Cloverfield
- Regie:
- Reeves, Matt
- Jahr:
- 2008
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
1 Review(s)
30.09.2008 | 09:17Das geschieht:
Bevor Rob Hawkins - noch jung an Jahren, aber beruflich bereits sehr erfolgreich - am nächsten Morgen New York verlässt und nach Japan fliegt, um dort eine neue Stelle anzutreten, richten ihm Bruder Jason und Beinahe-Schwägerin Lily eine Abschiedsparty aus. Der tumbe Hud soll das Ereignis mit der Digitalkamera als Erinnerung festhalten. Rob ist gerührt, aber auch schockiert, als seine Freundin Beth mit einem neuen Lover auftaucht. Die Party droht im Streit zu enden, als plötzlich eine gewaltige Explosion das Gebäude erzittern und den Strom ausfallen lässt.
Die Gäste verlassen fluchtartig das Haus, geraten aber vom Regen in die Traufe, als neben ihnen auf der Straße der vom Rumpf getrennte und Kilometer weit geschleuderte Kopf der Freiheitsstatue einschlägt. Eine halbwegs geordneter Rückzug aus Manhattan setzt ein, der in wilde Panik umschlägt, als der Urheber der Zerstörungen schemenhaft sichtbar wird: Ein gigantisches Ungeheuer tobt durch die Straßen, richtet gewaltige Verheerungen an und tötet jeden Menschen, dessen es habhaft werden kann.
Auch Jason wird sein Opfer, als das Geschöpf die Brooklyn Bridge zerschmettert, über die er und die Freunde Manhattan verlassen wollten. Geschockt und ratlos kehren die Überlebenden um, als Rob über Handy einen Hilferuf von Beth erhält: Sie liegt verletzt in ihrer Wohnung und kann sich nicht befreien. Aller Vernunft zum Trotz beschließt Rob, Beth zu retten. Lily, Hud sowie Freundin Marlena schließen sich an. Während das Monster tobt und das Militär aufzieht, um es mit immer großkalibrigeren Waffen zu beschießen, taumeln die Freunde durch eine Stadt im Ausnahmezustand. Feuer und Zerstörung behindern sie, und immer wieder kreuzt das Ungetüm ihren Weg, bis es zur einer allerletzten und mörderischen Konfrontation kommt ...
Das Monsters neue Kleider
Klingt diese Story nicht sehr bekannt? Dies könnte auch die Inhaltsangabe zum Filmklassiker "The Beast from 20.000 Fanthoms" (dt. "Panik in New York") aus dem Jahre 1953 sein, in dem der Drehbuchautor einen prähistorischen "Rhedosaurus" aus den Atlantikfluten springen & wüten lässt. In der Tat bereichert "Cloverfield" das Genre des Phantastischen Films um keine einzige originäre oder gar originelle Idee - es ist alles schon dagewesen und wird nicht selten szenengetreu wiederholt.
Wenn dieser altmodische Film dennoch für Furore gesorgt hat, so geht das einerseits auf geschicktes Marketing und andererseits auf die Entscheidung zurück, mit der Erwartungshaltung des Publikums zu spielen. "Cloverfield" wurde im Vorfeld mit allen Mitteln beworben, die das Medium Internet inzwischen ermöglicht (s. u.); dies wurde ergänzt durch eine Serie von Trailern, die zusammenhanglose, aber aufregende Bildfetzen zeigten und sich ansonsten weitgehend darüber ausschwiegen, dass hier ein Film angekündigt werden sollte.
Die Neugier des Menschen wird vor allem durch das geweckt, was man ihm (scheinbar) vorenthalten möchte. Was ging da unter dem Decknamen "Cloverfield" vor? Der Boden war gut bereitet, als der Film schließlich in die Kinos kam - gut genug jedenfalls, um den Erfolg zu gewährleisten, obwohl Kritik und Zuschauerschaft umgehend in begeisterte Zustimmung oder harsche Ablehnung verfielen.
Denn sogar die einzige spektakuläre Idee, das Geschehen ausschließlich als digitale Aufzeichnung dessen wiederzugeben, was die Flüchtigen während ihrer Odyssee aufnehmen, ist eigentlich ein alter Hut. Immer wieder gibt und gab es Filme, die ihre Geschichte aus der subjektiven 'Sicht' der Kamera erzählten. Mit spektakulärem Erfolg geschah dies zuletzt 1999 mit "The Blair Witch Project".
Aus dem Blickwinkel eines einäugigen Beobachters
Auch hier ist Neugier das ausschlaggebende Instrument: Wird während der wilden Flucht vor einem gefräßigen Monster gefilmt, fällt das Ergebnis verständlicherweise etwas konfus aus. Auf Belichtung, Bildschärfe oder die Suche nach einem möglichst einträglichen Kamerawinkel kann da nicht geachtet werden. So bildet "Cloverfield" ein wüstes Geflimmer bewegter Bilder, die man am besten als Produkt einer Fahrt in der Achterbahn beschreibt; nicht ohne Grund standen in zahlreichen US-Kinos Warnschilder, die vor dem optisch anstrengenden Filmerlebnis "Cloverfield" quasi warnten (und für noch mehr Neugier sorgten).
Das 'Blickfeld' einer Kamera ist zudem vergleichsweise eng. Der Mensch verfügt über ein 180-Grad-Sichtfeld und eine natürliche Anti-Wackel-Automatik, die ihn selbst im größten Getümmel buchstäblich den Überblick behalten lässt. Damit kann sogar die Kameratechnik des 21. Jahrhunderts nicht mithalten. "Cloverfield" ist deshalb ein Zusammenschnitt undeutlicher Szenen, die dem Zuschauer nicht hirngerecht serviert werden, sondern die er sich im eigenen Kopf zu einem möglichst geschlossenen Gesamtbild zusammensetzen muss. Dies ist eine ziemlich anstrengende, aber auch spannende Herausforderung. Normalerweise wird man als Zuschauer nicht zur aktiven 'Mitarbeit' gezwungen. Nicht jeder spielt gern mit, wie die Ablehnung von "Cloverfield" verdeutlicht.
So hart Augen und Hirn indes arbeiten, es gibt keine hundertprozentige Klärung der Ereignisse. "Cloverfield" lässt viel Raum für eigenständige Schlüsse und Deutungen. Das Internet dokumentiert dies in zahlreichen Foren, in denen ratlose Zuschauer über offene Fragen diskutieren.
Das schließt die Natur des "Cloverfield"-Ungetüms ausdrücklich ein. Im Film taucht es nur in 'Ausschnitten' oder verwaschenen Ganzkörper-Ansichten auf und wirkt dadurch umso unheimlicher. Diesen Eindruck sollte man sich bewahren, denn inzwischen gibt es das Fledermaus-Krabben-Vieh als Spielzeugfigur, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt und jegliche Vorstellungskraft ad absurdum führt ... (www.hasbro.com/cloverfield)
Unzulänglichkeit ist übrigens harte Arbeit. Wer glaubt, man habe "Cloverfield" tatsächlich mit einer normalen Digicam gefilmt, irrt gewaltig: Keine dieser Kameras könnte ein Bild erzeugen, das sich auf Kinoleinwandgröße 'aufblasen' ließe. Also wurde moderne Hightech eingesetzt und das lupenreine Ergebnis anschließend mit weiterer Hightech 'verschlimmbessert', bis der gewünschte Effekt erreicht war.
Das abrupte Ende der Normalität
In dem einen Moment beobachtet man eine langweilige Party durchschnittlicher Twentysomethings, im nächsten beginnt ein opferreicher Kampf ums Überleben: "Cloverfield" ist ein Film, der auch an die Schauspieler erhöhte Anforderungen stellte. Die grobkörnige Verwaschenheit des Bildes ist anders als vielleicht gedacht kein Schutz, hinter dem sich spielschwache Darsteller verbergen können. Stattdessen müssen sie sich bemühen, in einem optischen Blitzgewitter glaubhaft zu wirken.
Das heißt: Das Schauspiel muss auf den jeweiligen 'Blick' der Kamera abgestimmt werden, und die wirbelt durch die Luft, liegt schräg auf dem Boden, schneidet Köpfe ab. Gesichtszüge können nur erahnt werden, Gefühle durch Stimme und Körperhaltung ausgedrückt werden. Den Darstellern gelingt es, sogar T. J. Miller ist als Hud stets präsent, obwohl wir ihn, der die Kamera hält, nur selten selbst im Bild sehen.
Große Namen wird man in der Darstellerliste nicht finden. Bei einem Budget von 30 Mio. Dollar war dies weder möglich noch erwünscht, da gerade die 'Anonymität' der Schauspieler es den Zuschauern ermöglicht, sich mit ihnen zu identifizieren: Was dort auf der Leinwand geschieht, könnte auch mir und meinen Freunden zustoßen!
Eine darüber hinausgehende Bedeutung sollte man "Cloverfield" übrigens nicht unterstellen. Da das Monster in New York umgeht, lag nicht nur in den USA der Gedanke an einen allegorischen 'Kommentar' zum 9/11-Desaster von 2001 nahe. Diese Interpretation wird im Film nie forciert; auch hier darf sich das Publikum (und die Kritikerschaft) eigene Gedanken machen. (Zum Beispiel über die Tatsache, dass unter den New Yorkern, die in Scharen flüchten, keine Kinder zu sehen sind, weil dies zartfühlende Zuschauer aufregen könnte ...) Letztlich ist "Cloverfield" ein spannender Horrorfilm, nicht mehr, nicht weniger.
Daten
Originaltitel: Cloverfield (USA 2008)
Regie: Matt Reeves
Drehbuch: Drew Goddard
Kamera: Michael Bonvillain
Schnitt: Kevin Stitt
Darsteller: Jessica Lucas (Lily Ford), T. J. Miller (Hudson 'Hud' Platt), Michael Stahl-David (Rob Hawkins), Mike Vogel (Jason Hawkins), Lizzy Caplan (Marlena Diamond), Odette Yustman (Beth McIntyre), Margot Farley (Jenn), Theo Rossi (Antonio), Brian Klugman (Charlie), Kelvin Yu (Clark), Liza Lapira (Heather), Lili Mirojnick (Lei), Ben Feldman (Travis) uva.
Label/Vertrieb: Paramount Home Entertainment (www.paramount.de)
Erscheinungsdatum: 07.08.2008 (Verleih-DVD) bzw. 22.08.2008 (Kauf-DVD) bzw. 06.10.2008 (Blue-Ray-Disc)
EAN: 4010884734683 bzw. 4010884534689 (Kauf-DVD) bzw. 4010884254686 (Blue-Ray-Disc)
Bildformat: 16 : 9 (1,78 : 1 anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch, Türkisch)
Untertitel: Deutsch, Englisch, Türkisch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 81 min
FSK: 12
DVD-Features
Weil in Sachen 'fiktiver Berichterstattung' (s. u.) nicht gespart wurde, gibt es eine Menge mehr oder weniger interessanter Features, die auf die "Cloverfield"-DVD gepresst werden konnten; für spätere De-luxe-Ausgaben dürfte in dieser Hinsicht noch mehr als "Verdeckte Ermittlungen im Fall Cloverfield" zu erwarten sein.
Außer dem obligatorischen (und marktschreierischen) "Making-of" gibt es einige entfernte Szenen sowie alternative Enden, die anzuschauen dem Filmfreund stets Freude bereiten, weil es etwas über die Genese des endgültigen Werks erzählt. Dazu gibt es einen Audiokommentar von Regisseur Matt Reeves, der zwar ein wenig zu überzeugt von der Originalität des Konzepts ist, aber natürlich mit Zusatzinfos nicht geizt.
Die Adresse der offiziellen Website zum Film lautet www.cloverfieldmovie.com; eine deutsche Variante findet sich unter http://movies.universal-pictures-international-germany.de/cloverfield.
Im Vorfeld gab es eine neuartige und viel diskutierte virale Werbeaktion, in deren Rahmen diverse Als-ob-Websites ins Netz gestellt wurden, die mit mysteriösen Nachrichten, Texten und Bildern neugierig auf den Film machen sollten:
http://www.1-18-08.com
http://www.0-00-00.com
http://www.slusho.jp
http://www.tagruato.jp
Diverse Figuren haben sogar eigene "MySpace"-Seiten. Wer sie einsehen möchte, starte einfach mit "Rob" (www.myspace.com/robbyhawkins). Unter den "Freunden von Rob Hawkins" stößt man auf die Seiten von Beth, Hud, Marlena, Hawk, Lil und Jamie.
Diese und viele andere offene (oder überflüssige) Fragen zum Film werden übrigens hier recht zufriedenstellend beantwortet: www.imdb.com/title/tt1060277/faq#.2.1.73.
Sehr hilfreich für die Orientierung des Zuschauers ist diese Karte mit allen für den Film relevanten Standorten des New Yorker Stadtteils Manhattan: http://img232.imageshack.us/img232/7403/cloverfieldmap3ph9.jpg.
PS: Für 2009 ist "Cloverfield II" angekündigt ...
- Redakteur:
- Michael Drewniok