailer wartet mit einer bombastischen Musik auf, die sich in der Menümusik wiederholt: sehr melodramatisch. Das soll wohl die italienischen Zuschauer ansprechen, die hier auf ein sizilianisches Verbrecherdrama hoffen, mit Monica Bellucci als rächende Mutter im siebten Monat, sozusagen eine Erinnye nach antikem Zuschnitt. Sogar die Titelei ist komplett in Italienisch gehalten.
Neben dem Trailer wartet die Silberscheibe nur mit einer Trailershow als Zugabe auf. Diese Show ist mit der nervtötenden Arab-Rap-Musik unterlegt, die am Schluss des Films den Abspann begleitet. Dass es keinerlei echtes Bonusmaterial gibt, spricht nicht gerade für die sorgsame Markteinführung dieser DVD. Aber vielleicht hält man in der FSK-18-Klasse Hintergrundinformationen für luxuriösen Schnickschnack.
Unterm Strich
Trotz des reißerischen deutschen Titels bietet "Unruly" eine Story, die Interesse zu wecken vermag, allerdings eher bei Filmfreunden, die sich auch für sozialkritische Themen begeistern können. Das sympathieweckende Element ist der Schauplatz des Araberghettos Bellevue - die anderen Schauplätze kennt man schon zur Genüge aus Gangster- und Ballerfilmen wie etwa von Belmondo.
Leider hapert es ein wenig an der Umsetzung dieser guten Storyvorlage, und am Ende mutet der Streifen eher wie eine Fernsehproduktion als ein Leinwandhit an. Die Spannung bleibt in der Mitte auf der Strecke, und erst der Showdown dürfte die Actionfreunde voll und ganz zufrieden stellen.
- Redakteur:
- Michael Matzer