Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen
- Regie:
- Herzog, Werner
- Jahr:
- 2009
- Genre:
- Action
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Bad Lieutenant - Port Of Call: New Orleans
1 Review(s)
20.03.2010 | 21:59Er hoffe das alle an dem Remake beteiligten Personen irgendwann einmal gemeinsam in einem Wagen unterwegs seien, dieser in die Luft fliege und die Insassen allesamt in der Hölle schmoren würden – die Worte die Abel Ferrara („King of New York“, „Body Snatchers“) angesichts der Neuverfilmung zu seinem Kultfilm „Bad Lieutenant“ (1992) fand, waren, milde gesagt, nicht gerade freundlicher Natur. Doch wenn sich für eben jene umschimpfte Neuinterpretation des Stoffes um einen korrupten, keine ethischen Grundsätze besitzenden und obendrein dauer-koksenden Bullen niemand geringeres als der in Deutschland leider viel zu sehr in Vergessenheit geratene Werner Herzog („Nosferatu – Phantom der Nacht“,“Woyzeck„) auf den Regiestuhl bemüht, dann darf man mit großer Zuversicht aufhorchen. Und tatsächlich ist sein „Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen„ nicht weniger als eine kleine cineastische Offenbarung, die nicht nur den Regisseur aus der Versenkung holt, sondern auch den in einer seiner stärksten Rollen aufspielenden Hauptdarsteller Nicolas Cage („8mm“, „Leaving Las Vegas“) in einer Brillanz zeigt, die selbst die hartgesottensten Kritiker des „Hundeblick-Mannes“ verzücken dürfte.
„Shoot him again...His soul is still dancing.“
- Terence McDonagh -
Monate nach der Katrina-Katastrophe, ist das einst so schillernd-glamouröse New Orleans zum Moloch, bestehend aus Verzweiflung, Kriminalität und Gewalt, verkommen. In dieser Zeit wird Terence McDonagh (Nicolas Cage) aufgrund seiner Verdienste im Dienst zum Lieutenant befördert und just mit einem großen Mordfall beauftragt, in welchen offenkundig der ortsansässige Drogenkönig Big Fate (Xzibit) verwickelt ist. Doch die Pflicht als rechtschaffener Ordnungshüter fällt McDonagh, der nach einem Dienstunfall auf starke Schmerzmittel angewiesen ist, zunehmend schwerer. Wirklich funktionieren tut er eigentlich nur noch wenn er entweder Vicodin, Koks oder Crack intus hat. Am besten alles auf einmal.
Auch wenn Ferrara und Herzog den Titel, sowie den wahrlich „schlechten“ Cop in ihren jeweiligen Versionen von „Bad Lieutenant“ teilen, so darf die Neuauflage des deutschen Autorenfilmers weniger als Remake, als vielmehr als eine Ergänzung zum Original verstanden werden. Denn zieht man die wenigen Nenner beider Filme ab, so sind es im Grunde zwei vollkommen verschiedene Werke, mit anderen Motiven und Motoren. Denn wo Ferrara noch katholische Schuld und Sühne Motive anführte, seinen von Harvey Keitel („Das Piano“, „Reservoir Dogs“) gespielten Bullen einfach nur bad-ass sein ließ, das ganze äußerst drastisch überzog und nicht selten in extremer Kompromisslosigkeit enden ließ, lässt Herzog es weitaus langsamer angehen, konzentriert sich darauf Terence McDonagh mehrdimensional erscheinen zu lassen und lebt einmal mehr seine Landschaftsphilie aus, nur um Hauptcharakter und Umgebung miteinander verschmelzen und zu einem metaphorischen Sinnbild werden zu lassen.
So ist Herzogs Wahl, seine „Neuauflage“ des Stoffes ausgerechnet im New Orleans nach der Katrina-Katastrophe anzusiedeln, natürlich nicht von ungefähr gekommen, vermittelt sie doch genau den innerlich kaputten Eindruck, wie es auch die Figur des von Nicolas Cage gespielten Terence McDonagh tut. Und was ist das doch für ein kongenialer Charakter, der einem Regelwerk für möglichst üble Antagonisten entsprungen sein könnte: nicht nur das er im Dienst mehr Koks durch die Nase zieht, als so manches It-Girl an einem langen Wochenende, sich eine Crack-Pfeife nach der anderen rein knallt, seinen dicken Revolver ganz Großstadt-Cowboy like im Hosenbund trägt sodass er nicht übersehen werden kann, erpresst und korrumpiert, auch bewältigt er es (irgendwie) hervorragend die Balance zwischen reinem Ekel, den man für ihn empfindet, und selbst zerstörerischer Coolheit zu bewahren.
Und wer hätte es nach seinen katastrophalen Rollenauswahlen der letzten Jahre, den privaten Bankrott sowie des zweifelhaften Rufes als A-Trash Darsteller gedacht, das es ausgerechnet Nicolas Cage sein wird, der diesen Charakter so brillant und lässig spielt, das es einem mitunter die Sprache verschlägt? Es ist beinahe so, als würden wir hier einen, zwar gealterten, aber in der darstellerischen Verfassung von vor 15 Jahren spielenden Cage sehen, der mit seiner Performance nicht nur dem Streifen den Stempel „One-Man-Show“ aufdrückt, sondern ohne Zweifel auch noch eine seiner besten Rollen überhaupt spielt. Der Film zu 90% von Cage und dessen bitterbösen und doch ungemein sympathischen Charakter. Die anderen Darsteller, etwa ein solide spielender Val Kilmer („Heat“, Willow“), die immer hübsch anzusehende Eva Mendes („Training Day“, „The Spirit“) als sich prostituierende love-interest von Cage, sowie Brad Dourif („Chucky“, „Der Herr der Ringe: Die zwei Türme“) fügen sich zwar gut in das Gesamtbild ein, spielen aber allesamt die zweite und dritte Geige hinter dem Hauptdarsteller.
You think fish have dreams?
- Terence McDonagh -
Darüber hinaus betört „Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen“ aber auch durch seine lupenreine Inszenierung. Und auch wenn der Film augenscheinlich gar nicht so typisch in das Muster von Herzog fallen mag, so lässt es sich nicht von der Hand weisen, wer ihn gemacht hat. Dies merkt man vor allem dann, wenn Herzog Bild- und Tonsprache zu ihren Höhepunkten komponiert, etwa wenn McDonagh im Rauschzustand Leguane singen hört und die Kameraeinstellungen plötzlich europäische Arthouse Züge annehmen oder wir das zerstörte New Orleans sehen, in dessen Mitte der kaputte Protagonist erscheint.
Dabei macht der Film vor allem eines: jede Menge Spaß. Zwar ist der Thriller weite Strecken sehr ernst angestimmt, ein gewisser schwarzer Humor spielt aber immer im Hintergrund mit und sorgt dafür das der Film ausgesprochen leicht von der Hand geht, vor allem für die Verhältnisse für Herzog. Also, Herzog oder Ferrara? Beide Filme haben ihre Daseinsberechtigung, zumal beide letzten Endes andere Richtungen einschlagen und somit eigentlich grundverschieden sind.
Original Filmtitel:
The Bad Lieutenant: Port of Call - New Orleans (2009)
Länge des Filmes:
Ca. 122 Minuten
Darsteller:
Nicolas Cage...Terence McDonagh
Eva Mendes...Frankie Donnenfeld
Val Kilmer...Stevie Pruit
Fairuza Balk...Heidi
Xzibit...Big Fate
Shawn Hatosy...Armand Benoit
Jennifer Coolidge...Genevieve
Tom Bower...Pat McDonough
Vondie Curtis-Hall...James Brasser
Brad Dourif...Ned Schoenholtz
...
Regisseur:
Werner Herzog
FSK:
Freigegeben ab 16 Jahren
Fazit
„Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen“ ist die genau Sorte von Filmen, die auch ohne große Handlung erstklassig funktioniert. Dies liegt vor allem an den hervorragend aufspielenden Nicolas Cage, der als böser Cop eine solch elektrisierende Vorstellung gibt, das mit einem Schlag sämtlicher Schrott, den er in den letzten Jahren abgeliefert hat, vergessen ist. Doch auch Herzog liefert hier eine Arbeit in wahrer Höchstform, die ihn hoffentlich, aber eher unwahrscheinlich, auch außerhalb der USA wieder die Aufmerksamkeit beschert, die er verdient.
8/10
- Redakteur:
- Adrian Trachte