Ding aus einer anderen Welt, Das
- Regie:
- Nyby, Christian
- Jahr:
- 1951
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Thing from Another World
1 Review(s)
07.05.2011 | 10:43Das geschieht:
Quasi in Sichtweite des Nordpols gehen Wissenschaftler in einer Forschungsstation ihrer Arbeit nach. Versorgt werden sie vom US-Militär, das immer gern wissen möchte, was auf dem Dach der Erde vorgeht, über das sich womöglich – wir schreiben das Jahr 1951 – die bösen Sowjet-Teufel nach Nordamerika einzuschleichen versuchen.
Als unweit der Station ein unbekanntes Flugobjekt niedergeht, wird daher sogleich Captain Patrick Hendry mit seiner Crew losgeschickt, um vor Ort nach dem Rechten zu sehen. Gefunden wird kein russisches Spionageflugzeug, sondern eine im Eis abgestürzte Fliegende Untertasse offensichtlich außerirdischer Herkunft. Die Bergung misslingt; das Objekt wird vernichtet. Doch ein Insasse wird im Eis eingefroren gefunden und in die Station gebracht.
Durch einen dummen Zufall schmilzt der Eispanzer. Der unheimliche Insasse erwacht zu blutrünstigem Leben, denn es ist der rote Lebenssaft, der ihm enorme Kräfte und eine diabolische Schlauheit sichert. Ober-Wissenschaftler Dr. Carrington entdeckt, dass der Fremde quasi eine intelligente Pflanze ist, die sich durch Sporenbildung vermehrt: Offensichtlich war hier eine heimliche Erd-Invasion geplant, die nun ihre Fortsetzung findet, denn die Kreatur denkt gar nicht daran, sich in die Eiswüste davon zu machen. Stattdessen belagert sie die Station und ihre Insassen.
Die Verteidiger sind geschwächt, denn es herrscht Uneinigkeit. Während Hendry das Problem nach Militär-Vorschrift in den Griff bekommen will, drängt Carrington auf eine Verständigung mit dem Wesen. Das Risiko, die Station bzw. ihre Bewohner in Lebensgefahr zu bringen, geht er aus wissenschaftlichem Interesse gern ein. Damit arbeitet Carrington dem Ding aus einer anderen Welt in die Klauenhände. Hendry kommt dem allzu neugierigen Forscher gerade noch rechtzeitig auf die Schliche. Jetzt sprechen die Waffen, doch es könnte bereits zu spät sein …
Neugier braucht Disziplin
1950 war im sogenannten „freien Westen“ aus politischer Sicht ein weiteres Jahr der kollektiven Ernüchterung. Der II. Weltkrieg lag gerade fünf Jahre zurück. Unter gewaltigen Opfern hatte man Nazis und Japaner nieder gerungen, doch der Sieg war bereits schal geworden: Die Sowjetunion, der einstige Verbündete, war zum erbitterten und mächtigen Gegner geworden, und das ebenfalls kommunistische China drohte Japan im Kampf um die Vorherrschaft in Asien zu ersetzen.
Der Wissenschaft verdankten die USA die Atombombe, doch seit 1949 verfügte auch die Sowjetunion über diese furchtbare Waffe. Zudem mehrten sich die Kenntnisse, dass die ‚Nebenwirkungen‘ ihres Einsatzes noch schlimmere Folgen zeitigten als die eigentliche Explosion. Allzu kluge Forscher hatten der Menschheit womöglich einen schlimmen Bärendienst erwiesen. Wussten diese Wissenschaftler eigentlich noch, was sie trieben und dabei entfesselten?
„Das Ding aus einer anderen Welt“ visualisiert diese Angst, die unter den ‚normalen‘ Zeitgenossen aufkam. Misstrauen bzw. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Im Film ist es das Militär, das unter Berücksichtigung des gesunden Menschenverstandes den allzu wissensdurstigen Forschern einen Riegel vorschiebt. Wie Kinder müssen diese beaufsichtigt und diszipliniert werden, weil sie nicht verstehen wollen, dass die Welt schlecht und der Erstschlag oft die beste und einzige Verteidigung ist – eine US-amerikanische Denkweise, die sich bekanntlich nicht grundsätzlich geändert hat.
Hochspannung und Zeitgeist
Dass aus dem „Ding“ kein didaktisch-humorloses Lehrstück, sondern ein zeitlos spannendes SF-Horror-Abenteuer geworden ist, verdankt dieser Film dem klassischen Hollywood-System, das für hochprofessionelle Unterhaltung steht. „Das Ding“ ist ein B-Movie und wurde möglichst kostengünstig produziert. Namen wie Howard Hawks (1896-1977), Ben Hecht (1894-1964) oder Dimitri Tiomkin (1894-1979) machen allerdings deutlich, dass hier Spitzenkräfte am Werk waren, die mit mehr als einem Film Hollywood-Geschichte schrieben.
Die Botschaft wurde sorgfältig verpackt, damit die schon damals misstrauischen Zuschauer den Köder schluckten. Sie lässt sich ausblenden, falls sie von einem Publikum, das den Kalten Krieg nur noch aus Geschichtsbüchern kennt, überhaupt noch registriert wird. Was bleibt, ist ein inhaltlich wie formal trickreich auf Hochspannung getrimmtes Film-Abenteuer, das die zeitbedingten Altertümlichkeiten oder das eher lächerliche als erschreckende Ungeheuer schnell vergessen lässt.
Howard Hawks war privat wie als Filmemacher ein Pragmatiker. Er schätzte selbstbewusste Männer (und Frauen – dazu unten mehr), die einfach einen guten Job machten. Während die Wissenschaftler sich ununterbrochen beraten, wie man dem Ding beikommen könnte, handeln Soldaten und Handwerker. Dabei begehen sie Fehler, die sie akzeptieren und korrigieren. So kommen sie zum Ziel, während die klugen aber eben nicht tatkräftigen Männer des Geistes sich verrennen: Die Gesetze der Wissenschaft sind in der ‚realen‘ Welt nicht bindend; dies gilt für die Erde ebenso wie für die Heimat des Dings, das sämtliche Verständigungsversuch rüde abschmettert und letztlich seinen clever improvisierenden Widersachern doch nicht gewachsen ist.
„Watch the Skies!“
Es ist die ultimative Verkörperung des Kollektivs, das mit „der Kommunismus“ gleichgestellt wird: Schlau aber gefühllos bis zur Grausamkeit, strikt erfolgsorientiert, unempfindlich bis zur Selbstaufgabe und nur darauf bedacht, sich zu vermehren, um neue Krieger für seinen Kampf zu rekrutieren, will das Ding erobern und muss deshalb vernichtet werden. Diese Schlussfolgerung ist aus zeitgenössischer Sicht durchaus logisch. Während wir heute die Worte eines Dr. Carrington sehr wohl und stattdessen eher unbehaglich zur Kenntnis nehmen, wie locker den Soldaten die Waffen sitzen, war die Mehrheit 1951 geneigter, dem eingleisig denkenden und handelnden Captain Hendry zuzustimmen.
Über das Militär und seine detailfrohen Vorschriften werden diverse Scherze gemacht. Dennoch flößt es letztlich Vertrauen ein: In der Krise wissen diese Soldaten, was zu tun ist. Sie lassen sich nicht irritieren. Meinungs- und Pressefreiheit müssen sich in der Krise unterordnen. Carrington, seine Forschergruppe, aber auch Reporter „Scotty“ lernen die Richtigkeit dieser Lektion auf die harte Tour. Scotty ist es, der dann den in die Filmgeschichte eingegangenen Schluss-Satz in den Funkäther schickt: „Watch the Skies!“ – Schaut in den Himmel, denn von dort werden sie kommen; keine Aliens, sondern die realen Feinde der freien (= westlichen) Welt.
Die Angst ist spürbar: Würden oder werden wir sie aufhalten können? Oder sind sie womöglich zu stark? Das Ding lässt sich weder mit Pistolen noch mit Gewehren ausschalten. Hendry ordnet an, dass seine Männer im Kampf gegen die Kreatur zur Axt greifen sollen, denn „Schießen nützt nichts“. „Seit wann?“ ertönt die entgeisterte Antwort ebenso ernsthaft wie witzig. Gemeint ist nicht (nur) die aktuelle Notlage in der Nordpol-Station.
Hoffen und Bangen
Wie drehe ich spannende Unterhaltung? „Das Ding“ ist quasi eine anderthalbstündige Muster-Lektion. Unabhängig von der seit mehr als einem halben Jahrhundert diskutierten Frage, wie oft Produzent Hawks, der ein wesentlich talentierterer Regisseur als Christian Nyby (1913-1993) war, heimlich auf dem Regiestuhl Platz genommen hat, bietet dieser Film schlackenfreie, perfekte Zerstreuung.
Zwar entstanden Szenen wie die eindrucksvolle ‚Bergung‘ der Untertasse in der Sommerhitze auf dem Gelände des RKO-Studios, doch Hawks bewilligte durchaus Mittel für Außenaufnahmen, die im echten Schnee des Glacier National Park im US-Staats Montana unweit der kanadischen Grenze entstanden. Der gewiefte Profi wusste um die Notwendigkeit, zunächst die Weitläufigkeit der Landschaft sowie die grenzenlose Einsamkeit der Station im Eis zu veranschaulichen, um deutlich zu machen, dass später mit Hilfe von außen nicht zu rechnen ist. Selbst ist hier der Mann, der im Kampf um das Überleben zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen muss.
Das Innere der Station ist eine Abfolge unübersichtlicher, schlecht beleuchteter Gänge, Kammern und Lagerräume, die dem Ding viele Versteckmöglichkeiten bieten. Stärke, Unverwundbarkeit und plötzliches Erscheinen müssen seinen Schrecken garantieren, denn Maske und Tricktechnik von 1950 können nur andeuten, was die literarische Vorlage versprach. James W. Campbell jr. (1910-1971) hatte in der SF-Novelle „Who Goes There?” 1938 ein Wesen beschrieben, das in die Gestalt seiner Jäger schlüpfen konnte. Erst 1982 war Hollywood soweit, diesen Aspekt gebührend einfließen zu lassen: John Carpenter entfesselte in „The Thing“ eine Effektorgie, bei der den Opfern buchstäblich das Fell über die Ohren gezogen wurde.
Nicht nur Rollen, sondern Menschen
James Arness, der ab 1955 und bis 1994 als Marshall Matt Dillon in „Gunsmoke“ die Colts rauchen ließ, war mit über 2 Metern Körpergröße ein sehr geeignetes „Ding“. Maske und Make-up konnten die ‚Menschlichkeit‘ des Darstellers jedoch nicht verbergen, weshalb das Ding nur im Halbdunkeln und stets sehr kurz vor die Kamera tritt. Studiofotografien beweisen, dass diese Entscheidung richtig war; Arness wirkt gut ausgeleuchtet in seiner Maske wie eine Mischung aus Frankenstein-Monster und Feigenkaktus.
Im Film funktioniert das Ding jedoch gut. Auch wenn wir es nicht sehen, ist es bedrohlich präsent. Wir vermissen es zwischenzeitlich nicht, weil wir um die Menschen in der Station bangen. Chef-Drehbuchautor Charles Lederer (1911-1976) arbeitete mehrfach für und mit Howard Hawks. Er wusste, worauf dieser Wert legte. Folglich werden die Darsteller nicht grob in Helden, Schurken und Kanonenfutter unterteilt. Lederer schuf echte Persönlichkeiten, Menschen mit Ecken und Kanten, deren Schicksale nicht kalt lassen.
Kenneth Tobey (1917-2002) als Patrick Hendry ist tatkräftig und mutig aber weder allwissend noch ein Supermann. Die entscheidende Idee, wie dem Ding beizukommen ist, stammt nicht von ihm. Zwar legt Hendry Wert auf Disziplin, nicht aber auf blinden Gehorsam. Seine Untergebenen treiben ihre Scherze mit ihm, ohne ihn lächerlich zu machen. Profis wissen, wann es ernst wird; das dann angemessene Verhalten muss ihnen nicht befohlen werden.
Die typische Hawks-Frau liebt es, mit den Jungs umher zu ziehen. Sie ist selbstbewusst, nie ängstlich und macht keinen Hehl daraus, an einem Mann interessiert zu sein; kurzum: Sie hat AUCH Hosen an, ohne deshalb weniger feminin zu wirken. Margaret Sheridan (1926-1982), die als Nikki Nicholson auf der Suche nach Zigaretten Patrick Hendry ganz selbstverständlich in die Brusttasche fasst oder diesen bei ihrer ersten Begegnung unter den Tisch trinkt, steht in einer langen Reihe tatkräftiger Hawks-Frauen wie Katharine Hepburn („Bringing Up Baby“, 1938; dt. „Leoparden küsst man nicht“), Lauren Bacall („The Big Sleep“, 1946; dt. „Tote schlafen fest“) oder Angie Dickinson („Rio Bravo“, 1959). Folglich wird nie die sonst im Hollywood übliche Frage gestellt, ob denn eine Frau – bzw. „ein Mädchen“ – in einer Nordpol-Station arbeiten ‚darf“.
Trockener Humor zur rechten Zeit
Sauber abgestimmt ist der Spannungsbogen: Zwischen den Action-Szenen gibt es immer wieder Sequenzen, in denen es ruhiger aber weiterhin unterhaltsam zugeht. Vor allem nie alberner, sondern trockener Humor sorgt für Pausen, ohne dass die Atmosphäre darunter leidet. Keine Rolle ist zu ‚fein‘ für einen Witz, denn niemals steht außer Frage, dass der Scherzbold sich im nächsten Moment in einen Profi verwandeln kann.
Das schließt Ned „Scotty“ Scott ausdrücklich ein. Schon optisch ist er, ein übergroßer, hagerer Mann mit Halbglatze unter einem Pferdegesicht, ein Außenseiter. Darüber hinaus ist er weder Soldat noch Wissenschaftler, sondern Reporter. Immer wieder sorgt er für Heiterkeit, wenn ihm Funkprobleme oder die Zensur bei seinem Versuch, die Sensationsmeldung vom Fund einer Fliegenden Untertasse exklusiv an die Öffentlichkeit zu bringen, einen Strich durch die Rechnung machen. Trotzdem ist Scotty immer vorn mit dabei, wenn es gilt, dem Ding an den Kragen zu gehen.
Die sympathische Nüchternheit, mit der die uns vorgestellten Menschen miteinander umgehen und sich der Gefahr stellen, garantieren im Bund mit einer soliden, gut erzählten Geschichte das seltene Vergnügen eines Films, der nach wenigen Minuten sein Alter vergessen macht. „Das Ding“ ist kein Kult, sondern ein Klassiker und damit unabhängig vom Urteil begeisterter Fürsprecher: Dieser Film findet sein Publikum selbst – immer wieder!
Daten
Originaltitel: The Thing from Another World (USA 1951)
Regie: Christian Nyby [und Howard Hawks]
Drehbuch: Charles Lederer [sowie Howard Hawks u. Ben Hecht]
Kamera: Russell Harlan
Schnitt: Roland Gross
Musik: Dimitri Tiomkin
Darsteller: Kenneth Tobey (Captain Patrick Hendry), Margaret Sheridan (Nikki Nicholson), Robert Cornthwaite (Dr. Arthur Carrington), Douglas Spencer (Ned „Scotty“ Scott), James Young (Lt. Eddie Dykes), Dewey Martin (Bordwart Bob), Robert Nichols (Lt. Ken „Mac“ MacPherson), William Self (Corporal Barnes), Eduard Franz (Dr. Stern), Sally Creighton (Mrs. Chapman), James Arness (Ding) u. a.
Label/Vertrieb: Kinowelt/Arthaus (www.kinowelt.de)
Erscheinungsdatum: 08.02.2005 (DVD)
EAN: 4006680031576
Bildformat: 4 : 3 (1,33 : 1, anamorph)
Audio: Dolby Digital 1.0 mono (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
Länge: 83 min.
FSK: 12
DVD-Features
„Das Ding“ entstand 1951 als B-Movie, das optisch oder akustisch nur bedingt ‚aufzurüsten‘ ist. So muss man sich mit Schmalformat und Monoton abfinden, während das Schwarz-Weiß Bild sich immer noch sehen lassen kann.
Die aktuelle deutsche Ausgabe erschien 2005 und nur als DVD. Zu den wenigen Features gehören der (deutsche) Trailer, diverse Pressefotos sowie Scans zeitgenössischer Zeitungsartikel. Abgerundet wird dieses Info-Material durch ein achtseitiges Booklet.
- Redakteur:
- Michael Drewniok