Call, The
- Regie:
- Takashi Miike
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Horror
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Chakushin ari
2 Review(s)
04.06.2006 | 09:51Endlich mal wieder richtig starker J-Horror. Waren die Zuschauer im letzten Jahr doch arg verwöhnt von den ganzen "Ringu"- und "Ju-On"-Nachfolgern, sieht es 2006 noch arg mau aus mit echtem Psycho-Terror aus Asien. Und die amerikanischen Remakes, die nun nach und nach auf den Markt gekommen sind – allen voran "Dark Water" – konnten bei weitem nicht mit den Original-Versionen aus Japan mithalten, geschweige denn eine ähnlich packende Atmosphäre kreieren. E-m-s verschaffen dem nun Abhilfe, indem die Firma einen weiteren Klassiker endlich auch in Deutschland zugänglich macht. Die Rede ist von "The Call", dem jüngsten Meisterwerk on Kult-Regisseur Takashi Miike, der unter anderem für Streifen wie "Ichi The Killer" und "Audition" verantwortlich zeichnet und hier ein weiteres Sahnestück des brutalen asiatischen Horrors erschaffen hat.
Story
Die junge Studentin Yoko bekommt eines Tages einen seltsamen Anruf. Als sie abhebt, erschrickt sie, denn am anderen Ende erklingt ihre eigene Stimme, gefolgt von einem verzweifelten Todesschrei. Besonders pikant: Der Anruf datiert zwei Tage später. Yoko misst dem Ganzen zwar eine Bedeutung zu, weiß aber nicht, was es mit dieser Sache nun auf sich hat. Als dann zum exakten Zeitpunkt tatsächlich das Szenario eintritt, das Yoko vor kurzem noch am Handy zu hören bekam, kann ihr jedoch keiner mehr helfen …
Ihre Freundin Yumi trauert um Yoko, bekommt jedoch selber nicht viel Zeit, um sich mit ihrem Tod zu beschäftigen, denn wiederum wird sie Zeugin eines ähnlichen Phänomens, nur dass der nächste Anruf statt Tagen nur noch Minuten später angesetzt ist. Als sie mitbeobachtet, wie ein guter Freund durch einen Fahrstuhlschacht hilflos in die Tiefe gezogen wird und kurze Zeit später ein mysteriöser Umstand eine weitere Bekannte während einer Fernsehshow zum Opfer fordert, bekommt Yumi es endgültig mit der Angst zu tun – zu Recht, denn nur wenige Minuten später klingelt ihr eigenes Handy. Und von dort an bleiben ihr nur noch zwei Tage, um dem grauenvollen Geheimnis um die seltsamen Todesfälle auf die Spur zu kommen. Ansonsten wird ihr wohl Ähnliches widerfahren …
Meine Meinung
Vom Prinzip her orientiert sich "The Call" schon sehr stark an "The Ring" bzw. "Ringu". Statt einer Videokassette sind es hier rätselhafte Handybotschaften, und ähnlich wie beim mittlerweile schon legendären Vorbild sucht auch hier eine junge Frau nach Motiven, die fest in der unglücklichen Kindheit eines sehr kleinen Mädchens verwurzelt sind. Und jetzt darf ich schon nichts Weiteres mehr verraten …
Abgesehen von den deutlichen Parallelen – die wohl kaum noch vermeidlich sind –, entwickelt Miike hier aber eine weitaus fiesere Art des Horrors, allerdings gespickt mit bekannten Aufbauten. Immer wieder lässt er die tödlichen Ereignisse in Sekundenschnipseln in die Dialoge einfließen und erzeugt so aus dem Nichts heraus einen Schocker nach dem anderen. Seltsam dabei: Man ist zwar irgendwie darauf vorbereitet, dass jetzt jeden Moment etwas Grausames ins Bild kommt, aber dennoch wird man jedes Mal wieder überrascht, welche Ideen der Regisseur hier hervorkramt, um das Maximum an Grusel-Atmosphäre zu erreichen. Kein einziger Punkt der Geschichte ist vorhersehbar, und das ist selbst dann so, wenn der eigentliche Plot schon beendet ist und die Schlusssequenzen wirklich auch noch das letzte Bisschen aus "The Call" herauskitzeln. Miike in Bestform also.
Die Art der Darstellungen des finsteren Monsters, das sich nach einigen Anschlägen manifestiert, ist dem Regisseur ebenfalls bestens gelungen – aber auch hier sind Parallelen zu "The Ring" und "The Grudge" nicht von der Hand zu weisen. Es ist ein düsteres, knochiges, untotes Wesen, dessen verborgene, immer wieder kurz aufblitzende Visage einem bei jedem Erscheinen den Atem raubt. Das große Finale, das sich in diesem Fall über fast eine halbe Stunde erstreckt, ist dementsprechend auch eine absolute Zerreißprobe für das eigene Nervenkostüm, dem sich labile Gemüter besser nicht stellen sollten. Obwohl ich von mir selber behaupten würde, in diesem Genre erprobt und daher auch abgehärtet zu sein, hat mich dieser Film in Sachen Angstzustände am meisten in Erregung versetzt. Ich habe jedenfalls die darauf folgende Nacht nicht sonderlich gut geschlafen. Dieser Film hat eine sehr deutliche Wirkung auf meine Psyche gehabt – und doch liebe ich ihn dafür und bin dankbar, dass das Genre auch in diesem Jahr solch mitreißende Vertreter wie "The Call" hervorbringt.
Die DVD-Version erscheint im feinen Pappschuber mit einer Bonus-DVD, bei der die Hintergründe der Story in zahlreichen Interviews und einem ausführlichen Making-of erörtert werden. Nachdem man dies gesehen hat (empfiehlt sich im direkten Anschluss an den Hauptfilm), wird man seine Aufregung wieder halbwegs in den Griff bekommen und sich wieder denken: "Mench, das ist ja nur ein Film". Aber ein furchtbar spannender … Über Extras braucht man sich jedenfalls nicht zu beklagen.
Die Aufarbeitung von "The Call" ist leider nicht ganz so gut gelungen. Das Bild ist ja gemeinhin bei solchen Filmen sehr blass, doch bei diesem Streifen verursacht ausgerechnet diese Blässe einige Unschärfen, die gerade in den düsteren Szenen deutlich zum Tragen kommen. Beim Ton hingegen ist Beifall angebracht. Jeder Schockeffekt wird beim dynamischen dts-Sound entsprechend in Szene gesetzt, so dass der Bass einem neben dem ersten Schrecken auch noch mal zusätzlich durch die Glieder fährt. Stark. "The Call" ist deswegen aber nicht bloß laut, sondern besticht durch einen sehr ausgewogenen, differenzierten Raumklang.
Fazit
Wie bereits eingangs erwähnt, überwiegt hier zunächst einmal die Freude über einen legitimen Nachfolger zu "The Ring". Dass "The Call" dabei von einer sehr ähnlichen Machart ist, ist im Endeffekt nur zweitrangig, denn Miike weiß ganz genau, was er seinem Publikum geben muss, und so ist der Film trotz aller offensichtlichen Parallelen seiner einheimischen Konkurrenz absolut ebenbürtig. Mehr zu sagen brauche ich daher sicherlich nicht mehr. "The Call" ist bereits jetzt ein Klassiker des japanischen Horror-Kinos und vielleicht sogar dessen bislang heftigster Vertreter. Wer mitreden möchte, sollte ihn deswegen auch auf jeden Fall gesehen haben.
- Redakteur:
- Björn Backes
Hintergrund
Ju-Ons sind ein traditioneller Bestandteil der japanischen Mythologie. Der Mythos besagt, dass der Geist eines im Groll Verstorbenen auf der Erde verweilt und jeden tötet, der den Fluch weckt. Hideo Nakatas "Ringu" aus dem Jahr 1998 war der erste Horrorfilm, der diese Thematik für eine große japanische Filmproduktion aufgriff. Es sollte der Beginn des so genannten J-Horrors werden, ein eigenständiges Genre, das Filme wie "Ju-On: The Curse", "Honogurai mizu no soko kara (Dark Water)" und "Kairo" hervorbrachte. Durch den enormen Erfolg wurde auch Hollywood auf den J-Horror aufmerksam und drehte an den westlichen Markt angepasste Remakes (u.a. "The Ring" und "Ju-On: The Grudge"). "The Call" ist Takashi Miikes Beitrag zu diesem Genre.
Handlung
Eine mysteriöse Mordserie erschüttert eine Gruppe von Jugendlichen. Das (zukünftige) Opfer empfängt einen Anruf, auf dem sein eigener Todesschrei zu hören ist. Das Kuriose: Der Anruf stammt aus der Zukunft, vom eigenen Handy aus gewählt. Kurze Zeit später, am tatsächlichen Datum des Anrufs, ist das Opfer tot. Nach Yoko (Anna Nagata "Battle Royale") und Kenji (Atsushi Ida) erreicht auch Natsumi (Kazue Fukiishi) solch ein unheimlicher Anruf. Durch die mysteriösen Todesfälle wird die Presse auf diese Mordserie aufmerksam und stürzt sich auf das vermeintlich nächste Opfer. In einer TV Show soll ein Exorzist Natsumi von dem Fluch befreien und sie retten. Seine Unternehmungen sind jedoch vergebens, er kann ihr nicht helfen und so stirbt Natsumi vor den Augen eines Millionenpublikums.
Ihre beste Freundin Yumi (Kou Shibasaki, "Battle Royale") versucht nun, den rätselhaften Ereignissen auf den Grund zu gehen und das Mysterium um den rachsüchtigen Geist zu lösen. Daraufhin klingelt auch ihr Handy - ihr bleibt nicht mehr viel Zeit, den Bann zu brechen und das Geheimnis des Fluchs aufzudecken.
Kritik
Wie aus der Handlungsangabe ersichtlich wird, hat Takashi Miike den J-Horror nicht neu erfunden. Die Geschichte klingt nach "Ringu" mit Mobiltelefonen und das ist sie über weite Strecken auch. Miike geht in "Chakushin Ari" (so der Originaltitel des Films) sehr konventionelle Wege und wandelt dabei zwischen klassisch japanischen J-Horror-Streifen und deren amerikanischen Remakes. Wer ein Splatterfest á la "Ichi The Killer" oder "Izo" erwartet, wird hier sicherlich enttäuscht.
Wie bereits erwähnt bedient sich Regisseur Takashi Miike ausgiebig bei seinen Landsleuten. Er klaut ganze Handlungsabschnitte dreist aus anderen Filmen und geht gar soweit, einzelne Kameraeinstellungen direkt aus anderen J-Horrorfilmen zu übernehmen. Diese Momente sind jedoch mit einer Ausnahme auch die stärksten des Films, da ansonsten der Stil der amerikanischen Remakes überwiegt.
Während sich "Ringu" und vor allem "Ju-On" durch ihre düsteren Bilder, die faszinierende Erzählweise und interessante Kameraeinstellungen auszeichneten, versucht Miike eine Gratwanderung zwischen J-Horror und Satire. Er spinnt eine klassische Geschichte um eine Außenseiterin, die einem Mysterium auf den Grund geht und eine grausame Familientragödie aufdeckt. Wäre er diesen Weg konsequent gegangen, hätte sein Film höchstwahrscheinlich mehr Biss gehabt. Leider verliert sich Miike gerade in der ersten Filmhälfte in belanglosen Diskussionen, die weder der Charakterentwicklung noch der Handlung dienlich sind. In dieser Phase wartet der Film mit einem sehr gemächlichen Erzähltempo und ganz wenigen Schockmomenten auf. Die kurzen Gruselmomente machen zwar Lust auf mehr, verlieren sich jedoch schnell wieder. Ganz langsam baut sich ein erster Höhepunkt auf, der mit einer zynischen Medienschelte seinen Gipfel erreicht. Dieser Moment ist eine Gratwanderung zwischen J-Horror und Hollywood, eine wunderbare Ohrfeige gegen Reality TV und sensationslüsternen Journalismus.
Nach dieser ersten Klimax entwickelt sich dann der erwartete, klassische Japano Horrorfilm. Hier offenbart Miike dann sein ganzes Talent, die Fähigkeit Angst und Schrecken im Menschen zu wecken, ihn mit kurzen Momenten des Grauens zu überfallen. Gerade die "Silent Hill"-artige Kulisse des verlassenen Krankenhauses am Ende baut eine enorme Atmosphäre auf und treibt die Spannung zu ihrem endgültigen Höhepunkt. Hier dominieren dunkle Bilder, unheimliche Geräusche, massig Schockmomente und eine Hauptdarstellerin in Panik - all das, was einen guten J-Horrorstreifen ausmacht.
Wäre der ganze Film in diesem Stil gehalten, hätte Miike einen überaus guten Schocker abgeliefert. Leider treibt er die Satire, wie oben schon genannt, zu weit, fokussiert zu stark seine Gesellschaftskritik und lässt Handlung und Charaktere außen vor. Dadurch weist der Film in der ersten Stunde einige Längen auf. Zum Glück wird das Warten dann mit der grandios inszenierten TV Show belohnt, die das Tempo auf einen Schlag von 0 auf 100 treibt und die tolle zweite Filmstunde einleitet. Erst hier weben sich die vielen Informationen rund um die Charaktere zusammen. So entsteht auch langsam der ersehnte Horror, von Minute zu Minute kommen mehr gute Schockmomente, bis der Film zu seiner ersten Auflösung kommt. An dieser Stelle hätte der Film ruhig sein Ende finden können, doch Takashi Miike setzt hier wieder einmal einen drauf. Er spinnt die Geschichte ein wenig weiter, um dem Zuschauer mit einem offenen Ende alle Möglichkeiten zur Interpretation zu lassen.
Hier wäre meiner Meinung nach weniger mehr gewesen.
Zum Glück kann man das nicht von den Schauspielern sagen. Diese sind nämlich glücklicherweise nicht vom typisch japanischen Overacing betroffen. Nahezu alle Darsteller wirken bodenständig und glaubhaft, liefern jedoch die nötige Portion Angst und Schrecken in ihrer Mimik, die westliche Schauspieler kaum umzusetzen wissen.
Vor allem Hauptdarstellerin Kou Shibasaki überzeugt auf voller Länge. Anfangs noch die Außenseiterin abseits der Gruppe, wächst sie während der Handlung zur starken Persönlichkeit heran, die sich zu weheren weiß und dem Grauen auf den Grund geht. Dabei überzeugt in erster Linie ihre Darstellung des Horrors, die innere Angst, die Panik, die Shibasaki auf das Publikum überträgt. Der männliche Hauptdarsteller Shin'ichi Tsutsumi fällt dagegen leicht ab, wirkt vergleichsweise blass und steif. Er macht seine Sache ordentlich, ohne dabei sonderlich aufzufallen - von einem Hauptdarsteller erwartet man mehr!Der restliche Cast setzt sich aus bekannten japanischen Darstellern zusammen, die einerseits aus dem J-Horror Genre kommen (Yutaka Matsushige: "Ringu"), oder in Yakuza Filmen mitgewirkt haben (Renji Ishibashi: "Gozu").
Auch der Score weiß zu gefallen, bei einem Miike-Film schon fast obligatorisch von Kôji Endô komponiert. Die Melodien sind sehr stimmungsvoll, wobei sie sich nie in den Vordergrund drängen. Vielmehr lassen sie der tollen Soundkulisse die Möglichkeit, sich frei zu entfalten und unterstützen diese Geräusche mit gezielten, unheimlichen Kompositionen. Im Mittelpunkt aller Klänge steht jedoch der Handyklingelton. Eine unglaublich eingängige und zugleich unheimliche Melodie, die einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf geht.
Die DVD
Das anamorphe 16:9 Bild (1,85:1) kann leider nicht überzeugen. Das Bild ist deutlich überbelichtet, der Kontrast ist schwach und der Schwarzwert dementsprechend mau. So gehen in den dunklen Szenen auch sämtliche Details verloren. Die Farben sind recht kraftlos und ein ständiges Hintergrundrauschen trübt das Sehvergnügen.
Dafür ist die Bildschärfe über weite Strecken als gut zu bewerten. Die Kompression ist auch nicht sauber und zeigt sich stellenweise durch Blockbildung und leichtes Blockrauschen.
Der Ton entschädigt zum Glück für das schwache Bild. Deutsch und japanisch in DD5.1, sowie ein deutscher DTS Track befinden sich auf der DVD. Dabei unterscheiden sich die deutsche Dolby Digital Tonspur und ihr DTS Pendant kaum voneinander. Die DTS Spur wirkt ein wenig höher aufgelöst, bietet im Vergleich zur DD Spur jedoch kaum Vorteile - den Speicherplatz hätte man auch gut und gerne für das Bild verwenden können. Die japanische Tonspur klingt ein wenig dumpfer als die deutsche(n), unterscheidet sich ansonsten jedoch nicht von den beiden anderen Spuren. Die Surroundeffekte sind recht rar gesät, überzeugen dennoch durch gute Direktionalität und einen ordentlichen Subwoofereinsatz. So liefert die Klangkulisse alleine den einen oder anderen Schockmoment.
Die Vanilla Disc bietet kaum Extras. Neben 5 Texttafeln zu Regisseur Takashi Miike enthält die DVD noch ein 8-minütiges Featurette "Bei den Dreharbeiten“, welches jedoch ohne Untertitel und lediglich auf japanisch enthalten ist. Wesentlich mehr Extras bietet die Special Edition (ebenfalls von e-m-s), die zudem in einem schicken Pappschuber ausgeliefert wird.
Die Schwächen beim Bild trüben den Gesamteindruck stark, weshalb das Ergebnis als enttäuschend bezeichnet werden muss.
Fazit
"The Call" ist Takashi Miikes konventionellster und zugänglichster Film, der ohne große Splattereinlagen und Gewaltexzesse auskommen muss. Er orientiert sich stark an Filmen wie "Ringu" und "Ju-On", kopiert dabei auf dreiste Art und Weise, schlägt jedoch einen für J-Horrorfilme untypischen Weg ein. So lässt es sich Miike nicht nehmen, Gesellschaftskritik und Satire in seine Interpretation des J-Horrors zu packen, was ihm zum Teil auch gelingt. "The Call" ist letzten Endes ein guter Schocker geworden, der mit einigen Längen zu kämpfen hat, sich sehr stark bei der Konkurrenz bedient und überraschend stark an Hollywood angelehnt ist. Es bleibt abzuwarten, wie Hollywood diesen Film interpretiert - für 2007 ist ein US-Remake geplant.
- Redakteur:
- Martin Przegendza