Bad Guy
- Regie:
- Kim Ki-Duk
- Jahr:
- 2001
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Südkorea
- Originaltitel:
- Nabbeun namja
2 Review(s)
15.02.2006 | 10:15Der südkoreanische Regisseur Kim Ki-duk gilt als kontrovers – vor allem in seiner Heimat. Dort wird er in etwa so wahrgenommen wie Takashi Miike in Japan: als Provokateur, als Grenzen überschreitender Freak, als Sexist, ja gar als Frauenhasser. Und die Zahl derer, die sich mit den Werken des 45-jährigen auseinandersetzen, dürfte sich mit der Zahl seiner Gegner, die ihn und seine Filme kategorisch ablehnen, ungefähr die Waage halten. Im Westen hingegen stellt sich die Sache schon merklich anders dar. Hier nominierte man den Regisseur bei den einschlägigen Filmfestivals schon mehrfach für diverse Auszeichnungen (Biennale, Sundance Film Festival, Berlinale) und bringt ihm auch abseits dieser Veranstaltungen Anerkennung entgegen. Diese extreme Spaltung des Publikums macht deutlich: Kim Ki-Duks Filme lassen niemanden kalt. Auch "Bad Guy" nicht.
Story:
Die Studentin Sun-hwa wird auf der Straße von dem ihr völlig unbekannten Han-ki sexuell belästigt. Herbeieilenden Soldaten gelingt es schließlich, den Mann von der jungen Frau loszureißen. Nachdem diese ihn zusammengeschlagen haben, wird er auch noch von seinem Opfer bespuckt. In Han-ki reift daraufhin das Verlangen, sich an der Studentin zu rächen. Durch eine perfide List macht er Sun-hwa von sich abhängig und zwingt sie in die Prostitution, was für diese der Beginn eines langen Leidenswegs ist.
Kritik:
"Bad Guy" ist ein unbequemer Film. Und er ist zum Scheitern verurteilt, wenn man als Zuschauer nur in den Kategorien "schwarz und weiß" denkt und keine Grauzonen zulässt. In diesem Fall wird man die Herausforderung, die der Film an jeden einzelnen stellt, als reine Provokation fehlinterpretieren und Kim Ki-duk samt seines Hasses auf Frauen zum Teufel wünschen. Das mag sicherlich der einfachere Weg sein, jedoch ist es auch der oberflächlichere.
Bevor man sich mit "Bad Guy" eingehender auseinandersetzt, muss man zunächst die etwas an den Haaren herbeigezogene Ausgangssituation der Geschichte akzeptieren. Denn eins ist auch in diesem Film augenscheinlich: Kim Ki-duk geht es in seinen Werken nicht um eine ausgefeilte Story, sondern um seine Figuren und deren Wirkung auf das Publikum. Er konzentriert sich auf das, was sie tun, nicht unbedingt auf das Warum. Und im vorliegenden Fall hat man als Zuschauer doch einige Schwierigkeiten, nachzuvollziehen, wie Sun-hwa aus einem völlig intakten sozialen Umfeld unfreiwillig in die Prostitution gezwungen und regelrecht in ein Bordell verschleppt werden kann, ohne dass ihr jemand (z. B. ihr Freund, der von ihrem Aufenthaltsort Kenntnis hat!) beisteht.
Diese Ungereimtheiten geraten allerdings sehr schnell in Vergessenheit, wenn man Zeuge des Leids wird, das Sun-hwa erfahren muss. Dabei ist es vor allem die psychische Gewalt, der die junge Frau ausgesetzt ist, und die absolute Unfähigkeit, sich gegenüber ihren Peinigern (neben Han-ki fungieren noch zwei weitere Männer als ihre Zuhälter) zur Wehr zu setzen, die großes Unbehagen auslösen und den Film nicht leicht konsumierbar machen.
Ein Großteil der Kritik, der "Bad Guy" ausgesetzt war und ist, konzentriert sich vor allem auf die Charakterzeichnung der Hauptfiguren Sun-hwa und Han-ki. Denn anders als beispielsweise Lukas Moodysson, der in seinem thematisch ähnlich gelagerten "Lilja 4-ever" (2002) – richtigerweise! – Partei für seine weibliche Hauptfigur ergreift, hält sich Kim Ki-duk diesbezüglich völlig zurück. Ja, schlimmer noch: Er konzentriert sich größtenteils auf Han-ki, den er als äußerst verletzlichen Menschen darstellt (und eben nicht ausschließlich als Kriminellen), der in einer Welt lebt, die ihre eigenen Regeln und Normen hat. Die Versklavung der Sun-hwa ist dabei seine Art, die junge Frau an sich zu binden. Es ist sein Hilferuf nach Zuneigung. Und neben dem eingangs erwähnten Rachemotiv wird dies im Verlauf der Geschichte Han-kis Hauptantrieb. Unfähig, sich richtig zu artikulieren, bedient er sich dabei des einzigen Mittels, das er jemals kennen gelernt hat: Gewalt. Gewalt, die sich aber niemals in körperlichen Übergriffen auf Sun-hwa entlädt, was die seelischen Qualen, die er ihr zufügt, natürlich nicht verharmlost.
Das Unangenehme an der Art, wie Kim Ki-duk seine Charaktere anlegt, ist, dass man sich als Zuschauer dabei ertappt, wie man mit Fortschreiten der Geschichte fast genauso viel Mitleid für Han-ki wie für Sun-hwa empfindet. Und genau das ist es, was der Regisseur mit seiner Geschichte bezweckt. Er stellt sich die Frage, wie ein Krimineller wie Han-ki handelt. Was treibt ihn an, und wie schlägt er sich in einem Umfeld durch, das auf Unterdrückung, Einschüchterung und dem Recht des Stärkeren basiert? Der Zuschauer muss dabei die Entscheidung treffen, inwieweit er sich auf die Figur des Han-ki einlässt und wie viel er von seinem Handeln verstehen will.
Hat man sich gerade an das unbehagliche Gefühl gewöhnt, dass man Han-ki gar nicht verurteilen kann, kommt auch schon der nächste Brocken: Im Verlauf der Handlung entwickelt Sun-hwa ihrerseits Gefühle für ihren Peiniger. Das sitzt! Damit muss man erst mal fertigwerden. Gründe für diese Entwicklung liefert Kim Ki-duk übrigens nicht. Er lässt den Zuschauer mit den Eindrücken vollkommen alleine.
Was also tun? Soll man den Regisseur tatsächlich in die Ecke des Frauenhassers stellen, der sich an dem Leid seiner weiblichen Hauptfigur ergötzt, oder als jemanden abstempeln, der immer noch die Männerherrschaft propagiert? Ich bin der Meinung, man sollte das nicht tun. Für meine Begriffe ist "Bad Guy" ein Plädoyer für die Liebe. Liebe in einem Milieu, in einer (realen) Schattenwelt, wo ein derartiges Gefühl als Zeichen von Schwäche interpretiert wird. Ob diese bitterste aller denkbaren Liebesbeziehungen für Sun-hwa aufgrund der Ausgangssituation erfüllend bzw. überhaupt erstrebenswert ist, bleibt letztlich spekulativ. Das Ende des Films gibt diesbezüglich auch wenig Aufschluss. Was bleibt, ist ein schwaches Gefühl von Hoffnung, das aber jederzeit verschwinden kann.
Ein aufwühlender Film!
- Redakteur:
- Oliver Schneider
Der Kleinganove Han-ki zwingt die junge Sun-hwa zur Prostitution, als sie seine Zuneigung verschmäht. Sun-hwa, die aus einem geregelten Leben gerissen wird und aus gutem Elternhaus stammt, sieht sich zunächst der Verzweiflung nahe, beginnt aber nach einiger Zeit, ihr Schicksal zu ertragen.
Han-ki entwickelt im Laufe der Zeit einen in sich zerrissenen Charakter, indem er Sun-hwa einerseits vergewaltigt und immer wieder durch einen doppelten Spiegel beobachtet, anderseits beschützt, wo immer er kann. Aus diesem bizarren Rahmen entspringt eine leidensvolle Geschichte über Liebe, Hass und Gewalt.
So weit die Story des Films, die als filmisches Unwohlsein in Formvollendung durchgeht. Regisseur Kim Ki-duk versteht es ausgezeichnet, seine Hauptdarsteller Jo Jae-hyeon und Seo Won durch die sprichwörtliche Hölle gehen zulassen. Eine Hölle, die sich aus den innersten Motivationen und Emotionen speist und aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. In kraftvollen Bildern baut Ki-duk eine bitterböse Welt auf, in der das Wort Hoffnung keine Daseinsberechtigung zu haben scheint. Er achtet extrem darauf, seine Helden nicht als ausschließlich gut oder böse zu zeichnen, sondern lässt die Zuschauer auch mit den plakativ Abscheuungswürdigen Mitleid empfinden. So spricht der Zuhälter Han-ki über den kompletten Film hinweg kein Wort, sondern kommuniziert ausschließlich über seine gequält wirkende Mimik. Ein handwerklich sehr effektvoller Kniff, da der Zuschauer mit diesen Gesichtsausdrücken wahrhaft mitleidet und sich permanent fragt, was wohl in einem solchen Mann vorgehen muss, um seine Energie in dieser Form von psychischer wie physischer Gewalt auszuleben. Als er am Ende des Films seine ersten Worte zum Besten gibt, entfleuchen ihm nur gequälte Laute, der Spiegel seiner Existenz.
Man muss aber fairerweise sagen, dass man beim Genuss von "Bad Guy" die Logikschraube lockern sollte und den merkwürdigen Umstand, dass gerade die gepeinigte Sun-hwa Zuneigung zu ihrem Zuhälter entwickelt, nicht zu stark bewerten sollte. Der Film offenbart wundervolle und zarte Momente, ebenso aber auch Sekunden voller psychischer Brutalität, die als solche kaum zu steigern sind. Wenn sich Han-ki seiner Angebeteten anzunähern versucht und sich seine nie erlernte Liebe in einer brutalen Vergewaltigung entlädt, kann es dem geschockten Zuschauer auch schon mal anders werden.
Die Darsteller sind von Ki-duk perfekt gewählt worden, weil sie es ausgezeichnet verstehen, die volle emotionale Bandbreite des Films in jeder kleinen Szene ausdrucksstark widerzuspiegeln. Ohne sie und die auch in den zärtlichen Momenten permanent bedrohliche und düstere Atmosphäre wäre der Film vielleicht nur die Hälfte wert.
Das anamorphe Widescreen-1,85:1-Bild kommt scharf und mit sauberen Konturen daher und bietet auch in der Tiefenschärfe ein kontrastreiches Bild. Die DD-5.1-Tonspur ist mir hingegen etwas zu frontlastig ausgefallen, was mir aber im Endeffekt nicht viel ausmacht, da der Film auf leisen Tönen aufbaut und sich in keinem Aktionfeuerwerk entlädt. Mit einigen Interviews, Orginaltrailer, Making-of-Feature, Videoclips, einer Bildergalerie und einem Textinterview mit Ki-Duk ist die DVD auch an der Bonusfront rund ausgestattet.
Abschließend kann ich "Bad Guy" nur empfehlen, eine psychologische Studie über die menschliche Seele und dem Verlangen nach Zweisamkeit. In der hier gezeigten Intensität wird man eine solch bizarre Liebesgeschichte wohl nicht allzu oft zu sehen bekommen.
- Redakteur:
- Alex Straka