Der Dieb der Worte (Blu-ray)
- Regie:
- Brian Klugman & Lee Sternthal
- Jahr:
- 2012
- Genre:
- Drama
- Land:
- U.S.A
- Originaltitel:
- The Words
1 Review(s)
08.11.2013 | 14:13Schreiben oder Leben, Wahrheit oder Dichtung
Der junge Autor Rory Jansen hat sein erstes Buch geschrieben, und es ist ihm damit jener große Wurf gelungen, der vielleicht nur ein Mal in jeder Generation vorkommt: Er erobert die literarische Welt und die Phantasie der Leser im Sturm. Die Kritiker sind begeistert, Freunde empfehlen einander das Buch mit bebender Stimme, überall wird es gelesen - in Buchclubs, Flugzeugen, Universitäten. Rory wird über Nacht zum Star in der Literaturszene. Es scheint, als habe er alles, was ein Autor ersehnt: Formale Frische und inhaltliche Tiefe, Intelligenz und einen klaren Blick für das Leben um ihn herum. Zu diesen kreativen Talenten kommt noch der finanzielle Erfolg und seine schöne, liebende Gattin Dora Jansen - die Welt liegt Rory zu Füßen, weil er sie mit seinen Worten verzaubert. Doch auf dem Höhepunkt von Rorys Erfolg taucht plötzlich ein alter Mann auf, der ihn des Betrugs beschuldigt und behauptet, dass er eigentlich der Autor des gefeierten Romans sei. (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: The Words (USA 2012)
Dt. Vertrieb: Universum Film
VÖ: 18.10.2013
EAN: 0887654940797
FSK: ab 6
Länge: ca. 106 Min.
Regisseur/Drehbuch: Brian Klugman & Lee Sternthal
Musik: Marcelo Zarvos
Darsteller: Bradley Cooper (Rory Jansen), Dennis Quaid (Clayton Hammond), Zoe Saldana (Dora Jansen), Olivia Wilde (Daniella), Jeremy Irons (Alter Mann), Nora Arzeneder (Célia), Ben Barnes (Jack) u.a.
Handlung
Die Handlung hat drei Ebenen. Es empfiehlt sich, gleich von Anfang an, den Überblick zu behalten, denn im letzten Drittel werden sie alle miteinander vermischt.
Ebene 1
Clayton Hammond (Quaid) ist ein erfolgreicher Schriftsteller, der heute Abend vor vollem Saal aus seinem Bestseller "The Words" vorliest. Die Literaturstudentin Daniella kommt spät in die Lesung, bleibt aber hinter umso länger. Sie will Hammond auf den Zahn fühlen. Ist das wirklich alles von ihm, was er da vorträgt?
Ebene 2: Hammonds Buch "The Words"
Es war einmal ein strebsamer Autor vom Lande (Cooper), der mit seiner Frau Dora (Zoe Saldana)in die große Stadt zieht, um dort groß rauszukommen. Er rackert sich ab, doch sein erstes Manuskript wird überall, mit größtem Bedauern, abgelehnt. Er ist eben ein Nobody.
Nach der Hochzeit fliegen er und Dora nach Paris in die Flitterwochen. Überall heilige Stätten, die der Verehrung und Huldigung bedürfen! Hier wohnte Hemingway, da Gertrude Stein, hier drüben Djuna Barnes und dort... Damit er zufrieden ist, kauft ihm Dora in einem Trödelladen eine alte, speckige Aktenmappe aus dunklem Leder. Sie ahnt nicht, dass diese Mappe es in sich hat.
Denn als Rory eines Tages die Mappe nutzen will, um mal wieder abgelehnte Manuskripte darin zu verstauen, stößt er in einer versteckte Falte auf ein uraltes, mit Schreibmaschine getipptes Manuskript. Er ist - tada! - "The Window Tears", jenes Buch also, von dem wir bereits wissen, dass Rory damit zu Ruhm, Ehre und Geld gelangen wird. Der Haken: Es ist nicht von ihm.
Ebene 3: "The Window Tears"
Es war einmal ein blutjunger US-Soldat namens Jack, der 1944 nach Paris geschickt wurde, doch dort gab es nichts mehr zu kämpfen, sondern nur noch in der Kanalisation zu schippen und zu buddeln. Die einzige Leiche, die er antraf, war ein Minenopfer. Dafür lernt er die Liebe seines Lebens kennen: Célia (Arzeneder) ist die Kellnerin in der Bar, wo Jack und sein Kumpel, der ihn mit den Büchern vertraut gemacht hat, einen zu heben pflegen.
Als er einen Fehler wiedergutmachen will, lädt er Célia, die auch allein in der großen Stadt lebt, ein und sie verbringen wundervolle Tage miteinander. Eines kommt zum anderen, und sie bekommt ein Baby. Das Töchterchen ist goldig, aber krank. Er kann keine Prosa schreiben wie weiland Hemingway, doch wie jener muss auch er sich als Journalist verdingen. Erst als die Tragödie perfekt, das Töchterchen tot und Célia aus Liebeskummer vertrieben, findet er den Leidensdruck, um schreiben zu können.
Er tippt zwei Wochen lang ohne Unterbrechung. Dann gibt er das Manuskript Célia und bittet sie, zu ihm zurückzukommen. Doch als er sie wieder sieht, hat sie das verdammte Manuskript im Zug liegen gelassen - mit Absicht, um ihn vor die Wahl zu stellen? Es kommt zum Bruch, und Jack sieht sie erst viele Jahre später wieder, in New Jersey. Mit einer neuen Familie...
Ebene 2
Sein Verleger ist hingerissen und nimmt Rory unter Vertrag. Der Rest ist Geschichte: Die Kritiker überschlagen sich, die Agenten reißen ihm seine Manuskripte aus der Hand, die doch zuvor wie Blei lagen, die Lesungen führen ihn von Stadt zu Stadt.
Ebene 1
Damit endet der erste Teil von Hammonds Lesung, und Daniella macht sich an ihn ran. Doch der zweite Teil ist sogar noch spannender.
Ebene 2
Am Abend der Preisverleihung, auf dem Gipfel seines Ruhms, wird Rory von einem alten Mann beschattet. Der sehr gepflegt gekleidete Gentleman spricht ihn am nächsten Tag im Central Park an und outet sich als wahrer Autor von "The Window Tears". Textstellen usw. belegen das eindeutig. Er erzählt Rory seine Geschichte, vielleicht die von Jack und Célia. Nein, er will kein Geld. Er will nur, dass Rory VERSTEHT, was nötig war, um dieses Werk entstehen zu lassen.
Was wird, was muss, was soll Rory tun? Und wenn er die Wahrheit sagt, was wird dann Dora dazu meinen? Eine weitere Ehe steht auf dem Spiel.
Mein Eindruck
Rory befindet sich in einer Zwickmühle. Er kann seinen Idealen als Autor folgen und die Wahrheit sagen, dass das Buch nicht von ihm ist. Dann wird ihn der Buch- und Verlagshandel in der Luft zerreißen, wie ihm sein Verleger Cutler rasch klar macht. Doch als er Dora die Wahrheit sagt, sieht auch sie sich getäuscht und zweifelt an ihm. Etwas zerbricht, das sich nicht mehr kitten lässt: der unbedingte Glaube an die Integrität des geliebten Menschen. Sie nimmt sich eine Auszeit.
Natürlich besucht Rory wieder den alten Mann. Dieser wird von Jeremy Irons ganz wundervoll gespielt, als alter, kranker Mann in seinem Gewächshaus auf dem Lande. Der Alte macht Cooper, der wirklich nur das RICHTIGE tun will, klar, dass es kein Zurück mehr gibt. Der Alte werde ihn nicht exkulpieren, die Schuld müsse Rory schon selbst auf sich nehmen - solange er versteht, um was es geht: Dass die Wahrheit der Worte eine ganz andere ist als die des Lebens.
Und dass sich diese zwei Wahrheiten nur in den allerseltensten Fällen miteinander vereinen lassen. Die Worte sind Fiktion, das Leben nicht. Das Leben ist deshalb unendlich viel härter und gnadenloser und schöner als jede Fiktion. Eine Fiktion kann nicht geliebt werden, nur ein anderer Mensch - und dieser Liebe muss die Fiktion vielleicht geopfert werden. Am Schluss ist Rory gezwungen, eine unbequeme Wahl zu treffen, wenn er sein Leben zurück haben will.
Auch Clay Hammond wird vor eine Wahl gestellt. Der berühmte Autor von "The Words" könnte Daniella auf der Stelle haben - wenn er nur die Wahrheit über seine Autorschaft herausrücken würde. Wird er das verantworten können? Will er es überhaupt? Dennis Quaid spielt Hammond mit Würde, aber hintergründig. Daniella, gespielt von Olivia Wilde ("Cowboys & Aliens") ist die Versuchung selbst, aber auch eine Gefahr. Ist er selbst etwa die Vorlage für seinen Rory Jansen? Diese Frage bleibt unbeantwortet. Der Zuschauer darf sich seine Meinung selbst bilden.
Die Blu-ray
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DTS-HD, Englisch in DTS-HD
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras (ca. 9 Min.):
- O-Trailer
- Ein Blick hinter die Kulissen
- Big Data-Live
- Trailershow
Mein Eindruck: die Blu-ray
Bild und Ton sind von bester Qualität. Man muss allerdings beim Paris-Kapitel ein Auge zudrücken, denn dieses ist per Digital Color Grading in Falschfarben getaucht: Alle Bilder haben einen Sepia-Stich, wie auf einer alten Vorkriegspostkarte. Ich fand das angemessen, denn es verdeutlicht den Zeitunterschied von 50 Jahren zwischen "Jack" und Rory Jansen. Der Drehort für diese Szenen war die Innenstadt von Montreal, nicht von Paris - dort wären zu viele Touristen gewesen.
EXTRAS
1) Originaltrailer (2:20)
Der Trailer hebt auf das Drama ab, das sich aus dem Konflikt der gestohlenen Story und dem wahren Leben des Rory Jansen ergibt. Sowohl Jacks Geschichte als Autor als auch die des alten Mannes, der Jack sein könnte, zwingen Rory zu einer Entscheidung. Aber warum erzählt dan ein anderer, nämlich Hammond, ihre Geschichte? Weil seine Berechtigung hinterfragt werden muss, diesen Konflikt zu erzählen. Hat er geschwindelt? Ist er am Ende selbst Rory Jansen?
2) Ein Blick hinter die Kulissen
Bradley Cooper kennt den Regisseur Brian Klugman seit seinem zehnten Lebensjahr. Also war es nicht allzu schwer, die Hauptrolle zu ergattern. Der Rest der Riege ergab sich von selbst, und ich fand die Wahl ausgezeichnet. Besonders gefiel mir Nora Arzeneder als die Célia, die erst überglücklich ist, dann aber durch eine Tragödie hindurch muss.
Anscheinend hat die Story, die elf Jahre bis zur Realisierung brauchte, auch eine Vorgeschichte. Und darin scheint Brians Vater, der bekannte Schauspieler Jack Klugman, eine Rolle gespielt zu haben. Wie auch immer: Das Team war nie in Paris, sondern drehte im relativ nahen Montreal. Am Schluss werden ein paar Deutungshilfen angeboten. Aber ich finde, die Bedeutung des Films sollte jeder für sich herausfinden.
3) BD-Live
Hab ich nicht getestet.
4) Trailershow
a) Heute bin ich blond
b) Der Nächste, bitte! (mit Dany Boon)
c) Sein letztes Rennen (mit D. Hallervorden)
d) Ein besseres Leben
e) Wie beim ersten Mal (Meryl Streep, T.L. Jones)
f) Rum Diary (Johnny Depp, Aaron Eckhart)
Unterm Strich
"Der Dieb der Worte" greift eine alte Urban Legend über Ernest Hemingway auf, der mal ein Mauskript gefunden haben soll (es gibt im Film mehrere Andeutungen darüber, welches), das ihn zum Star machte. Was die Geschichte so reizvoll macht, sind ihre drei Ebenen (eigentlich sind es sogar vier, aber wir erfahren nie genau, was "The Window Tears" eigentlich erzählt). Einst gab es vielleicht mal ein Paar namens Jack und Célia, die nicht nur ein Baby, sondern auch ein Manuskript bekamen. Und wie die Jungfrau zum Kinde, so kam auch Rory zu seinem Buch und Bestseller. So jedenfalls die Version, die Clay Hammond verbreitet.
Kunst und Leben, Fiktion und Wahrheit vermischen sich. Der Zuschauer sieht vielleicht ein, dass es bei Schriftstellern nicht anders sein kann, aber dass sie alle für DIE WORTE ein Opfer an die Muse bringen müssen: Häufig ist es wohl das Ideal der Wahrheit, die sie der Fiktion opfern, mitunter aber auch eine Liebe, und dieses Opfer wiegt viel schwerer.
Der Film versucht, nicht allzu brav zu erzählen, was die einzelnen Ebenen miteinander zu tun haben. Er versucht aber auch, durch einfachstes, lineares Erzählen den Zuschauer nicht zu verwirren, sondern im Gegenteil an dem Widerspruch zwischen Leben und Fiktion teilhaben zu lassen. Schließlich ist ein Film selbst eine Geschichte und somit Fiktion (womit Ebene Nr. 5 erreicht wäre). Aber wie schon "Cloud Atlas" lässt sich eine Geschichte, die eine Bedeutung erlangen soll, nur über die Verbindungen zwischen ihren Ebenen erzählen, also nicht geradlinig von A nach B.
Das Verdienst der Autoren/Regisseure, die Brad Cooper schon aus Kindheitstagen kennt, liegt für meinen Geschmack weniger in der Story an sich oder in den Schauplätzen, sondern in den Darstellung der Konflikte. Alle diese Konflikte sind sehr glaubhaft und anrührend geschildert, und immer wieder kommt die Wahl zum Ausdruck, die ein Schriftsteller zu treffen hat: Ist ihm ein Werk wichtiger als die Person, die er liebt oder lieben könnte? Und umgekehrt ist es anrührend zu verfolgen, wie die Frauen reagieren, wenn die Männer diese Wahl treffen. Die letzte Wahl muss Hammond treffen, doch er lässt die Frage offen - und so stellt sich uns die Frage, was er tun sollte. Raffiniert.
Im Vergleich zu "Cloud Atlas" ist die Geschichte sehr brav und ohne jede Provokation erzählt. Ihr fehlt der Biss. Denn, Hand aufs Herz, wer ist schon mit einem Schriftsteller verheiratet oder liiert? Wenn allerdings Rory Jansen bzw. Clay Hammond der Redenschreiber oder PR-Manager des nächsten US-Präsidenten oder Bundeskanzlers wäre, dann sähe die Sache wohl ein wenig anders aus...
Die Blu-ray
Bei bester Klang- und Bildqualität weiß die Blu-ray doch nicht mit Bonusmaterial zu beeindrucken, ganz im Gegenteil. Das Feature von achteinhalb (ist die Fellini-Reverenz Zufall oder Absicht?) Minuten gewährt nur kurze, kleine Einblicke in die Entstehung des Films, bietet Infohäppchen zu den Schauspielern und Drehorten (Montreal) an, nur um sich dann mit Ansätzen für die Interpretation aus der Affäre zu ziehen. Der Rest ist Werbung. Das ist etwas mager für eine so teure Silberscheibe.
Michael Matzer (c) 2013ff
- Redakteur:
- Michael Matzer