Congo River
- Regie:
- Thierry Michel
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- Belgien/Frankreich
1 Review(s)
23.05.2008 | 14:54Der Congo River ist einer der grössten Flüsse dieser Welt, über 4300 km lang und wird an sieben Stellen durch Stromschnellen und Wässerfälle unterbrochen.
Thierry Michel und sein Team wollten mit diesem Film auf Stanleys Spuren folgen und bei einer mehrmonatigen Reise herausfinden, was das Glück und Ungemach dieses Kontinents ausmacht, aber auch Kultur und Tradition entlang dieses riesigen Stromes einfangen.
Dies ist ihnen meiner Meinung nach mit dieser 117 Minuten langen Dokumentation ausserordentlich gut gelungen.
Sie sind vom Meer stromaufwärts bis zur Quelle gereist und haben dabei viele Momente eingefangen, welche dem Zuschauer unvergesslich in Erinnerung bleiben werden.
Film:
Der Film beginnt mit einem Ausschnitt eines alten Filmes über Dr. David Livingstone, welcher in den Jahren 1850-1870 Afrika bereiste, immer auf der Suche nach den Nilquellen. Er fuhr bereits damals auf dem Congo River, nach ihm wurden die mehrere Kilometer langen Livingstonefälle benannt.
Die Filmer aus Belgien beginnen ihre Reise am Atlantik, wo sich das Wasser des Flusses ins Meer ergiesst. Ein Chef und Hüter der Wassergeister beschwört die Geister und bittet um Schutz für die bevorstehende lange Reise der "Fremden".
Dann geht es auf einer riesigen Barkasse, einer schwimmenden Insel, los, auf welcher über 300 Personen und zahlreiches Kleinvieh transportiert werden. Sie sind während einigen Monaten unterwegs, um über 1700 km zurückzulegen.
Immer wieder legt die Barkasse am Ufer an, um Menschen und Ware auf- oder abzuladen. Dies gibt den Filmemachern die Möglichkeit, verschiedene wichtige Orte auf Zelluloid zu bannen.
So halten sie an Überbleibseln der Kolonialzeit, wie der Universität von Yangambi an, wo früher die Elite der Agrarwissenschaften des Kontinentes studierte. Jetzt lebt dort nur noch ein Professor, welcher die vielen Reliquien wie zum Beispiel ausgestopfte Tiere oder das Herbarium hütet. Durch das tropische Klima und fehlende Finanzen ist natürlich alles zum langsamen Zerfall verdammt.
Sicherheit auf dem Fluss:
Immer wieder liegen am Flussufer gestrandete und verrostete Schiffe. Der Fluss ist unberechenbar und unerbittlich zu denen, welche ihn unterschätzen. Manchmal verschwindet eine Barkasse und erst Monate später gibt sie der Fluss wieder frei. So treffen sie während der Reise auf ein leck geschlagenes Schiff voller Menschen und Ware, welches hilflos auf Rettung wartet. Leider kann die Barkasse nicht helfen, da sie ansonsten selber nicht mehr genug Treibstoff hat, um weiter zu kommen. Das Ganze ist ein Dilemma, es wird Hilfe angefordert. Ob und wann diese eintrifft ist aber ungewiss.
An einem anderen Ort ist ein Schiff in der Nacht gesunken und es sind viele Tote zu beklagen. Sie liegen aufgereiht im Schatten von Bäumen.
Die Unterlagen, Karten und Reglemente für den Fluss stammen noch aus der Kolonialzeit. Sie waren 1959 von den Belgiern zurückgelassen worden. Die Schiffskapitäne behelfen sich mit selbst gezeichneten Karten, da der Fluss an vielen Orten versandet ist. Trotz zahlreichen Geldabgaben wird der Fluss vom Staat nicht gepflegt. Es gibt keine Warnschilder, kein Ausbaggern des Sandes, keine staatliche Sicherheit.
Diktator:
Während der Reise gibt es auch einen Halt bei einem ehemaligen, inzwischen zerfallenen Palastes des früheren Diktators Lumumba. Er gehörte zu den grausamen Herrschern Afrikas, welche es nach den Kolonialzeiten in Afrika bis heute noch gibt. Er war grössenwahnsinnig, baute sich teure Paläste, während das Volk verarmt war. Inzwischen gab es verschiedene Nachfolger, fast alle wurden geputscht und ermordet. Bis heute herrscht keine Ruhe in diesem von Bürgerkrieg durchschüttelten Land.
Landweg:
Nach 1700 km müssen die Filmer aussteigen. Der Fluss ist nur noch mit kleinen Booten befahrbar, da es eine starke Strömung und Stromschnellen gibt. An diesem Ort bauten 1909 die Belgier eine Eisenbahn, welche jedoch seit sechs Jahren (Kriegszeit) nicht mehr in Gebrauch ist und inzwischen auch völlig überwuchert ist. Nun versucht die Bevölkerung mit Handarbeit die Vegetation zurückzudrängen, damit diese wichtige Form des Transportes wieder benützt werden kann. Sie verbindet den Ober- und Unterlauf des Flusses und ist etwa 125 km lang.
Im Kongo ist der Fluss die Hauptverkehrsader. Strassen sind oft überwachsen, nicht passierbar oder gefährlich.
Oberlauf:
Am Oberlauf angelangt beginnt der gefährliche Teil der Reise. Diese Gebiete sind unsicher und manch einer wird schnell Opfer von Gewalt. Noch heute sind die Menschen traumatisiert, ganze Dörfer wurden massakriert, Frauen und Mädchen vergewaltigt. Der Zuschauer wird in ein Krankenhaus geführt, in welchem schon über 2000 Vergewaltigungsopfer behandelt wurden, darunter sogar Mädchen, welche keine sechs Jahre alt sind.
Die dort lebenden Fischer können nie wirklich ruhig leben. Bei Unruhen bricht die Gewalt immer in brutalster Form aus.
Der General und Chef der Mai-Mai, einer nach alten Traditionen lebenden militärischen Gruppierung rechtfertigt die Gewalt. Er sieht sich als Erlöser, als Moses und erklärt, dass sein Grundbuch die Bibel sei.
Religion:
Überhaupt ist die Religion allgegenwärtig. Der grösste Teil der Bevölkerung ist christlich, doch wird der traditionelle Glaube mit dem Christentum vermischt. So werden Menschen immer noch verhext, Talismane schützen oder schaden, der Glaube ist allgegenwärtig. Krankheiten wie die sehr verbreitete Schlafkrankheit werden bis heute noch teilweise mit Geistern erklärt.
Am Flussufer werden immer wieder spontane oder auch organisierte Gottesdienste abgehalten, bei denen die Menschen immer sofort bei den Gebeten und Gesängen mitmachen. Man bekommt immer das Gefühl, dass aus allem ein Fest gemacht wird.
Steinbruch:
Der Zuschauer wird in einen Steinbruch geführt, in dem noch heute Kobalt und Kupfer abgetragen wird. Die Arbeiter sind zum grössten Teil Kinder ab fünf Jahren. Sie durchwühlen den ganzen Tag die Erdoberfläche, um ihren Familien ein wenig Geld nach Hause bringen zu können.
Zur Zeit des Kolonialismus wurde dieses an Rohstoffen reiche Land regelrecht ausgebeutet. Es wurden Diamanten, Rohöl, Kobalt und Kaffee, Kautschuk, exotische Nahrungsmittel und Kupfer exportiert.
Quelle:
Das Ende der Reise naht, ein verwittertes Schild weist den Weg zur Quelle. Doch bevor die "Fremden" diesen heiligen Ort betreten dürfen, spricht der Hüter der Wassergeister mit ihnen. Diese Quelle im Gebirge, inmitten von Bäumen wirkt friedlich und ist nach der langen Reise über diesen braunen Strom eine regelrechte Erholung.
Persönliche Meinung:
Die Reise von über 4000 km durch ein mir fremdes Land, auf einem mir bis jetzt fremden Fluss hat mich von Anfang bis Ende gefangen genommen. Ich war neugierig, hatte mich auf den Film gefreut und am Ende wurde ich mit vielen wunderschönen Landschaftsbildern, nachdenklich stimmenden Momenten, erschreckenden Zuständen, mit neuen Eindrücken über diese mir eher unbekannte Kultur belohnt.
Diese Dokumentation ist ein Leckerbissen und ich kann mir vorstellen, dass sie im Kino noch besser wirkt, die Grösse des gigantischen Flusses besser vermitteln kann. Immerhin ist der Congo River der zweitlängste und wasserreichste Strom auf dem afrikanischen Kontinent und sogar der zweitwasserreichste der Erde.
Die Reise wechselt sich mit Ausschnitten in schwarz/weiss aus alten Dokumentationen über das Land und die Kolonialzeit ab. Diese sind kurze Einschübe, welche jeweils zu dem Ort passen, wo gerade angehalten wird.
Bilder vom Schiff aus, aber auch aus der Luft zeigen die Grösse dieses Stromes. Es sind eindrucksvolle Bilder. Aus der Luft gesehen vergisst man die Menschen, sieht nur diese wilde, zu einem grossen Teil wie es scheint, unberührte Landschaft. Auf dem Schiff nimmt man Anteil, bestaunt, bedauert, oder freut sich mit den einzelnen Menschen und ihren Schicksalen.
Der Film hat eine gute Balance zwischen Natur, Kultur, Politik und Geschichte gefunden und ich kann ihn praktisch ausnahmslos weiterempfehlen. Doch muss ich warnen, dass es vereinzelt Bilder gibt (Wasserleichen, gehäutete Affen über dem Feuer), welche sicher nicht jeder Magen erträgt. Aber sie gehören zur Realität und genau deswegen gefällt mir die Dokumentation so gut. Sie zeigt die schönen, wie auch die dunklen Seiten dieses Stromes
DVD:
Die DVD enthält eine französische Tonspur, die Menschen sprechen in ihren Dialekten oder Französisch. Alles ist deutsch untertitelt.
Sehr empfehlenswert sind die Extras. Diese beinhalten ein Making-Of, beziehungsweise ein Drehtagebuch, welches nach dem Sehen des Filmes sehr interessant ist, da man als Zuschauer erfährt unter welchen schwierigen Bedingungen gedreht wurde. Ein politisch unruhiges und korruptes Land zu bereisen ist immer sehr mühsam und nervenaufreibend. Deswegen konnte nicht alles wie geplant gefilmt werden.
Thierry Michel und sein Team aus Belgien zeigen sich selber und am Ende ist man ihnen sehr dankbar für ihre Arbeit und dieses eindrückliche Porträt aus dem Kongo.
Sprachen: Französisch DD 5.1
Untertitel: Deutsch
Bild: 16:9 (anamorph)
FSK: 6
Produktion: Belgien / Frankreich 2006
Laufzeit: 116 Min. (+ 60 Min. Bonus)
Extras: Making-Of, Trailer
- Redakteur:
- Doris Flückiger