Arbitrage - Macht ist das beste Alibi (Blu-ray)
- Regie:
- Nick Jarecki
- Jahr:
- 2012
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Arbitrage
1 Review(s)
16.06.2013 | 20:31Der Finanz-Jongleur auf dem moralischen Hochseil
Robert Miller (Richard Gere) scheint alles im Leben erreicht zu haben. Er ist ein erfolgreicher Hedgefonds-Manager in New York und noch dazu mit einer großartigen Familie gesegnet. Seine Frau Ellen (Susan Sarandon) steht ihm immer loyal zur Seite und seine brilliante Tochter Brooke (Brit Marling) ist in Daddys Fußstapfen getreten und auf dem besten Weg, Karriere in seiner Firma zu machen.
Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt ein ganz anderes Bild: Miller versucht verzweifelt sein Unternehmen an eine große Bank zu verkaufen, bevor die Betrügereien ans Tageslicht kommen, mit denen er jahrelang seine Geschäfte gedeckt hat. Und auch privat führt Robert ein Doppelleben - hat er doch neben seiner Ehe eine Affäre mit der französischen Kunsthändlerin Julie (Laetitia Casta).
Gerade als er dabei ist, sein Imperium zu verkaufen, begeht er einen folgenschweren Fehler, der ihn ins Visier von Detective Bryer (Tim Roth) geraten lässt. Nun beginnt Miller die Zeit davonzulaufen und er sieht sich gezwungen, seine eigenen moralischen Grenzen zu überschreiten... (Verleihinfo)
Für seine Leistung in diesem Film wurde Richard Gere für den Golden Globe nominiert.
Zum Titel: "arbitrage" bedeutet in der Wirtschaft das gleichzeitige Kaufen und verkaufen von Werten auf verschiedenen Märkten oder in Derivaten, so dass der Händler von den Preisunterscheiden einen Gewinn einstreichen kann. Daher also das Jonglieren mit zahlreichen Aktionen und Dingen. "arbitrage" stammt vom lateinischen Wort "arbiter" für Schiedsrichter (des guten Geschmacks) ab.
Filminfos
O-Titel: Arbitrage (USA 2012)
Dt. Vertrieb: Universum Film
VÖ: 7.6.13
EAN: 887654839190
FSK: ab 12
Länge: ca. 107 Min.
Regisseur/ Drehbuch: Nick Jarecki
Musik: Cliff Martinez; Björk u.a.
Darsteller: Richard Gere (Robert Miller), Susan Sarandon (Ellen Miller), Brit Marling (Brooke Miller), Tim Roth (Detective Bryer), Nate Parker (Jimmy), Laetitia Casta (Julie Coté) u.a.
Handlung
Der New Yorker Hedgefonds-Manager Robert Miller ist ein richtiger Jongleur. Kaum hat er mit seiner Frau Ellen, den beiden Kindern und ihren Enkeln seinen 60. Geburtstag gefeiert, verduftet er nochmal kurz, um seine Geliebte Julie, eine Malerin, zu besuchen. Nur bei ihr kann er richtig leidenschaftlich sein. Blöd findet sie allerdings, dass er sich nicht von ihr scheiden lassen will. Na, wenigstens hat er der Französin eine schöne Wohnung und eine schicke Galerie besorgt. Er kommt doch sicher zur Vernissage, oder? "Ganz bestimmt" bedeutet bei ihm "Mal sehn".
Denn Roberts Firma Miller Capital steckt in Schwierigkeiten. Eine Bank hat Interesse daran, die Firma zu kaufen, doch ihre Prüfer dürfen auf keinen Fall entdecken, dass 412 Millionen Dollar nicht in den Büchern zu finden sind - die hat ihm sein Investor Jeremy geliehen, zu einem anständigen Zinssatz versteht sich. Nun will Jeremy sein Geld bis übermorgen zurückhaben. Langsam wird die Luft dünn für Robert.
Aber sie wird noch viel dünner, als seine Tochter Brooke, die bei ihm angestellt ist, seltsame Ungereimtheiten in den Büchern entdeckt - und von Angestellten gesagt bekommt, auf wessen Anweisung diese "Fehler" eingefügt wurden. Sie muss ihn möglichst bald zur Rede stellen, denn sollte diese Sache bei der Börsenaufsicht bekannt werden, könnte diese ihr die Maklerlizenz entziehen - und danach kann sie sich als Putzfrau verdingen.
Bei einem Besuch bei Julie - ja, er war auf ihrer Vernissage - lädt er sie zu einer romantischen Nacht in seinem Landhaus an der Küste ein. Doch er nickt am Steuer ein, der Mercedes streift die Seitenbegrenzung, überschlägt sich - und Julies Genick ist gebrochen. Was tun? Niemand darf von dieser fahrlässigen Tötung erfahren, sonst platzt der Bankendeal - und seine Ehe mit Ellen. An wen kann sich Robert mitten in der Nacht in der Mitte von Nirgendwo wenden?
Er macht einen folgenreichen Fehler, als er Jimmy Grant, seinen gut versteckten Ziehsohn, anruft, um ihn abzuholen. Und das führt die Polizei in Gestalt von Detective Bryer auf seine Fährte...
Mein Eindruck
Der Zuschauer fragt sich also gespannt zwei Dinge: Wird es Robert gelingen, den Verkauf seiner Firma doch noch über die Bühne zu bringen? Und wird ihn die Polizei wegen des Todes von Julie belangen können? Dem Film gelingt es, beide Handlungsstränge bis zum Schluss spannend und in der Schwebe zu halten, so dass erst im Epilog klar wird, ob Robert davonkommt oder nicht. Diese "suspense" hat doch einiges, das an Hitchcock erinnert.
Mitten im Epilog bricht der Film abrupt ab, bevor Robert eine Rede halten kann. Das hat einige Zuschauer verstört, die dachten, da müsse ja wohl noch was kommen. Aber: Es ist klar, dass die eigentliche Story, die zu erzählen war, beendet ist. Jede weitere Szene würde eine neue Story anfangen.
Richard Gere
Ebenso gut wie die "suspense" ist das Spiel der erfahrenen wie auch der neuen Schauspieler. Richard Gere, mittlerweile silberhaarige 63 Jahre alt, ist hier in seiner besten Rolle seit "Untreu" (2002) zu sehen und wurde dafür für den Golden Globe nominiert. Er trägt die Rolle des unsympathischen Finanzhais erstaunlicherweise wie einen neuen Anzug, so gut passt sie ihm. Das liegt teilweise an den intensiven Recherchen an der Wall Street selbst, wie aus dem Making-of hervorgeht. Als Gere im Handelsraum der New Yorker Börse auftrat wurde er sofort begeistert umringt - und so konnte er die Broker nach ihren privaten Erfahrungen fragen.
Gere schrieb ebenso wie Susan Sarandon und Tim Roth am Drehbuch mit. Während Sarandon immer die gleiche Rolle der abgeklärten Ehefrau durchaus überzeugend spielt (schon in "Thelma & Louise"), krempelte Tim Roth ("Reservoir Dogs") seine Rolle als Cop völlig um, so dass er nun als zynischer Wadenbeißer auftritt, der nur zu gern einem Finanzjongleur etwas am Zeug flicken würde. Dabei greift Det. Bryer auch zu einem schmutzigen Trick...
Brit Marling
Interessant sind die beiden Newcomer in dieser erlauchten Riege. Brit Marling ("Sound of My Voice") hat - man staunt - selbst einen Abschluss in Wirtschaft und hat selbst an der Wall Street gearbeitet. Wenn sie also den drohenden Verlust ihrer Lizenz beklagt, dann weiß sie absolut genau, wovon sie redet. Sie schreibt, führt Regie und produziert - eine Senkrechtstarterin. Ihre Rolle erinnert etwas an die von Ivanka Trump, der Gattin des Tycoons Donald Trump.
Nate Parker
Ebenfalls eine gute Entdeckung ist Nate Parker in der Rolle des Jimmy Grant, dem verborgenen Ziehsohn Robert Millers. Denn Miller vertritt an Jimmy die Stelle von dessen verstorbenem Vater, Millers langjährigem Fahrer - und der hat mit Miller sicher bei vielen krummen Dingern unter einer Decke gesteckt. Jimmy ist nicht nur wichtig, weil er Miller an die Cops verraten könnte, sondern weil er Millers kaltschnäuzigem Materialismus eine ganz andere Ethik gegenüberstellt.
Diese Ethik basiert auf dem Prinzip, seine Freunde niemals zu verraten, selbst diese dich verraten - und Miller tut dies ja, indem er Jimmy als Fahrer missbraucht. Wo Jimmy auf moralische Integrität setzt, hantiert Miller immer gleich mit Geld. Aber mit Geld kann man Freundschaft nicht kaufen.
Sonstige
Dann gibt es da noch die Mittelsmänner, die keine Seele besitzen, weil sie sie längst an ihre Auftraggeber verhökert haben. Diese Verhandler und Anwälte werden von gediegenen alten Herren gespielt, die das aus dem Effeff beherrschen. Man also unterm Strich sagen, dass das Casting ausgezeichnet gelungen ist. Und Casting, das weiß Woody Allen aus Erfahrung, macht 90 Prozent des Erfolgs eines Films aus. Deshalb sammelt er aufstrebende Schauspieler wie Scarlett Johannson oder Penelope Cruz oder Javier Bardem (mit ihnen wurde "Maria Cristina Barcelona" ein echter Hit) und viele andere.
Die Blu-ray
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (1080pi/24)
Tonformate: D in DTS-HD 5.1, Englisch in DTS-HD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Regionalcode: B
Extras:
- Trailer
- Making-of
- Wer ist Robert Miller?
- Interviews
- Deleted Scenes
- Trailershow
Mein Eindruck: die Blu-ray
Wie man von einer Blu-ray erwarten kann, sind Bild und Ton von ausgezeichneter Qualität. Ob bei Kerzenlicht auf der Geburtstagstorte oder im finstern Wald, stets wirkt das Bild in Ordnung. Der Regisseur und sein Kameramann verstehen offenbar ihr Handwerk. Das keine englischen Untertitel vorliegen, finde ich nicht so schlimm. Wer die englische Tonspur versteht, dürfte durch englische Untertitel nur unwesentlich mehr verstehen.
EXTRAS
1) Making-of: Ein Blick auf "Arbitrage" (11:45 min.)
Dies ist Nick Jareckis erster Spielfilm, doch die Machart verrät bereits Souveränität, Leidenschaft (im Thema) und großes Talent. Gere lobt mehrfach Jareckis Drehbuch und die Rollen. Denn der Film wird nicht von der "Hardware" getragen, sondern von den Charakteren. Alle fünf Hauptdarsteller werden gewürdigt und (positiv) beurteilt. New York spielt natürlich ebenfalls eine Hauptrolle. Jarecki erzählt, wie drei Wochen lang geprobt wurde und die Cast einmal die Börse besuchte (s.o.). Für die Verwirklichung seines Projekts brauchte er zwei volle Jahre.
2) Wer ist Robert Miller? (5:03 min)
Robert Miller ist, anders als der Bauernsohn Gere, ein städtischer Selfmademan. Er ist ein guter Familienvater, aber schlechter Ehemann, denn er hält sich eine Geliebte (Laetitia Casta mit schwarzem Haar). Miller legt Willenskraft, Schlauheit und Wärme an den Tag, aber auch knallharte Verhandlungstaktiken, einmal wird er sogar gewalttätig. Tim Roth bekennt, dass er selbst Erfahrungen mit solchen Finanzjongleuren hat. Er findet Richard Gere völlig glaubwürdig in seiner Rolle.
3) Interview mit Richard Gere (5:40 min)
Gere lobt erneut das tolle Drehbuch (an dem er selbst herumschraubte) und lässt sich über seine Rolle und den Plot aus. Die 31 Drehtage waren sehr kurz, aber die Crew war durch das Proben sehr gut vorbereitet. In seiner Rolle steckt kein Funke von sich selbst, beteuert er, denn er wuchs auf einer Farm und in einer Kleinstadt auf.
4) Interview mit Nick Jarecki & Nate Parker (7:40 min.)
Jarecki kam die Idee zu der Story anno 2008, als er die Hälfte seiner Ersparnisse verlor. Selbst seine Eltern, beide Geschäftsleute, konnte ihm die heftige Finanzkrise nicht erklären. Er fragte sich, wer diese Finanzmakler à la Lehman Brothers und Madoff sind. Er konnte das Verbrechen hinter dem Reichtum ahnen, aber vielleicht gab es auch dort noch Menschlichkeit. Jimmys Schicksal erscheint nun wie eine Parallele zu Jareckis eigenem Schicksal. Parker erzählt, wie er den Jimmy sieht: als moralischen Gegenpol zu Miller.
5) Deleted Scenes (10:20 min)
Überflüssige Szenen mit Robert Miller, Bryer und Brooke Miller. Aber die Szenen zwischen Jimmy und seiner Frau Reina hätten drin bleiben sollen. Sie zeigen Jimmy von seiner anderen Seite.
6) Trailershow
a) Der Geschmack von Rost und Knochen (mit Marion Cotillard)
b) Broken City (Mark Wahlberg, Russell Crowe)
c) 96 Hours - Taken 2 (Liam Neeson)
d) Silver Linings
e) The Tall Man (Horror)
f) House at the End of the Street
Unterm Strich
Dass Frauenschwarm Richard Gere hier als Schurke auftritt, dürfte für so manchen weiblichen Fan erst einmal schwer zu akzeptieren sein. Die Online-Zuschauerreaktionen zeigen das deutlich. Doch genau dies bringt dem Altstar Pluspunkte bei den Kritikern ein, die, wie ich, Gere nie als ernsthaften Schauspieler betrachtet haben, sondern als hinduistisch angehauchten Gutmensch und Schönling, der so tut, als könnte er schauspielern.
Die Rolle des "Master of the Universe" stellt eine Herausforderung dar, doch Gere meistert sie eindrucksvoll. Robert Miller wird dazu gezwungen, sich seiner Tochter zu offenbaren - der Kamerawinkel von oben herab ist für ihn extrem nachteilig: Er erscheint in der Defensive, während Brooke auf ihn herabblicken darf. Miller muss sich aber auch seinem Ziehsohn gegenüber verteidigen, und bei seiner Frau Ellen, gespielt von der energischen Sarandon, zieht er sowieso den Kürzeren.
Das einzige Detail, was mich gestört, war die von Det. Bryer am Rande erwähnte Parallele zu Edward M. Kennedy. Der Bruder von John John F. und Robert Kennedy war natürlich, ebenso wie Robert Miller, ein mächtiger Mann. Doch ihm widerfuhr das peinliche "Missgeschick", dass er mit seiner Geliebten Mary Jo Kopechne über das Geländer einer Brücke bei Chappaquiddick fuhr und sie ums Leben kam (vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Chappaquiddick_incident). Wurde er deshalb vor ein Gericht gestellt? Natürlich nicht! Denn "Macht ist das beste Alibi", wie der Untertitel sarkastisch provoziert. Er wurde vielmehr der mächtigste Senator der Demokraten.
Ob Robert Miller davonkommt, darf hier nicht verraten werden. Es ist dem Zuschauer überlassen, ob er über Miller, den beinahe-Mörder, ein negatives oder ein positives Urteil fällt. Denn Miller wird nicht etwas vom Saulus zum Paulus; der Unfall ist kein Damaskuserlebnis, das ihn zum Gutmenschen bekehrt. Nein, er hat eine Firma zu retten und ein Gesicht zu wahren. Der Preis dafür wird hoch sein...
Man kann also sagen, dass dies ein Film für den denkenden Menschen ist, der sich die Frage stellt: Wer sind diese "Master of the Universe", diese Finanzjongleure, die 2008 die Welt an den Rand des Abgrunds getrieben und eine Krise verursacht haben, die bis zum heutigen Tage andauert? Wir würden sehr gerne den Daumen über Robert Miller senken und doch fällt es uns überraschend schwer. Das ist wohl die eigentliche Leistung des Regisseurs und seines Hauptdarstellers.
Die Blu-ray
Bild und Ton sind bestens. Das Bild macht klar, dass dieser Film nur in der Heimat der Wall Street spielen kann: New York City. Spiegelnde Flächen, halbdurchlässig, dann wieder glänzende Spiegelsäle, aber auch dunkle Gassen vor Hinterhäusern . Hell und Dunkel sind hier sehr nah beieinander. Das Bonusmaterial hat mich zufriedengestellt; es ist nicht zuviel und nicht zuwenig.
Michael Matzer (c) 2013ff
- Redakteur:
- Michael Matzer