Black Swan
- Regie:
- Aronofsky, Darren
- Jahr:
- 2010
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Black Swan
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29.01.2011 | 14:38Das Showbusiness gründet darauf eine Fassade zu sein. Es ist immer perfekt, befreit von jeglichen Makel, stets glamourös und Wünsche weckend. Für einen Außenstehenden bleiben die Vorhänge der Unterhaltungswelt in der Regel verschlossen, die Menschen dieser Welt immer fremd, obwohl sie in vielen Fällen das eigene Leben in gewisser Hinsicht prägen. Ein Blick hinter die Kulissen gewährt sich nur selten. Vor zwei Jahren ermöglichte Regisseur Darren Aronofsky („Requiem for a Dream“, „Pi“) seinem Publikum einen dieser seltenen Blicke, und präsentierte die Welt des Wrestlings („The Wrestler“) so, wie man sie als einfacher Konsument eines solchen Formats nicht kennen kann. Mit seinem Ballett-Drama „Black Swan“, das auf den ersten Blick das genaue Gegenteil zum Wrestling-Drama darstellt, macht er im Prinzip nichts anderes.
Ninas (grandios: Natalie Portman) Leben ist das Ballett. Etwas anderes gibt es für sie nicht, weder im Traum noch in der Wirklichkeit. Für ihren großen Traum, einmal die Hauptrolle in Tschaikowskis „Schwanensee“ zu spielen, opfert sie alles: Freizeit, Hobbys, Freunde. Der tägliche Rhythmus ist immer der gleiche: aufstehen, dehnen, trainieren. Der Wille perfekt zu sein, er stellt für Nina eine geradezu krankhafte Obsession dar. Auch der exzentrische Theaterregisseur Thomas Leroy (Vincent Cassel), der zur neuen Saison eine neue Besetzung für den „Schwanensee“ sucht, sieht das so. Zwar wäre Nina ideal für die Rolle des weißen Schwans, doch will Leroy den weißen und den schwarzen Schwan mit ein und der selben Darstellerin besetzen.
Die betörende Passion, die dunkle Ausstrahlung des schwarzen Schwans, all das sieht er in Nina nicht. Eigentlich. Denn die Rolle bekommt sie trotzdem, spielen darf Nina sie aber nur, wenn sie zeigt, dass sie auch mehr kann als die einstudierten Schritte nachtanzen. Die Freude über die Chance hält jedoch nicht lange, denn Nina leidet zunehmend unter dem immensen Druck, dem sie sich selbst aussetzt. Immer häufiger sieht sie Dinge, die gar nicht da sind. Oder doch? Nina erlangt den Punkt, an dem sie nicht mehr weiß, wo ihr der Kopf steht: Ob in der Realität oder im (Alp)Traum, welche unmerklich ineinander zu verschwimmen scheinen. Ist es Einbildung, oder steckt doch mehr dahinter?
Im Prinzip ist „Black Swan“ der gleiche Film wie „The Wrestler“, denn beide Filme handeln in erster Linie von zwei zerstörenden Branchen und zwei zerstörten Persönlichkeiten. Im Detail gehen beide Filme aber natürlich komplett verschiedene Wege. So ist Aronofskys neuer Film nicht nur ein doppelbödiges Drama, sondern auch ein psychologischer Thriller mit Horroreinschlag. Erstaunlich: trotz der Tatsache, dass Aronofsky schon früh sehr genaue Hinweise gibt, in welche Richtung „Black Swan“ laufen wird, was hinter den seltsamen Kratzspuren auf Ninas Rücken und ihren Einbildungen steckt, ist der Film keine Minute lang langweilig. Das hat verschiedene Gründe.
Zum einen ist die Geschichte, so durchschaubar sie auch sein mag, unglaublich packend inszeniert, ohne das man es nötig hat den ruhigen Erzählfluss zu unterbrechen und auf große Gesten zurückzugreifen. Zum anderen ist Hauptdarstellerin Natalie Portman („Leon – Der Profi“, „Hautnah“) so unglaublich gut in ihrer Rolle der Nina, das es einem geradezu erschaudernd den Rücken runterläuft, wenn man sieht und hört wie ihre Knochen beim Training knacksen, wie sie unter ihrer krankhaft liebenden Mutter (Barbara Hershey, „Hannah und ihre Schwestern“) oder ihrem Verfolgungswahn leidet. Natürlich ist die ohnehin schon sehr zierliche Portman die Idealbesetzung der zerbrechlich wirkenden Nina, zudem forderte noch keine Rolle so sehr sämtliche Reserven der jungen Schauspielerin heraus, wie es in „Black Swan“ der Fall ist. Doch was sie hier raus holt, das ist schlichtweg brillant.
Auch die restliche Besetzung dürfte Cineastenherzen höher schlagen lassen, allerdings merkt man sehr deutlich um wen der Film aufgebaut wurde. So schafft Vincent Cassel („Public Enemy No. 1“, „Irreversibel“) als überheblicher Theaterregisseur den Spagat beim Publikum sowohl Abscheu, als auch Charme hervorzurufen, Winona Ryder („Meerjungfrauen küssen besser“, „Betty und ihre Schwestern“) als gefallener (Ballett-)Star funktioniert - wenig überraschend - gut und ist dementsprechend auch sehr glaubwürdig gespielt. Mila Kunis („The Book of Eli“, „Max Payne“) als erotische Femme fatale Variante passt natürlich schon alleine vom Aussehen her perfekt. Und doch stiehlt niemand Natalie Portman die Show. Denn was sie auf die Leinwand bringt, das ist schon ein verdammt intensives Schauspielkunststück, wie man es nicht allzu häufig erlebt.
„Black Swan“ erweist sich aber auch für Darren Aronofsky als perfekter Spielplatz zum Austoben. Denn dadurch, dass sich der Film nicht auf ein Genre festgelegt hat, bekommt der Regisseur sehr großen Spielraum für inszenatorische Feinheiten und audiovisuelle Tricks, die er auch munter anwendet, wo es nur geht. Zwar ist „Black Swan“ von Anfang bis Ende fehlerfrei durchkomponiert, trotzdem wirkt es nie so als hätte es Aronofsky mit den technischen und dramaturgischen Kniffen übertrieben. Im Gegenteil. Das alles wirkt nämlich so feinfühlig platziert, so gut getimt, dass es schon ein bisschen unheimlich anmutet. Vor allem der Score von Aronofskys Stammkomponisten Clint Mansell („Requiem for a Dream“, „Moon“) hat es wirklich in sich, denn wie dieser das Hauptthema des „Schwanensee“ interpretiert, ist schon eine Klasse für sich.
„Black Swan“ ist klassisches Kino, wie es sein sollte. Es ist spannendes, forderndes, schmerzhaftes Kino, welches zwar oft sehr durchsichtig, aber trotzdem ungemein fesselnd ist. Vor allem ist es aber auch ein klassischer Schauspielfilm, der seiner Hauptdarstellerin sämtliche Facetten abfordert, und als Dank eine eindringliche Darbietung von Natalie Portman bekommt. Dass der Film hier und da kleinere Schwächen aufweist, will man angesichts dieser wuchtigen Darbietung gerne verleumden.
Daten zum Film:
Originaltitel: Black Swan (USA, 2010)
Laufzeit: ca. 103 Minuten
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Regie: Darren Aronofsky
Darsteller: Natalie Portman (Nina Sayers), Mila Kunis (Lily), Vincent Cassel (Thomas Leroy), Barbara Hershey (Erica Sayers), Winona Ryder (Beth Macintyre), Benjamin Millepied (David) Ksenia Solo (Veronica)...
7/10
- Redakteur:
- Adrian Trachte